Interview

Die Kirche ist bislang nicht bereit, über Entschädigung zu sprechen

Matthias Katsch hat vergangene Woche zusammen mit anderen Betroffenen und Betroffenenvertretern des sexuellen Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda kritisch begleitet. Der hpd hat mit ihm über sein Fazit des dort beschlossenen Systems für Anerkennungszahlungen und seinen Austausch mit Bischof Ackermann am "eckigen Tisch" gesprochen.

hpd: Herr Katsch, der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Ackermann, hatte angekündigt, der Beschluss der Bischöfe zur
Entschädigung Betroffener sexuellen Missbrauchs werde für alle Seiten
zufriedenstellend sein. Sie sind nicht zufrieden. Warum?

Matthias Katsch: Aus drei Gründen. Erstens: Statt einer Entschädigung, die die Folgen der Missbrauchsverbrechen im Leben und den Biografien der Opfer versucht auszugleichen, werden wieder nur Leistungen in "Anerkennung des Leids" angeboten, die sich an den Taten orientieren. Der Bezug auf die Schmerzensgeldtabellen der Gerichte führt deshalb in die Irre, denn diese Beträge beziehen sich auf aktuelle Fälle, bei denen der Täter verurteilt und den Opfern im gleichen Zuge ein Schmerzensgeld für die Tat zugesprochen wird. Hier haben wir es aber mit jahrzehntelagen Belastungen und Beeinträchtigungen zu tun, für die die Kirche die Verantwortung übernehmen muss.

Schließlich haben wir für die Missbrauchsverbrechen, für die die katholischen Ordensgemeinschaften verantwortlich sind, nur die Ankündigung gehört, dass man in Gesprächen sei. Eine verbindliche Zusage, dass diese Institutionen mitziehen, die für immerhin mindestens 1.400 der rund 5.000 dokumentierten Fälle verantwortlich sind, die fehlt.

Matthias Katsch ist Sprecher der Betroffneninitiative Eckiger Tisch und Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Er erlitt selbst sexuelle Gewalt am Berliner Canisius-Kolleg. Als er 2010 zusammen mit anderen Betroffenen sein Schweigen brach, lösten sie den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche aus.

Vergangene Woche Donnerstag kam es auf der kleinen grünen "Bank der Hoffnung", die Teil der Kunstinstallation "Die Lange Bank des Missbrauchsskandals" ist, zu einem Gespräch zwischen Ihnen und Stefan Ackermann, das laut Ihrer Aussage so noch nicht stattgefunden hat. Wie fanden Sie dieses Gespräch und über was haben Sie geredet?

Ich habe die Kritikpunkte, die ich hier gerade genannt habe, erläutert. Es gab zwar immer mal wieder sporadisch Kontakt, aber die Kirche ist bislang nicht bereit, mit den Betroffenengruppen über die Frage von Entschädigung aber auch verbesserten Hilfen direkt zu sprechen. Da brauchen wir ein Format, um die Dinge endlich an einem solchen eckigen – oder von mir aus auch runden – Tisch zu besprechen. Die Politik sollte das moderieren, um das Machtgefälle zwischen der Institution und ihren Opfern auszugleichen.

Wie wird es jetzt weitergehen? Was werden Sie und die anderen
Betroffenen(-organisationen) als Nächstes unternehmen?

Wir haben hier in Fulda beschlossen, uns an den Deutschen Bundestag zu wenden und eine Petition eingereicht, die jetzt geprüft wird. Außerdem überlegen wir, welche anderen Möglichkeiten uns bleiben, auch rechtliche. Wir wollen uns noch besser vernetzen.

Sobald die Petition auf der Webseite des Bundestages veröffentlicht wird, haben wir vier Wochen Zeit, um 50.000 Unterschriften zu sammeln, damit unser Anliegen dort in öffentlicher Sitzung behandelt wird. Wir wollen erreichen, dass die Politik ihre abwartende Position an der Seitenlinie aufgibt und sich in die Partie zwischen Kirche und ihren Opfern einmischt.

Wir brauchen sowohl bei der Aufarbeitung als auch bei Hilfen und für eine echte Entschädigung Unterstützung, um zu Fortschritten zu kommen. Das können wir nicht allein erreichen, wir haben es jetzt zehn Jahre versucht. Die Reaktionen aus der Bevölkerung machen uns optimistisch, dass sich da in den letzten Jahren etwas verändert hat. Wir haben in Fulda sehr viel spontane Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern erfahren.

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