Antisemitismus und Antimuslimismus

Der Historiker Wolfgang Benz spricht im Interview über gefährliche Ausgrenzungen, hartnäckige Vorurteile, falsche Maßnahmen und den "Bodensatz" in der Gesellschaft.

Wolfgang Benz ist anerkannter Antisemitismusforscher und sagt: "Was früher Talmud-Hetze war, ist jetzt Koran-Hetze". Eine Verschärfung der Gesetze in Österreich und Deutschland, um gegen Islamisten vorgehen zu können, hält er für unnötig. "Das schürt die Feindbilder." Allerdings gibt es auch für ihn "keinen Zweifel daran..., dass man Extremisten das Handwerk legen muss." Klar sei, dass kriminelle Handlungen nicht hingenommen werden können, "ich glaube aber nicht, dass man dazu die Gesetze verschärfen muss."

Eine Gesetzesverschärfung würde komplette Gruppen unter Verdacht stellen. Das jedoch würde "den Boden der Allgemeingültigkeit und der Toleranz" überschreiten.

Er hält die Idee, eine Ausstiegsstelle für Jihadisten zu installieren, für einen dringend notwendigen Schritt: "Das ist unbedingt notwendig, auch für Eltern, die Rat und Hilfe suchen. Sanktionen sind leider notwendig, aber sie müssen von Hilfen begleitet werden. Einen 21-Jährigen, der sich verführen hat lassen und in Syrien gekämpft hat, den kann man doch nicht alleine lassen."

Benz warnt davor, dass heute Augrenzung anhand der Religionen erfolgt, die genau so wenig Substanz hat wie der Judenhass: "Heute gibt es einen Experten, der in Büchern behauptet: Ein Christ, der Gewalt ausübt, macht sich vor seiner Religion strafbar, ein Muslim aber, der keine Gewalt ausübt, macht sich in seiner Religion strafbar. Dabei beruft er sich auf den Koran. Was früher Talmud-Hetze war, ist jetzt Koran-Hetze. Man stigmatisiert eine Minderheit als gefährlich, weil es ihr angeblich die Religion befiehlt."

Damit sagt er nicht - wie er klarstellt - dass es heute keinen Antisemitismus mehr gäbe: "Aber der Antisemitismus ist seither kontrolliert - als Bodensatz ist er in unserer Gesellschaft natürlich vorhanden. Durch den Gaza-Krieg hat sich eigentlich gar nichts verändert. Es gibt keine Pogromstimmung, wie jüdische Funktionäre meinen. Aber die Stimmung gegenüber Israel ist eingebrochen."