Rezension

Die Linke und die Religion

Der von Cornelia Hildebrandt und anderen herausgegebene Sammelband "Die Linke und die Religion. Geschichte, Konflikte und Konturen" enthält über 20 Beiträge zu unterschiedlichen Fragen des Themas. Wie dies bei solchen Projekten so ist, unterscheiden sich die Texte nicht nur inhaltlich, sondern auch qualitativ, liefern auch nur eine Facette, weniger eine Gesamtschau.

"Wie hältst Du es mit der Religion?" Die berühmte "Gretchen-Frage" kann auch an die politische Linke gerichtet werden. Gemeint ist damit das ganze politische Lager wie die sich so nennende Partei. Informative Beiträge dazu findet man in dem Sammelband "Die Linke und die Religion. Geschichte, Konflikte und Konturen", der von Cornelia Hildebrandt, Jürgen Klug, Helge Meves und Franz Segbers herausgegeben wurde. Deren Hintergrund hat etwas mit der Partei zu tun. Das erklärt dann auch, warum auf keine anderen Akteure der politischen Linken eingegangen wurde, allenfalls ist das der Fall bei historischen Themen. Diese Einschränkung im formalen erklärt dann auch Einschränkungen im inhaltlichen Sinne. Folgt man den Ausführungen in Einleitung und Vorwort, so sollen hier Fragen erörtert werden, welche sich auf Debatten und Geschichte der Linken gegenüber der Religion beziehen. Dabei geht es in einigen Beiträgen tatsächlich auch um Grundsatzfragen, andere sprechen die gegenwärtige deutsche Situation an. Dies alles geschieht in drei Teilen:

Beispielbild
"Die Linke und die Religion" (VSA Verlag 2019).

Zunächst finden sich Beiträge zu "Linke Religionskritiken von der Aufklärung über Marx bis zur SED und PDS", worin etwa Wolfang Fritz Haug auf Marx und Frieder Otto Wolf auf den schiefen Religionsbegriff eingehen. Etwas erstaunlich ist, dass Karl-Helmut Lechner in seinem "Religion ist nicht nur Privatsache" auch anerkennend auf Lenin verweist, scheint die Berufung auf diesen doch hier noch nicht überwunden zu sein. Ansonsten wird noch die Religionspolitik der SED thematisiert, wogegen die PDS eine andere Position bezogen habe. Im nächsten Kapitel stehen "Der Staat, die Linken und die Religionen" im Zentrum. Hans Markus Heimann macht dort auf "das Verhältnis von Staat und Religion unter dem Grundgesetz" aufmerksam, wobei auch auf den eigentlich mehr kritikwürdigen Kontext von Religionsfreiheit und "staatskirchenrechtlichen Traditionsbeständen" verwiesen wird. Bezogen auf das Judentum gibt es nur einen Text über das "Feindbild des religiösen Juden", hinsichtlich des Islam hier nur einen affirmativen Kommentar zu seinem "Pluralismus".

"Konfliktfelder einer linken Religionskritik" sollen dann im dritten Teil behandelt werden. Hermann Josef Große-Kracht macht darin berechtigt darauf aufmerksam, dass man es mit einer "säkularen Republik" zu tun hat. Er will eine "strikte staatliche Religionsfreiheit" mit einer "klaren zivilgesellschaftlichen Religionsoffenheit" verbinden. Damit wendet der Autor sich gegen einen strikten Laizismus als politisches Programm. In einem weiteren Beitrag sehen Andreas Hellgermann und Barbara Imholz im Religionsunterricht einen "Verbündeten im Kampf gegen neoliberale Bildung". "Laizistische Kritik an Religion" gilt hier als "eine zu überwindende bürgerliche Kritik", die "Forderung nach Abschaffung des Religionsunterrichtes" diene "der Zurichtung junger Menschen zu marktförmig gefügigen Subjekten". Einmal abgesehen von der funktionalistischen Denkweise erfolgen hier doch erstaunliche Pauschalisierungen. Und dann geht es auch noch um das Arbeitsrecht in der Kirche, die Debatte über Kopftuchverbote oder konfessionelle Wohlfahrtsverbände.

Man findet bei alldem nicht nur inhaltlich, sondern auch qualitativ ganz unterschiedliche Beiträge, die zwar jeweils für sich interessant sind, aber kein wirklich rundes Bild zum Thema vermitteln. Derartige Einwände kann man aber gegenüber vielen Sammelbänden erheben. Insofern muss diese Kritik eher als Pflichtübung verstanden werden. Bei der inhaltlichen Ausrichtung der Beiträge fallen gegenüber dem Islam indessen inhaltliche Leerstellen auf. Es wird zwar berechtigt auf die Religionsfreiheit für Muslime verwiesen und notwendigerweise die gesellschaftlich kursierende Muslimenfeindlichkeit thematisiert. Doch ignorieren die Autoren weitgehend, dass mit dem praktizierten Islam auch bedenkliche Tendenzen einhergehen. Der Beitrag zur "Finanzierung religiöser und weltanschaulicher Organisationen" thematisiert etwa das Gemeinte anhand der Kirchen, aber nicht anhand der Moscheen. Hier hätte man sich mehr Differenzierungen auch bei anderen Fragen gewünscht. Bilanzierend gilt: Einzelne Beiträge verdienen Interesse, sind aber nur Facetten einer fehlenden Gesamtschau.

Cornelia Hildebrandt/Jürgen Klute/HelgeMeves/Franz Segbers (Hrsg.), Die Linke und die Religion. Geschichte, Konflikte und Konturen, Hamburg 2019 (VSA), 237 S.

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