"Biografie eines Weltwunders" lautet der Untertitel und "Eine (fast) unmögliche Erfolgsgeschichte" steht auf dem Deckblatt eines Buches, das die universelle Bedeutung der größten Wissenssammlung der Menschheitsgeschichte anhand ihrer Organisation, Prinzipien und Regularien beschreibt. Pavel Richter, Wikipedianer der ersten Stunde und fünf Jahre CEO von Wikimedia Deutschland, beleuchtet – spannend und tiefgründig – ein einmaliges Experiment: Das gesamte Wissen der Menschheit sammeln und allen Menschen frei zur Verfügung stellen.
Als am 15. Januar 2001 der US-amerikanische Internet-Unternehmer Jimmy Wales mit "hello, world" die ersten Worte in die Webseite "wikipedia.com" tippte, konnten weder er noch sonst jemand sich vorstellen, was daraus in kurzer Zeit entstehen würde. Aktuell rangiert Wikipedia unter den Top 10 aller Webseiten weltweit; in 309 Sprachversionen wurden (Stand Mai 2020) 55,5 Millionen Artikel publiziert, wobei zum Beispiel die 2,5 Millionen deutschsprachige Artikel 37 Millionen und die 6,6 Millionen englischsprachige Artikel 333 Millionen Seitenaufrufe pro Tag verzeichnen.
Wikipedia kann als Enzyklopädie in der Tradition von Denis Diderot verbunden mit der Technik des 21. Jahrhunderts beschrieben werden, wobei als Grundprinzipien eine rein sachliche Darstellung des Weltwissens ohne Wertung sowie eine wissenschaftlich gesicherte Relevanz mit ausreichender Belegbarkeit durch reputable Quellen festgelegt wurden. Jede einschlägig kompetente Person – Expertentum ist keine Voraussetzung – kann in einer Produktionsgemeinschaft von Nutzerinnen und Nutzern Artikel hinzufügen, bearbeiten, verbessern. Für die Mitarbeit darf es keine zu hohen Schranken geben, die publizierten Inhalte müssen ohne zusätzliche Erläuterungen verständlich sein.
2003 endete die Startphase von Wikipedia mit der Festlegung, dass sie eine von Ehrenamtlichen getragene Enzyklopädie ohne Werbung oder sonstige Kommerzialisierung bleiben soll. In ihrer deutschen Version entstehen pro Tag circa 600 Artikel. Mit einem ausgeklügelten System von Kontrollen und Qualitätsverbesserungsmaßnahmen wird auf mehreren Ebenen durch erfahrene Autoren und Autorinnen, die als Sichter, Administratoren und Schlichter tätig sind, an der Verbesserung der Inhalte gearbeitet. Auf einer Diskussionsseite jedes Artikels werden dazu Debatten geführt, die gelegentlich mehrere Hundert Seiten umfassen. Dem Korrigieren von Fehlern und der Abwehr von oftmals unterschwelligen Manipulationsversuchen und Vandalismus durch gezielt platzierte Falschinhalte ist ein guter Teil der Bearbeitungen gewidmet; in gemeinsamer Abstimmung aller Beteiligten werden dabei auch Artikel gelöscht. Die mit der Qualitätssicherung verbundenen, sehr zahlreichen Regularien machen es Neulingen nicht leicht, an Wikipedia mitzuarbeiten; der Autor beklagt dies als Manko und bedauert dazu auch, dass der Frauenanteil unter den Wikipedia-Autoren nur 10 Prozent beträgt.
Wikipedia dient nicht der Theoriefindung, sondern der Theoriedarstellung. Es wird Wissen vermittelt, das aktuell – als Zusammenfassung des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konsenses – als gesichert gilt. Strittige Themen wie zum Beispiel Homöopathie, Astrologie oder Esoteriken werden ebenfalls behandelt, wobei Wikipedia den dazu jeweils vorhandenen Kenntnisstand und wissenschaftlichen Konsens – oder Nichtkonsens – beleuchtet. Verschwörungstheorien wie auch andere Themen, für die es kein gesichertes Wissen beziehungsweise keinen Konsens gibt, werden mit dem aktuellen Stand der Debatten sachlich neutral dargestellt. Wikipedia will kein Sammelsurium sein, sondern eine Auswahl dessen, was wirklich wichtig ist, bieten; zu dieser Frage gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten, die mit "Relevanzkriterien" gelöst werden sollen, wobei die Frage "Ist das relevant für eine Enzyklopädie?" meist hinter "Gibt es gute Quellen und Belege?" zurücktritt.
In den Kapiteln Organisation und Finanzen beschreibt der Autor die Rahmenbedingungen der Wikimedia-Bewegung. Neben der Wikimedia Foundation in San Francisco gibt es mittlerweile 39 Wikimedia-Tochtergesellschaften (Chapter) auf allen fünf Kontinenten, die den Grundanliegen "Freiwillige fördern, Rahmenbedingungen verbessern, Teilnahme an Wikimedia-Projekten ermöglichen" folgen. Neben der Enzyklopädie Wikipedia existieren derzeit auch noch 15 größere und zahlreiche kleinere Schwesterprojekte, von denen "Regiowiki", "Wiktionary", "Wikisource", "Wikiquote", "Wikiversity", "Wikibooks", "Wikinews" und vor allem auch "Wikimedia Commons" mit über 60 Millionen freien Mediendateien große Bedeutung besitzen. Ein besonders expansives Projekt bildet das von Wikimedia Deutschland entwickelte "Wikidata"; es stellt maschinenlesbare Kontexte zwischen Informationen her und bildet komplexe Abhängigkeiten ab. Derzeit umfasst es über 90 Millionen Datenbank-Einträge. Die darin strukturierten Daten bilden das Rückgrat einer Technologie-Revolution durch künstliche Intelligenz.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es im Netz zahlreiche "Wikis" (z. B. "WikiLeaks") gibt, die mit der Wikimedia-Stiftung in keinerlei Verbindung stehen. Das hawaiianische Wort "wiki" bedeutet "schnell"; es kann von jedermann verwendet werden. Echte Wikimedia-Projekte erkennt man an ihren Logos, bei Wikipedia ist es der unvollendete Globus aus Puzzleteilen.
Die Finanzierung der Wikimedia Foundation mit all ihren technischen Einrichtungen und über 500 hauptamtlichen Mitarbeitern – 200 davon sind Programmierer – erfolgt zum größten Teil über Spenden und in kleinem Ausmaß über Mitgliedsbeiträge; im Finanzjahr 2018/2019 wurden 112 Millionen Dollar eingenommen. Online-Fundraising ist angesichts der weltweit 13 Milliarden Seitenaufrufe pro Monat nicht schwierig, im Schnitt werden pro Jahr 23 Dollar von Einzelpersonen gespendet.
"Stell dir eine Welt vor, in der jeder Mensch frei und kostenlos an der Summe allen Wissens teilhaben kann" lautet die Mission der Wikimedia Foundation. Die Fähigkeit, Menschen für diese Idee zu begeistern und zu ehrenamtlicher Mitarbeit zu motivieren, stellt das Erfolgsgeheimnis von Wikipedia dar. Ihre prinzipielle Offenheit für alle Menschen als Autoren – allein in Deutschland gibt es circa 900.000 Bearbeitungen pro Monat – bildet ein Bollwerk gegen Bestrebungen, Inhalte zu kontrollieren und/oder unter kommerziellen Gesichtspunkten zu manipulieren. In der digitalen Transformation als grundlegendem Wandel aller Bereiche unseres Lebens beziehungsweise unserer Gesellschaften wird die Macht zentralistischer Internetgiganten wie Google, Facebook, Amazon, Alibaba etc. immer größer, die ohne kommerzielle Interessen agierende Wikipedia bildet dazu einen wichtigen Gegenpol.
Im Kapitel "Blick hinter die Kulissen" beschreibt Pavel Richter die komplizierten Abläufe der Organisation und Qualitätssicherung, aber auch der Machtfragen im Hintergrund des Geschehens. Zusammenarbeit und Beratungen sind das zentrale Organisationsmodell von Wikipedia; Entscheidungen werden stets im Konsens getroffen, was manchmal lange dauert und deshalb Autoren, die über viel freie Zeit verfügen, auch Macht verleiht. Weitere indirekte Machtfaktoren bilden ein hoher Bildungsgrad, gute schriftliche Ausdrucksfähigkeit und hohes Engagement. Fachwissen ist nur bedingt ein Machtfaktor, da als zentrales Erfolgsprinzip gilt, dass jede dazu fähige Person gleichberechtigt an Wikipedia mitarbeiten kann.
Dass ein so bedeutendes, weltumspannendes Projekt wie Wikipedia auch vielen Manipulationsversuchen ausgesetzt ist, versteht sich fast von selbst. Ein eigenes Kapitel ("Stalins Badezimmer: Fehler, Fakes und Fantasien") ist diesem Thema gewidmet. Der Autor berichtet humorig von versuchten, aber auch gelungenen Tricksereien und Manipulationen, denen Wikipedia manchmal erst mit großer Verzögerung auf die Schliche gekommen ist. Da für Wikipedia ein hoher "Kompetenzvermutungseffekt" gilt und manche Artikel über Firmen, Politiker und sonstige Personen des öffentlichen Lebens unzählige Male aufgerufen werden, besteht für diese oftmals der Wunsch, besonders günstig dargestellt zu werden. Wikipedia ist sehr bemüht, dies zu verhindern; das Prinzip "Falsifikation" gilt für alle Artikel. Sie stehen stets in Kritik, sind nie ganz abgeschlossen, werden laufend überwacht.
Die Wirkmächtigkeit von Wikipedia ist unbestritten und wird von vielen Bildungseinrichtungen, Kultur- und sonstigen Instituten sowie auch von Medien immer wieder bestätigt, zum Teil auch kritisiert. Das Zitieren von Wikipedia-Artikeln in wissenschaftlichen Arbeiten war in der Vergangenheit meist verpönt, wird aber neuerdings von immer mehr Universitäten und wissenschaftlichen Instituten in Verbindung mit bestimmten Regeln (beispielsweise mit dem jeweiligen Abrufdatum versehen) zugelassen. Dass Wikipedia-Artikel auch in Gerichtsurteile Eingang finden (in Deutschland und Österreich zum Beispiel bereits über 600 Mal), liegt ebenfalls an ihrer Vertrauenswürdigkeit, die der Schwarmintelligenz der Autoren zuzuschreiben ist.
Wikipedia ist, wie der Rezensent als passionierter Nutzer, aber auch als Wikipedia-Autor aus eigener Erfahrung weiß, aus dem Alltag sehr vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Das vorliegende Buch gibt einen guten Überblick zur Idee, Organisation und Gestaltung des Projektes – wie es funktioniert, was es leistet, was es aber auch nicht leisten kann. Es lässt die komplexen Abläufe und Regelungen hinter den Kulissen verstehen und nennt damit verbundene weitere Projekte, die teilweise bereits jetzt große Bedeutung besitzen und in Zukunft voraussichtlich noch viel bedeutender sein werden. Pavel Richter versteht es sehr gut, das Thema in all seinen Facetten dazustellen; dem Buch ist weite Verbreitung zu wünschen, Schülern, Studenten sowie allen an Wissen und Wissensvermittlung interessierten Personen sollte es besonders ans Herz gelegt werden – nicht zuletzt mit der Absicht, sie zu aktiver Mitarbeit am weltumspannenden Projekt Wikipedia/Wikimedia zu motivieren.
Pavel Richter: Die Wikipedia Story, © Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2020, ISBN 978-3-593-51406-2, 231 Seiten, 22,95 Euro
25 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Das Zitieren von Wikipedia-Artikeln in wissenschaftlichen Arbeiten war in der Vergangenheit meist verpönt, wird aber neuerdings von immer mehr Universitäten und wissenschaftlichen Instituten ...
Herbert Huber am Permanenter Link
Das mag der Anspruch sein, der aber an der Wirklichkeit scheitert. Mir gelang es bislang nicht Fehler zu korrigieren, ja ich finde nirgends einen Zugang zu irgendeinen Verantwortliche, Adminstrator usw.
Ich verstärke daher Aussage, dass es Neulingen nicht leicht gemacht wird, an Wikipedia mitzuarbeiten, zu: es wird unmöglich gemacht in den Zirkel der Eingeweihten vorzudringen.
Deshalb versuche ich es nicht mehr, Fehler zu melden.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
"Deshalb versuche ich es nicht mehr, Fehler zu melden."
Das wäre sehr schade! Wo liegt das Problem?
Tipp: Jeder Wikipedia-Artikel hat eine Diskussionsseite und dort können/sollen Sie Ihre Änderungswünsche kundtun. Ich bin sicher, Sie erhalten dazu Antworten.
Herbert Huber am Permanenter Link
@Gerfried Pongratz
„Das wäre sehr schade! Wo liegt das Problem?”
Ich dachte, das habe ich genannt:
„ich finde nirgends einen Zugang zu irgendeinen Verantwortliche, Adminstrator usw.”
Michael Ganß am Permanenter Link
Einfach auf dem Wikpedia-Artikel, den du ändern willst, oben rechts auf "Bearbeiten" klicken, Änderung machen und fertig.
Herbert Huber am Permanenter Link
@Michael Ganß
Ich will nicht was ändern und mich dann in endlose Diskussionen oder Gegen-Änderungen begeben. Ich will Änderungen begründen und vorschlagen.
awmrkl am Permanenter Link
Der Weg zu Änderungen läuft aber grundsätzlich so wie von @Michael Ganß beschrieben - egal, was Sie ändern wollen.
Es gibt dort auch ganze Kategorien, die reihum den Einstieg für wiki-Anfänger beschreiben, und was sinnvollerweise zu beachten ist.
Herbert Huber am Permanenter Link
Danke awmrkl.
„Es gibt dort auch ganze Kategorien, die reihum den Einstieg für wiki-Anfänger beschreiben”
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
"Ich will Änderungen begründen und vorschlagen"
Unechter Pole am Permanenter Link
Es ist schon mal ein grundsätzlicher Fehler, Wikipedia per E-Mail anzuschreiben, anstatt bei [[Wikipedia:Village Pump]].
Herbert Huber am Permanenter Link
@Unechter Pole
[[Wikipedia:Village Pump]] sagt mir nix.
Markus Schiele am Permanenter Link
Ich finde die Idee, welche der Wikipedia zugrunde liegt, hervorragend. Auch möchte nicht in Abrede stellen, dass ein Großteil der Wikpedia-Autoren nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten.
Wie Markus Fiedler in zwei Dokumentarfilmen und zusammen mit Dirk Pohlmann in über fünfzig Beiträgen der Reihe "Neues aus Wikihausen" fundiert dargelegt hat, wird die Wikipedia ihrem Anspruch nicht gerecht. Vor allem in den Bereichen Geopolitk, Zeitgeschichte oder wo finanzielle Interessen im Spiel sind, ist die Wikipedia zu einem Propagandainstrument verkommen, das zudem Personen mit abweichenden Meinungen diskreditiert. Dies trifft im Übrigen nicht nur auf die deutschsprachige Wikipedia zu, sondern wurde z.B. für die englischsprachige Wikipedia von Helen Buyniski nachgewiesen.
All jenen, denen diese Einschätzung nicht gefällt, bitte ich, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Ob Herr Pohlmann sonderlich vertrauenswürdig ist ? https://de.wikipedia.org/wiki/Dirk_Pohlmann
Wikipedia stellt sich zumindest den Kritikpunkten und es muss jeder/jede selbst für sich bewerten, wie vertrauenswürdig er diese Darstellungen findet: https://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_an_Wikipedia
Markus Schiele am Permanenter Link
Vielen Dank für den Link zur Selbstkritik der Wikipedia; ich werde mich damit auseinandersetzen.
Dass Sie mit Ihrer Frage insinuieren, Dirk Pohlmann sei nicht vertrauenswürdig und dies dann mit einem Link zu Wikipedia illustrieren wollen, hat angesichts seiner Kritik an Wikipedia schon etwas von einem Zirkelschluss an sich. In Herrn Pohlmanns Wikipedia-Eintrag werden ihm an keiner Stelle falsche Aussagen nachgewiesen. Vielmehr wird unterschwellig ein Kontaktschuldvorwurf aufgebaut ("Er veröffentlicht regelmäßig eigene Beiträge bei KenFM", "Er gab Kanälen wie den russischen Staatssendern RT Deutsch und Sputnik News wiederholt Interviews."). Auch dass das Wort "Alternativmedien" in Anführungszeichen steht, soll wohl andeuten, dass es sich dabei eben nicht um echte Alternativen zu den Leitmedien handelt. Dass Herr Pohlmann darüber hinaus Geschäftsführer einer Firma war, die Insolvenz anmeldete, passt natürlich auch sehr schön ins insinuierte Gesamtbild, tut aber nichts zur Sache.
Der Abschnitt "Rezeption" schießt aber den Vogel ab, hier in voller Länge zitiert: "Anlässlich eines Vortrags beschrieb ihn Rudolf Peter in einer ZDFinfo-Reportage als einen „Aktivist[en], der die USA für Kriegstreiber hält“. Pohlmann glaube, „die westlichen Medien seien nicht neutral, sondern Propagandainstrumente der NATO“. Pohlman[n] wurde mit folgenden Worten eingespielt: „Die militärische Option ist die Denkweise der Amerikaner, das heißt aus amerikanischer Sicht ist Krieg ein sehr lohnendes Geschäft."
Ist das alles, was die Wikipedia aufzubieten hat? Die Zitierweise insinuiert (ja, ich muss diese Wort schon wieder verwenden), dass Dirk Pohlmann hier absurden Vorstellungen anhängt. Ironischerweise lässt sich aber jeder einzelne genannte Punkt vielfach faktisch nachweisen. Lediglich ließe sich ankreiden, dass er "Amerikaner" hier zu pauschal verwendet.
Alles in allem ist der Eintrag zu Dirk Pohlmann geradezu ein Zeugnis für die stellenweise mangelhafte Qualität der Wikipedia.
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was Sie an Pohlmanns Wikipedia-Eintrag auszusetzen haben.
Der ist ja völlig harmlos. Es reicht jedenfalls, dass ich mir spontan ein erstes Bild machen und den Mann einordnen kann.
Ein wenig deutlicher wird das Bild natürlich durch seinen Psiram-Eintrag: https://www.psiram.com/de/index.php/Dirk_Pohlmann
Der Eintrag gefällt Ihnen aber vermutlich noch viel weniger, obwohl nichts falsches drinstehen dürfte. Aber das ist ja schon wieder "Propaganda" und "Diskreditierung".
An fundierter Wikipedia-Kritik wäre ich ja durchaus interessiert, aber Markus Fiedler scheint gar nicht die nötige Kompetenz zu besitzen, jedenfalls hat er laut seinem Psiram-Eintrag offenbar falsche Behauptungen zu Sichterrechten und Administratoren aufgestellt. Er scheint also kein Insider zu sein.
Wenn er fordert, Evolutionstheorie und Kreationismus müssten gleichwertig dargestellt werden - ja gut, das kann man natürlich vertreten, aber dann brauche ich überhaupt kein Nachschlagewerk mehr.
Bei Ihnen haben wir vermutlich dasselbe in Grün nur "in den Bereichen Geopolitk, Zeitgeschichte oder wo finanzielle Interessen im Spiel sind" - Themen, die an Komplexität nur schwer zu durchdringen sind.
Weil die Darstellung in der Wikipedia nicht Ihrem Geschmack entspricht, ist sie gleich ein Propagandainstrument!?
Und wenn ein Daniele Ganser als jemand bezeichnet wird, der Verschwörungstheorien verbreitet, dann ist das bei Ihnen pure Diskreditierung, stimmt's?
Allen wird man es nie recht machen können.
Vielleicht ist es ja auch so, dass Sie Ihre Fähigkeiten hinsichtlich der Beurteilung zeitgeschichtlicher Ereignisse einfach nur ein wenig überschätzen.
Markus Schiele am Permanenter Link
Mein "Geschmack" tut nichts zur Sache; mir kommt es auf Fakten und Argumente an. Und die liefert Psiram noch viel weniger als die Wikipedia.
Das Kompliment aus der letzten Zeile Ihres Kommentars gebe ich gerne zurück. Sie kennen weder meinen beruflichen Hintergrund, noch wissen Sie, wie lange und intensiv ich mich schon mit gewissen Themen auseinandersetzen. Tatsächlich bin ich ständig darum bemüht, meine eigenen blinden Flecke zu erkennen und kritisch-rational zu bearbeiten. Letztlich läuft wohl alles darauf hinaus, welche Quellen man als vertrauenswürdig einstuft. Und da, muss ich leider sagen, ist es nicht damit getan, den Leitmedien blind zu vertrauen. Um arbeitsintensive Quellenarbeit kommt man nicht herum. Und auch dann sollte man nicht meinen, zu letztgültigen Schlüssen kommen zu können. Ergebnisse sind in der Regel vorläufig, aber mit mehr oder weniger starken Wahrscheinlichkeiten lässt sich sehr wohl arbeiten.
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich würde sagen, Psiram liefert genau wie Wikipedia jede Menge Fakten, aber a priori keine Argumente.
Das sind ja nur Nachschlagewerke. Wie Sie diese Informationen argumentativ in Ihr Weltbild einordnen, bleibt Ihre Sache. Ob man es z.B. als Qualitätsmerkmal ansieht oder als Makel, wenn jemand Gast bei Ken Jebsen ist, muss jeder selbst entscheiden.
Aber wenn ich gar nicht weiß, wer Ken Jebsen ist, dann schaue ich in Wikipedia oder Psiram nach, und danach weiß ich, was der macht und was der so von sich gibt.
So what?
Ich bin genau wie Sie ein Fan von Fakten, aber dann lassen Sie doch Begriffe einfach stehen, wenn sie gang und gäbe sind.
Experten wie Michael Butter und Bernd Harder finden z.B., dass "Verschwörungstheorie" genau der richtige Begriff für dieses Phänomen ist, und auch der Wissenschaftsphilosph Martin Mahner teilt diese Ansicht.
"Um arbeitsintensive Quellenarbeit kommt man nicht herum. Und auch dann sollte man nicht meinen, zu letztgültigen Schlüssen kommen zu können. Ergebnisse sind in der Regel vorläufig, aber mit mehr oder weniger starken Wahrscheinlichkeiten lässt sich sehr wohl arbeiten."
Da bin ich ganz bei Ihnen. Das ist aber praktisch kaum zu leisten. Außerdem spuckt einem auch noch der Confirmation Bias kräftig in die Suppe.
Markus Schiele am Permanenter Link
Nachtrag zu „die westlichen Medien seien nicht neutral, sondern Propagandainstrumente der NATO“: Gerade erst der der Investigativjournalist Max Blumenthal von "The Grayzone" über einen neuen Fall berichtet,
Reuters, BBC, and Bellingcat participated in covert UK Foreign Office-funded programs to “weaken Russia,” leaked docs reveal
Michael Fischer am Permanenter Link
"Der Investigativjournalist Max Blumenthal von "The Grayzone"" - das kann man auch anders formulieren, z.B. so:
Der feste Mitarbeiter von Sputnik und Russia Today, Max Blumenthal, der im Jahr 2015 den pro-russischen Propagandakanal "The Grayzone" gründete...
Markus Schiele am Permanenter Link
So funktioniert's: Kontaktschuldvorwurf und Zuschreibungen anstatt sich mit den Fakten auseinanderzusetzen.
Quod erat demonstrandum!
Zutreffend wäre übrigens, den russischen Staatssendern RT und Sputnik (nicht jedoch "The Grayzone") pro-russische PR (ja, früher hieß das mal Propaganda) vorzuwerfen, genauso wie - respektive für die entsprechenden Ländern - der Deutschen Welle, BBC, etc. Die qualitativ auf den Hund gekommenen westlichen "Qualitätsmedien" machen es den genannten russischen Formaten in den letzten Jahren aber zunehmend einfach: diese brauchen die Wahrheit vielfach nicht einmal zu verdrehen, sondern einfach zu berichten, was hierzulande ausgeblendet wird. Wozu man sich gerne auch Interviewpartner einlädt, die im Mainstream nicht zu Wort kommen, weil ihre Sicht der Dinge nicht ins Narrativ passt. Woraus denen dann wieder ein Strick gedreht wird. Toll!
Michael Fischer am Permanenter Link
Finden Sie es nicht etwas seltsam für dieses Investigativmagazin, dass es so völlig konform mit der Berichterstattung von Russia Today geht?
Dass die Berichterstattung praktisch ausschließlich auf die Rechtfertigung der russischen Politik und ihrer Sympathieträger hinausläuft ?
"China detaining millions of Uyghurs? Serious problems with claims by US-backed NGO..." - ja natürlich. Auch der Umgang Chinas mit den Uiguren wird im Westen völlig übertrieben dargestellt.
Unter "investigativ" habe ich mir eigentlich immer etwas anderes vorgestellt als diesen völlig einseitig ausgerichteten Einheitsbrei.
Manfred H. am Permanenter Link
Markus Fiedler, der sich gerne mit Ken Jebsen ein Stelldichein gibt?
In einem an Langatmigkeit kaum auszuhaltenden Interview auf KenFM krönte Fiedler seine Forderung, Wikipedia müsse alle unterschiedlichen Meinungen gleich behandeln, mit dem Beispiel des Kreationismus! Ein Artikel über Evolution müsse auch die Schöpfungsgeschichte beinhalten!
Begründung: Die Wissenschaft über vergangene Erdepochen sei ja so im Labor nicht überprüfbar und daher letztlich auch nicht mehr als eine Glaubenssache!
Der nächste Schritt wäre konsequenterweise, den Kreationismus auch im Biologieunterricht an der Schule zu verankern. Religionsunterricht wäre natürlich erst recht legitimiert. Überhaupt kann man sich dann als Humanist in Zukunft eigentlich jegliche Religionskritik schenken.
Mein Fazit: Fiedler spart zwar nicht mit Kritik und Polemik, aber ich kann wenig konstruktives entdecken. Vor allem für einen Menschen mit humanistischer Gesinnung ist der von ihm propagierte unkritische Relativismus m.E. völlig inakzeptabel.
P.S.: Steven Pinker erwähnt in seinem Buch "Aufklärung Jetzt" eine Studie aus dem Jahr 2014, wonach die englischsprachige Wikipedia in etwa genauso zuverlässig ist wie die Enzyclopaedia Britannica.
Markus Schiele am Permanenter Link
In der Tat gibt es viele Punkte, in denen ich Markus Fiedler nicht zustimmen würde. Davon unbenommen bleibt seine kritische und evidenzbasierte Auseinandersetzung mit der Wikipedia.
Der bei Pinker zitierten Studie von 2014 möchte ich jene der Purdue University von 2017 entgegenhalten: Die Eingabe "Results of Wikipedia study may surprise" in der Suchmaschine, zusammen mit dem Namen der Universtiät sollte zu einem Link zur Studie führen.
Ihren Kontaktschuldvorwurf aus der ersten Zeile möchte ich hier nicht weiter kommentieren. Fakten und Argumente sollten für sich sprechen und nicht durch Diskreditierungsversuche flankiert werden.
Manfred H. am Permanenter Link
Danke für den Hinweis, ich habe es gegoogelt, aber diese Meldung kannte ich bereits.
Ich verstehe nicht recht, worauf Sie hinauswollen. Diese Studie widerspricht ja nicht der von Pinker zitierten.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Nicht alle scheinen Wiki zu kennen. So hat die Schulministerin Yvonne Gebauer 2,6 Mio für eine Brockhaus Lizenz rausgeschmissen.