"Hoaxilla" über Verschwörungsmythen

Die "Weisen von Zion" heißen heute Soros & Co.

Zu Anfang des Jahrzehnts war die Welt noch fast in Ordnung. Facebook hatte den "Like"-Button eingeführt, und ein neuer Podcast namens Hoaxilla widmete sich aus skeptisch-wissenschaftlicher Sicht modernen Mythen, etwa über Coca Cola oder die versunkene Insel Atlantis. Heute, mehr als 240 Folgen später, herrscht ein raueres Klima. Das spiegelt sich auch in der Themenliste der Hoaxillas, sagt Alexa Waschkau, die das Projekt gemeinsam mit ihrem Mann Alexander betreut. Das Politische nimmt immer mehr Raum ein, zunehmend wird die Debatte von Storys über angebliche Verschwörungen geprägt. Und immer wieder entdeckt man bei den Geschichten einen antijüdischen Dreh.

Gefährlicher Unsinn, der lange Zeit als überwunden galt. Beobachter registrieren eine zunehmend feindliche Stimmung gegenüber Juden, und spätestens der Terroranschlag von Halle führte auch dem letzten Zweifler mit schrecklicher Konsequenz vor Augen: Der Antisemitismus in Deutschland ist eine ernste Gefahr.

In den sozialen Medien kursieren alte Feindbilder im neuen Gewand, auch wenn sie sich nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen geben. Was früher als Stammtisch-Spinnerei galt, ist heute nur wenige Klicks entfernt. So behauptet der Buchautor David Icke, die Welt würde von einer geheimen Organisation, "The Brotherhood", regiert, die eine "Neue Weltordnung" errichten wolle. Der Mensch sei als Sklave von Außerirdischen erschaffen worden. Und die Regierungen? Großteils von Reptilioden besetzt, die uns nur glauben lassen, sie seien Menschen wie wir.

Für den Psychologen und die Ethnologin bieten solche Konstrukte ein weites Beobachtungsfeld, wie Alexa und Alexander Waschkau bei "Skeptics in the Pub" am 3. Dezember in Köln zeigten. Das Motiv der übermächtigen, manipulativen Elite findet sich auch im Chemtrail-Mythos. Das ist kein Zufall, so die beiden Mythenfachleute. Liest man sich tiefer in einen Verschwörungsmythos ein, landet man früher oder später bei antijüdischen Motiven. Genau das macht antijüdische Verschwörungsmythen nach Alexander Waschkaus Einschätzung so gefährlich. Es ist kein weiter Weg vom Glauben an eine übermächtige, bedrohliche Elite zum Gedanken, dass man sich gegen sie zur Wehr setzen müsse.

Auch Schlagwörter wie "Lügenpresse", "gelenkte Medien" und "Zerstörung der Gesellschaft" lassen bekannte alte Motive erkennen, so Alexa Waschkau. Sie lassen sich, wie viele Elemente bei David Icke, auf ein berüchtigtes über hundert Jahre altes Pamphlet zurückführen.

Die "Protokolle der Weisen von Zion" sind ein Stück Fake News alter Schule. Um die vorletzte Jahrhundertwende in Russland entstanden, soll der Text die Besprechungen jüdischer Anführer dokumentieren. Ihr Plan sei es, die bestehende Ordnung zu zerstören, um auf den Trümmern ihre Weltherrschaft zu errichten. Als Werkzeug dienen ihnen die Steuerung von Medien, Finanzkapital und Gewerkschaften. Demnach hätten "die Juden" nicht nur die Französische Revolution angezettelt, sondern auch Marxismus und Anarchismus erfunden. Auch der Antisemitismus sei eine jüdische Schöpfung, um den Zusammenhalt in der Gemeinschaft zu stärken. Zwar wurden die "Protokolle" schon 1921 als Fälschung entlarvt – der Text beruht auf dem Roman "Gespräche in der Unterwelt" (1864) von Maurice Joly – dennoch kursieren ihre Motive auch in modernen Verschwörungsmythen.

Wie das funktioniert, zeigten die Hoaxillas am Beispiel George Soros. Dem ungarisch-amerikanischen Investor und Philanthropen wird vorgeworfen, mit seinen Geschäften gezielt Staaten in den Ruin zu treiben, um mit eigenen NGOs die Weltherrschaft zu übernehmen. Außerdem hole er Flüchtlinge nach Europa – das, was in rechten Kreisen gern "Umvolkung" genannt wird. Mit dieser Behauptung stilisierte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán Soros als überlebensgroßes Feindbild.

Richtig ist, dass George Soros durch Spekulation dazu beitrug, das britische Pfund zu schwächen, was ihm einen Milliardengewinn einbrachte. Richtig ist auch, dass er sich für Demokratie und gegen autoritäre Regierungen einsetzt, Initiativen der Bürgerrechtsbewegung unterstützt und den Großteil seines Vermögens einer Gruppe von Stiftungen, den Open Society Foundations, übertragen hat.

Solche Fakten werden Verschwörungsanhänger jedoch kaum überzeugen. Denn sie argumentieren so emotional, dass Vernunftargumente an ihnen abprallen. So mancher engagierte Aufklärer hat sich bereits im "Faktenduell" mit Gläubigen aufgerieben. "Wie man einem gläubigen Menschen den Glauben nicht ausreden kann, wird es auch nicht gelingen, einem Verschwörungsgläubigen von seiner Überzeugung abzubringen", resümiert Alexander Waschkau.

Deshalb raten die Hoaxillas zu anderen Kommunikationsstrategien, die freilich ein gehöriges Maß an Geduld verlangen. Offene Fragen stellen, etwa: Was bedeutet dir diese Geschichte? Wie bist du darauf gekommen? Was müsste geschehen, um dich von deinem Glauben abzubringen? Wenn man Glück hat, gelingt es, ins Gespräch zu kommen und mehr über das Weltbild des Gegenübers zu erfahren. Vielleicht ein erster Schritt, um das festgefügte Denkschema zu lockern und Argumente zuzulassen.

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