Australien

Missbrauch: Kardinal Pell bleibt im Gefängnis

Die Berufung des australischen Kardinals George Pell ist gescheitert. Der ehemalige Finanzchef des Vatikans war im Dezember 2018 des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gesprochen worden. Der Vatikan betont, dass Pell während des gesamten Verfahrens stets seine Unschuld beteuert und nun das Recht habe, sich an den Obersten Gerichtshof Australiens zu wenden.

Kardinal George Pell hat eine beachtliche Karriere in der katholischen Kirche vorzuweisen. Lange war der heute 77-Jährige der ranghöchste katholische Würdenträger Australiens. Von 1996 bis 2001 war er Erzbischof von Melbourne, von 2001 bis 2014 Erzbischof von Sydney. 2014 wurde er Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, also Finanzchef des Vatikans, und damit Nummer Drei in der inoffiziellen vatikanischen Kirchenhierarchie. Außerdem machte Papst Franziskus Pell zum Mitglied des neunköpfigen Kardinalsrates, eines 2013 neu geschaffenen päpstlichen Beratergremiums, aus dem er jedoch im Vorjahr ausgeschlossen wurde – angeblich aus Altersgründen.

Schon vor Jahren wurden gegen Pell Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche von Australien laut. Zunächst ging es hierbei um den Vorwurf, Pell habe von Missbrauchsfällen erfahren, diese jedoch vertuscht. Als er hierzu 2016 von der staatlichen australischen Royal Commission into Institutional Responses to Child Sexual Abuse befragt wurde, sagte er, er habe, als er damals erstmals von dem Vorwurf hörte, dass Priester Kinder sexuell missbrauchten, "stark dazu tendiert", die Version der Priester zu glauben. Laut der britischen Zeitung The Guardian sagte Pell wörtlich: "Zu dieser Zeit gab es eher den Instinkt, die Institution, die Gemeinschaft der Kirche, vor Schande zu bewahren."

Doch zu den Vorwürfen der Vertuschung gesellten sich bald Anschuldigungen, dass Pell selbst Minderjährige sexuell missbraucht habe. Am 11. Dezember 2018 wurde er in einem Missbrauchsverfahren schuldig gesprochen – bekannt wurde das Urteil aufgrund einiger Besonderheiten des australischen Justizsystems jedoch erst im Februar dieses Jahres. Nach Auffassung des Gerichts hatte Pell als Erzbischof von Melbourne im Jahr 1996 nach einer Sonntagsmesse in der Sakristei der St. Patrick’s Kathedrale einen 13-jährigen Chorknaben zu Oralsex gezwungen und einen weiteren sexuell belästigt. Einen Monat später soll Pell einen der beiden Jungen erneut sexuell belästigt haben, indem er – ebenfalls nach einer Sonntagsmesse – in der Kirche dessen Genitalien angefasst habe. Das Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren gegen Pell.

Gegen das Urteil hatte Pell Berufung eingelegt. Seine Anwälte halten das heute 35-jährige Missbrauchsopfer, auf dessen Aussage die Verurteilung fußt, für unglaubwürdig. Das zweite Opfer war vor einigen Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben. Doch das Berufungsgericht des australischen Bundesstaats Victoria in Melbourne bestätigte nun am gestrigen Mittwoch Pells Verurteilung aus erster Instanz und lehnte den Berufungsantrag ab.

Vatikansprecher Matteo Bruni reagierte umgehend auf die Entscheidung des Gerichts. Der Heilige Stuhl, so Bruni, erinnere daran, dass Kardinal Pell während des gesamten juristischen Verfahrens stets seine Unschuld beteuert habe, und dass er nun das Recht habe, sich an den Obersten Gerichtshof Australiens (High Court) zu wenden.

Gleichzeitig erklärte Bruni, dass der Heilige Stuhl gemeinsam mit der Kirche in Australien seine Nähe zu den Opfern sexuellen Missbrauchs bekräftige, ebenso wie sein Engagement zur Verfolgung jener Geistlichen, die solchen Missbrauch begehen – eine Verfolgung durch kompetente kirchliche Autoritäten. Letzteres ein Seitenhieb auf das jüngst angekündigte Gesetzesvorhaben des australischen Bundesstaats Victoria, nach dem Priester unter Strafandrohung verpflichtet sein werden, Missbrauchsfälle, von denen sie während der Beichte erfahren, zu melden – und zwar an staatliche Autoritäten. Ein Gesetzesvorhaben, gegen das die katholische Kirche in Australien derzeit Sturm läuft, da sie die Bewahrung des Beichtgeheimnisses als religiöses Privileg verteidigt.