Ein altes, aber nicht minder wichtiges Buch

Bereits seit Jahren war Armin Geus auf der Suche nach einem Exemplar jener deutschen Übersetzung des "Testaments des Abbe Meslier" (1664-1729), die 1878 von Anne Knoop in ihrem New Yorker Verlag erschien und gratis unters Volk gebracht wurde. Durch einen Hinweis erlangte Geus Kenntnis eines solchen Werkes im Buchhandel.

Diesem Werk war eine Rezension beigefügt, welche aus der Feder von Ludwig Büchner (1824-1899) stammt, dem jüngeren Bruder des bekannten Sozialdramatikers Georg Büchner (1813-1837). Dieser war Anhänger des Materialismus und hatte mit "Kraft und Stoff" ein grundlegendes Werk geschaffen, welches 1855 zu dem Verlust seiner Universitätsanstellung in Tübingen führte. Die betreffende Edition ist das Ergebnis einer Vortragsreise Büchners in die USA im Herbst 1872.

Cover

Im zweiten Kapitel findet sich die erwähnte Besprechung des Testaments, welcher der Priester Meslier, aus nachvollziehbaren Gründen, nicht zu Lebzeiten publizieren wollte. Nach einer Einführung in Leben und Denken des Abbé Meslier, der mit seinen Werk, in welchem er dezidiert und unverblümt die Religion als Luftschloss und die Theologie als ein Gewebe von Hirngespinsten bezeichnete, einen Meilenstein in der abendländischen Religionskritik geschaffen hat und dort. Die erwähnte New Yorker Edition fügte dem Werk Mesliers auch noch einen diesbezüglichen Auszug Voltaires hinzu, der sich allerdings (basierend auf dessen deistischen Überzeugung), wie Büchner kritisch anmerkt, fast ausschließlich mit den antikirchlichen und antitheologischen Ausführungen des Priesters auseinandersetzt und das sozialrevolutionäre Potential des priesterlichen Werkes geflissentlich ignoriert.

Das dritte Kapitel widmet sich dem vergessenen Erbe des Jean Meslier. Geus bietet hier eine kurze Textgeschichte des Testaments sowie einen Einblick in die literarische Basis Büchners. Dieser stütze sich bei seiner Auseinandersetzung zum erheblichen Teil auf eine Besprechung von David Friedrich Strauß (1808-1874), ohne dass dieser allerdings von Büchner korrekt zitiert wird.

Im letzten Kapitel wird die erwähnte Vortragsreise in die USA thematisiert. Deren Ursprung war der Import von Büchners Werken nach Übersee sowie die durchaus fürstliche Finanzierung und das gezielte Marketing des Importeurs Ernst Steiger. Dies bildete für Büchner, der bereits 1855 seine Lehrbefugnis verloren hatte, eine essentielle Einnahmequelle. Nach seinem Ausscheiden aus dem Universitätsdienst war Büchner als Arzt tätig und engagierte sich in leitender Funktion in der Turnerbewegung, wo er auch Übungen mit Schusswaffen einführte. Bedingt durch den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71, organisierte er ein Sanitätscorps und funktionierte die Turnhalle in Lazarett um. Er selbst kümmerte sich persönlich um die ärztliche Versorgung der Verwundeten. Büchners Kontakte zu den amerikanischen Turnvereinen und Hilfsausschüssen ermöglichten die Organisation der erforderlichen Geldmittel. Büchners diesbezügliches Engagement führte zu jener Einladung in die USA, welche auch in den amerikanischen Medien mit Aufmerksamkeit verfolgt wurde. In seiner Darstellung der Leistungen Büchners bleibt der Verfasser aber sachlich und verschweigt auch dessen durchaus problematisches Frauenbild in keiner Weise.

Armin Geus, Ludwig Büchners Religionskritik: Ein unbekanntes Dokument, Basilisken-Presse im Verlag Natur & Text, Marburg 2019 (Nebensachen und Seitenblicke Heft 21)), ISBN: 3941365738, 72 Seiten

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