"Modest Fashion" ist ein Trend, der das muslimische Kopftuch als Modeaccessoire normalisieren will und meist nur unreflektiert beleuchtet wird. Kritische Kommentare sind unerwünscht, musste die Autorin feststellen.
Mithilfe von Medien, Modeindustrie und mancher Islam-Lobbyisten wird versucht, das Kopftuch als gewöhnliches modisches Accessoire zu normalisieren. Auf Social-Media-Kanälen zeigen sich Influencerinnen wie Hanan Osman oder Kishama Meridian stolz mit ihren Kopftüchern und auf den Laufstegen präsentieren Modemarken wie Versace, Dior oder Gucci sogenannte "Modest Fashion", Kleidung, in welcher Frauen wenig Haut und keine Haare zeigen und einen Hijab, das islamische Kopftuch, tragen.
Dieser Trend wird jedoch oft sehr einseitig beleuchtet. Der bei Facebook gepostete Beitrag "Hip mit Hijab" des schweizerischen Fernsehsenders SRF beispielsweise, der Hanan Osman bei der Eröffnung ihres Kleiderladens für Modest Fashion begleitet, ist frei von jeglicher Kritik oder Hinterfragung dieses Kleidungsstils. Es wird suggeriert, dass das Tragen eines Kopftuchs eine Form von Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit darstellt – eine Haltung, die vor allem von Linksliberalen in Deutschland häufig vertreten wird. Kommentare, die das Tragen eines Kopftuchs kritisieren, sind dagegen nicht gern gesehen. Zusätzlich wird auch explizit positive Kritik von Seiten der Nachbarn gezeigt, die auf viel Toleranz und wenig Hinterfragung abzielen.
Die Linksliberalen im Westen wollen mich verschleiert sehen, damit sie um meine Rechte kämpfen können
Eine geflüchtete Frau wie ich ist nicht erwünscht. Eine Frau, die nach der Flucht vor Islamisten in Deutschland Schutz gesucht hat und der es ermöglicht wurde, den Lebensstil zu führen, den sie möchte. Eine Frau, die hier studiert und sich emanzipiert hat und ihre eigene Meinung laut äußert. Eine Flüchtige, die in Teheran aufgewachsen ist und in Kreuzberg gewohnt hat. Eine Frau, die den Prozess der Machtergreifung durch die Islamisten in ihrer Heimat erlebt hat und somit jede Facette ihrer Propaganda kennt, sich jedoch nicht im Kontext einer Identitätspolitik in die Opferrolle begeben möchte.
Die Linksliberalen im Westen wollen mich verschleiert sehen, damit sie um meine Rechte kämpfen können. Ohne Kopftuch bin ich es nicht wert genug, gehört oder in meiner Existenz wahrgenommen zu werden. Auf Veranstaltungen, an denen ich Kritik an den Frauenrechten und Geschlechterrollen im Islam äußere, bin ich nicht erwünscht. Meine Kommentare werden entweder als rechts oder islamophob beschimpft oder gelöscht – so auch mein Kommentar unter dem Beitrag "Ein Hijab kann so hip sein" des SRF, welcher mehrmals gelöscht wurde.
Ähnlich zum folgenden Kommentar habe auch ich in meinem Kommentar die Ignoranz des SRF gegenüber den Frauen, die für ihre Freiheit und gegen das Kopftuchtragen kämpfen und mit sozialer Verachtung wenn nicht sogar dem Tod rechnen müssen, zu Wort kommen lassen. Doch durch das mehrfache Löschen meiner Kritik, jegliche Hinterfragung außer Acht zu lassen, wurde ich mundtot gemacht und meine Meinungsfreiheit wurde stark verletzt. Der Kommentar wurde mit dem Argument, er enthalte "absolute Aussagen", sei "verallgemeinernd" und man sei nicht in der Lage, "den Text als wahr oder unwahr einzuordnen", gelöscht. Obwohl er Tatsachen widerspiegelt, mit denen in den Islam hineingeborene Frauen tagtäglich zu kämpfen haben, die ich selbst erlebt habe und aus den eigenen Reihen als wahre Berichterstattung aufzählen kann.
Freiwilligkeit als antrainierte Haltung
Ich kritisierte diesen Beitrag und den SRF dafür, dass er den Kampf von Frauenrechtlerinnen in islamischen Staaten, die sich gegen den Zwang zu Verschleierung und Verhüllung einsetzen und dafür ihre Freiheit, ihre Unversehrtheit und ihr Leben riskieren, ignoriert. Es wird nicht beachtet, dass jedes Jahr Tausende von Frauen im Iran für den Verstoß gegen die Kleidervorschriften bestraft werden. Dieser Art sich zu kleiden wird dagegen bei Social Media, auf Laufstegen und in zahlreichen Internet-Berichten eine Plattform gegeben. Indem Verhüllung und Schleier prioritär als Mode präsentiert werden, wird deren Ursprung, nämlich die Religion, mithilfe derer die Hälfte der Bevölkerung in islamischen Staaten unterdrückt wird, verharmlost.
Die westlichen Modemacher, und hier beispielsweise der Fernsehsender SRF, verkennen, dass die sogenannte Freiwilligkeit, mit der sich Models oder sogenannte modebewusste muslimische Frauen verhüllen, eine antrainierte Haltung ist. Wir Iranerinnen, Afghaninnen und andere Migrantinnen aus islamischen Ländern wissen aus eigener Erfahrung: Wenn ein Mädchen von klein auf vermittelt bekommt, dass eine unverschleierte Frau "unrein", "nicht sittsam" und "unehrenhaft" ist, und wenn die Familie und das soziale Umfeld keine oder nur Alternativen aufzeigt, die mit Ausgrenzung und Schuld verknüpft sind, dann kann dies nicht als freiwillig bezeichnet werden. Insofern sind auch keine ehrlichen Aussagen zur freiwilligen Verhüllung zu erwarten. Die Kopfbedeckung als Mode könnte bei manchen als "Wahl" angesehen werden oder schlichtweg als Pragmatismus, das Beste aus der Situation zu machen und es als Mode zu vermarkten. In vielen islamischen Ländern haben die Frauen gar keine Wahl und müssen sich verhüllen.
Die Trennlinie verläuft daher nicht zwischen morgen- und abendländischer Mode, sondern zwischen solchen Frauen, denen ihr Umfeld die Wahl ihrer Kleidung überlässt und jenen, deren Umgebung ihnen diese Wahl nicht lässt – zwischen verschleierten und unverschleierten Frauen.
TV-Beiträge, Zeitungsartikel etc., die unkritisch von dieser Art der Bekleidung berichten und teilweise sogar damit werben, ohne auch nur die geringste Form von Kritik zu üben, versuchen die Mode mit der Macht einer Religionsvorschrift zu vereinbaren. Mit der Darstellung verschleierter Frauen wird das rückwärtsgewandte Frauenbild islamischer Staaten und der islamistischen Bewegung übernommen. Darin wird die Frau prioritär als Sexualobjekt begriffen, deren Reize zu verbergen sind. Um sich vor den lüsternen Blicken der Männer zu schützen, wird von den Frauen erwartet, sich zu verschleiern. Ein solches Geschlechterverständnis darf nicht unterstützt werden.
12 Kommentare
Kommentare
David Z am Permanenter Link
Die absurde Umkehrung der Tatsachen von faktisch frauenverachtend zu "selbsbestimmt" ist angesichts der weltweiten Faktenlage in der Tat verstörend.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Kommentar ... mehrmals gelöscht" - f**k SRF. Obwohl, das kommt ja nicht nur beim SRF vor.
A.S. am Permanenter Link
Ein weiteres Beispiel für die religiöse Unterwanderung unserer Medien.
Stefan P. am Permanenter Link
Kann die Autorin nur in ihrer Haltung bestärken!
Auch für den schweizerischen Fernsehsender SRF gilt: Der menschliche Geist ist zu mehr in der Lage als zu ideologischem Denken. Dazu, mit Ehrlichkeit hinzuschauen und zu differenzieren. Sich zu informieren und unvoreingenommen zu entscheiden. Im Sinne der Menschlichkeit.
Damit erspart man sich auch das selbstkreierte Dilemma, in dem ein guter Teil der identitäre Teil der Linken steckt: sich entscheiden zu müssen zwischen kultureller Toleranz und Frauenrechten.
Auch das SRF kann den perfiden PR-Trick hinter der Initiative „Hip mit Hijab“ durchschauen. Dass sie sich in bewährter Werbemanier von schönen, lächelnden Models blenden lassen. Für welchen Geist der Unterdrückung sie sich instrumentalisieren lassen - vermutlich das genaue Gegenteil dessen, was sie zu tun meinen.
Vielleicht entspricht es nicht dem Menschenbild, das wir uns wünschen: In welchem Maße Menschen unter Repression lernen, sich mit ihren Fesseln zu arrangieren (oder sie gar zu lieben), kann man in extremer Ausprägung beim sogenannten Stockholm-Syndrom studieren.
Und wenn es dann noch so perfekt in die Modewelt des schönen Scheins passt, wer will da Spielverderber sein?
Vielleicht informiert sich ein Fernsehsender im Sinne seiner medialen Aufgabe besser, bevor er sich derart unkritisch einspannen lässt. Dann muss er auch nicht das eigene Versagen kaschieren durch Löschungen der Meinungen von Menschen, die hinter die Kulissen schauen.
Wolfgang Aschauer am Permanenter Link
Was die Autorin schildert, gibt meines Erachtens einen guten Einblick in aktuelle Geschehnisse im Themenfeld Kopftuch.
Ich möchte das mit einem Beispiel aus meiner Kindheit erläutern. Meine eine Großmutter war eine katholische Bauerstochter in Oberbayern. Für sie war es bis in die 1970er Jahre hinein selbstverständlich, ein Kopftuch zu tragen; das "gehörte sich so". Auch während des Gottesdienstes hatten die Frauen immer ein Kopftuch (oder einen Hut) auf. Eine ehrbare Frau hatte auch und gerade im religiösen Umfeld eine Kopfbedeckung zu tragen. Das ist heute bekanntermaßen nicht mehr so. Wenn wir uns nun vorstellen, dass es demnächst z.B. in Bayern per Gesetz vorgeschrieben würde, dass alle Frauen Kopftücher tragen müssten, so würde das nicht nur Protest hervorrufen, sondern wäre mit der Situation meiner Großmutter nicht zu vergleichen. Denn für sie gehörte es zum traditionellen Leben.
Bezogen auf die islamischen Kopftücher heutzutage ist ein ähnlicher Befund zu machen. Denn die Kopftücher sind nicht traditionell (vgl. z.B. die Kleidung in Afghanistan vor den Taliban), sondern ein aktuelles politisches Statement. Und genau dagegen sollte man sich verwahren: Propaganda für Frauenunterdrückung zu machen. Denn letztere ist - hier muss ich der Autorin dann doch widersprechen - gerade nicht in erster Linie "rückwärtsgewandt", sondern ein zukunftsbezogenes Projekt, ein angestrebtes Ziel der Propagandisten des Kopftuchs.
G. Hantke am Permanenter Link
Die Thematik um das Kopftuch ist inzwischen umfassend behandelt und viele Autorinnen sowie einige Autoren haben excellente und überzeugende Beiträge hierzu geleistet.
Hier nur einmal zusammenfassend: In einem freiheitlichen Rechtsstaat kann sich jeder auf den Kopf setzen, was er möchte. Ausnahmen gelten für besondere Gewaltverhältnisse (zB Bundeswehr) sowie für Angehörige öffentlicher Ämter (insbesondere Richter, Lehrer usw). Heftig kritisiert werden muß, dass (religionsunmündige) Kinder in diesen Gesichtsteppich hineingezwängt werden, vor allem in Kindergärten und Schulen.
Am Kopftuch, das aus religiösen Gründen getragen wird, hängt ein ganzer Rattenschwanz. Das Tuch ist demonstrativer Ausdruck von Abgrenzung und keine Mode. Die Problematik erkennt auch jede Dumpfbacke, wenn man die Folgen der Verweigerung in mehrheitlich muslimischen Ländern betrachtet.
Wenn nun die Autorin meint, ohne Kopftuch sei sie es nicht wert genug, gehört zu werden, dann dürfte das Problem darin bestehen, dass sie sich wohl (insoweit) in den falschen Kreisen bewegt. Ihren Kommentar konnte ich mir leider nicht ansehen – dazu hätte ich mich bei facebook anmelden müssen und das werde ich mir nicht antun.
Grundsätzlich sollte man mit bullshit aber kein Problem haben und dem Motto folgen: was kümmert es den Mond, wenn ihn die Hunde anbellen.
Monireh Kazemi am Permanenter Link
Sie können meinen Kommentar hier lesen:
@SRF News Sie ignorieren den Kampf von Frauenrechtlerinnen in islamischen Staaten, die sich gegen den Zwang zu Verschleierung und Verhüllung einsetzen und dafür ihre Freiheit, ihre Unversehrtheit und ihr Leben riskieren. Jedes Jahr werden Tausenden von Frauen im Iran Strafen wegen Verstoß gegen die Kleidervorschriften ausgesprochen. Sie dagegen bieten dieser Art sich zu kleiden eine Plattform.
Indem Sie Verhüllung und Schleier prioritär als Mode präsentieren, verharmlosen Sie den Ursprung, woher diese Mode kommt: nämlich die Religion, mithilfe der die Hälfte der Bevölkerung in islamischen Staaten unterdrückt wird. Genau wie die westlichen Modemacher verkennen Sie, dass die sogenannte Freiwilligkeit, mit der sich Models oder sogenannte modebewusste muslimische Frauen verhüllen, eine antrainierte Haltung ist. Wir Iranerinnen, Afghaninnen und andere Migrantinnen aus Islamischen Länder wissen aus eigener Erfahrung: Wenn ein Mädchen von klein auf vermittelt bekommt, dass eine unverschleierte Frau „unrein“, „nicht sittsam“, „unehrenhaft“ ist und wenn die Familie und das soziale Umfeld keine oder nur Alternativen aufzeigt, die mit Ausgrenzung und Schuld verknüpft sind, dann kann dies nicht als freiwillig bezeichnet werden. Insofern sind auch keine ehrlichen Aussagen zur freiwilligen Verhüllung zu erwarten. Die Kopfbedeckung als Mode könnte bei manchen als „Wahl“ angesehen werden. In vielen islamischen Ländern haben die Frauen gar keine Wahl und müssen sich verhüllen.
Die Trennlinie verläuft daher nicht zwischen morgen- und abendländischer Mode, sondern zwischen solchen Frauen, denen ihr Umfeld die Wahl ihrer Kleidung überlässt und solchen Frauen, denen ihr Umfeld diese Wahl nicht lässt; zwischen verschleierten und unverschleierten Frauen.
Dieser Beitrag versucht, die Mode mit der Macht einer Religionsvorschrift zu vereinbaren. Mit der Darstellung von verschleierten Frauen übernehmen Sie das rückwärtsgewandte Frauenbild islamischer Staaten und der islamistischen Bewegung. Darin wird die Frau prioritär als Sexualobjekt begriffen, deren Reize zu verbergen sind. Um sich vor den lüsternen Blicken der Männer zu schützen, wird von den Frauen erwartet, sich zu verschleiern. Ein solches Geschlechterverständnis darf in einer öffentlichen Institution wie SRF in einem säkularen Staat wie Schweiz nicht unterstütz und gefördert werden.
G. Hantke am Permanenter Link
Liebe Frau Kazemi,
vielen Dank. Sie dürfen sicher sein, dass es hierzulande viele (wenngleich zuwenige) mitfühlende Mitstreiter/innen gibt, die sich für die allgemeinen Menschenrechte und andere Werte der Aufklärung einsetzen.
Ich nehme doch an, dass Sie die Giordano-Bruno-Stiftung kennen, den Zentralrat der Ex-Muslime oder die Säkulare Flüchtlingshilfe. Dort dürften Sie sich auch einer großen Wertschätzung sicher sein.
Ihre Erfahrung mit den SRF News ist natürlich bitter und gewiß ein Armutsszeugnis, aber ich würde das mal so interpretieren, dass hier ein Azubi drangesessen hat, nichts verstanden hat, seinen Chef gefragt hat – und der wollte vor allem eines: keinen Ärger. Menschen mit Rückgrat sind leider in diesem Land eher selten.
Anja S. am Permanenter Link
Die Autorin schreibt aus einem persönlichen Erfahrungshorizont heraus, der in der Schweiz keine Gültigkeit hat. Wir sind hier nicht im Iran.
Ilse Ermen am Permanenter Link
Das ist absolut nicht dasselbe! Diese Gleichsetzung ist eine Frechheit. Im Iran fordern Frauen, das Kopftuch ablegen zu dürfen, OHNE IM KNAST ZU LANDEN.
Könnten Sie mir bitte ein Beispiel nennen, wo in Europa Kopftuchträgerinnen mit Salzsäure überschüttet wurden?
Claudia Drost am Permanenter Link
Frauen schulden keiner einzigen Religion Dank für auch nur einen Impuls der Freiheit.'
Susan Brownell Anthony
Eigenartig, dass vieles, das man in anderen Religionen erfolgreich bekämpft hatte, auf der anderen Seite in Schutz genommen wird.
Man stelle sich vor, Katholiken oder Protestanten kämen auf die Idee, Frauen das obligatorische Häubchen aufzusetzen.
Das Geschrei wäre groß und laut.
Susanna am Permanenter Link
Sie haben ja so völlig Recht. Bitte schreiben sie öfter.