Die Standardperspektive auf die Auseinandersetzung über "Wokeness" und Identitätspolitik war lange Zeit, dass sich linke Verteidiger von Minderheitenrechten und rechte Vertreter der "Mehrheits-" oder "Dominanzgesellschaft" gegenüberstehen. Eine breit besetzte Podiumsdiskussion in Frankfurt (Main) am vergangenen Freitag gab Denkanstöße, dass die Konfliktlinien möglicherweise etwas anders verlaufen.
Eingeladen zur Veranstaltung "Die Woken und die Rechten: Zwei Fäuste für die Gegenaufklärung?" im Saalbau Gutleut hatte der Verein für konstruktiven Sozialismus. Auf dem Podium saßen neun Leute, die durchaus unterschiedliche politische Richtungen repräsentierten. Gemeinsam war ihnen allerdings die Einschätzung, dass "die Woken und die Rechten" bei genauer Betrachtung in einigen grundlegenden Politikauffassungen gar nicht so weit auseinanderliegen.
Die Debatte fand, wie Moderatorin Judith Faessler in ihrem Eingangsstatement festhielt, vor dem Hintergrund einer Begeisterungswelle für ein 20 Jahre altes Video von Osama Bin Laden statt, die kurz zuvor durch die Sozialen Medien geschwappt war. Darin hatte der Al Qaida-Begründer seine Rechtfertigung für die Anschläge vom 11. September 2001 geliefert, und junge TikTok-User:innen hatten daraufhin die holzschnittartige Einteilung der Welt in "gut" und "böse" zur Bewertung des Kriegs im Gazastreifen herangezogen.
Gut gemeint, schlecht argumentiert
Sinan Kurtulus, der in seiner wöchentlichen YouTube-Show "SinansWoche" bereits mehrfach zu Fragen "linker" Identitätspolitik Stellung bezogen hatte, verglich "Wokeness" mit einer Autoimmunerkrankung. Wie das Immunsystem eine sinnvolle Funktion erfülle, sei auch der Ansatz, wachsam gegenüber Diskriminierung zu sein, sinnvoll. Wenn die Aktivitäten jedoch dahin umschlagen, dass jede Kritik am eigenen Ansatz reflexartig attackiert wird, ohne sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen, überwiegen die negativen Auswirkungen auf Gesellschaft und politischen Diskurs.
Daran knüpfte der in der Extremismusforschung tätige Sozialwissenschaftler Holger Marcks an: "Gut gemeint" sei eben nicht automatisch "gut". Er verwies darauf, dass die ursprünglich in linken und linksradikalen Kontexten diskutierten identitätspolitischen Konzepte mittlerweile in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft, vor allem im akademischen Bereich, angekommen seien. Dabei hätten sich diese Konzepte aber verändert. Die "Subalternen" (also die von Teilhabe weitgehend Ausgeschlossenen) fühlten sich von den Parteien, die sich diesen identitätspolitischen Positionen geöffnet haben, nämlich keineswegs repräsentiert. Das zeigten die Wahlergebnisse der letzten Zeit.
Verletzte Gefühle, politische Resignation
Als Transmann gehört Till Randolf Amelung eigentlich zu einer jener Gruppen, für die sich linke Identitätspolitik ihrem Anspruch nach einsetzt. Amelung, laut Tageszeitung taz einer der interessantesten und freundlichsten Publizisten aus dem queeren Spektrum, möchte beim "Opferbingo" aber nicht mitspielen, setzt weniger auf "verletzte Gefühle" – also subjektive Empfindungen – als auf eine rationale Auseinandersetzung. Denn er weiß, dass Menschen dieselbe Identität und trotzdem sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen haben können.
Auch Chantalle El Helou, die in Jena Politikwissenschaft studiert und den Essay "Vom Queersexismus zur Emanzipation" veröffentlicht hat, kritisierte, dass die "individuellen Bestimmtheiten" mit Identität gleichgesetzt werden. Dieser definitorische Kurzschluss unterstelle eine Distanzlosigkeit zur eigenen Identität.
Die ungarische Politikwissenschaftlerin Eszter Kováts, die an der Universität Wien tätig ist, verschob die Perspektive etwas, indem sie daran erinnerte, dass in Ungarn eine rechte Cancel Culture vorherrscht, die sich explizit in Abgrenzung zum "Wokismus" definiert und vorgibt, Ungarn gegen diese Einflüsse zu schützen. Doch auch wenn es diese Kritik aus der rechten Ecke gebe, müsse die "woke" Gesellschaftskritik trotzdem als moralisierend eingestuft werden, denn sie habe nur das individuelle Verhalten im Blick. Darin sieht Kováts einen Ausdruck politischer Resignation.
Politik für wen?
Inwieweit der "woke" Aktivismus wirklich für die Marginalisierten spricht, thematisierte Jörg Finkenberger, Mitherausgeber der Zeitschrift "Das Grosse Thier". Er habe eher den Eindruck, es werde nur der "Sound" einer ursprünglich authentischen Bewegung aufgegriffen und für eigene Zwecke genutzt.
Sebastian Schnelle, der den Podcast "Vorpolitisch" verantwortet, sieht als wichtigen Punkt den Übergang der Critical Theories in den Aktivismus an. Während frühe Texte sehr differenziert argumentieren und emanzipatorische Zielsetzungen verfolgen, seien die Aussagen später radikal vereinfacht worden, was zur heute oft anzutreffenden simplen Gegenüberstellung von Gruppen geführt habe.
Position beziehen im nicht ganz herrschaftsfreien Diskurs
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Konzepte, die den Anspruch erheben, Gesellschaft zu verändern, kritisch diskutiert und auf ihren Erfolg hin überprüft werden. Doch alle auf dem von Malte Clausen und Judith Faessler souverän geleiteten Podium haben schon erfahren müssen, dass die Auseinandersetzung über Identitätspolitik nicht gerade im "herrschaftsfreien Diskurs" geführt wird. Persönliche Angriffe, die Bezeichnung als "Token" (das heißt "Feigenblatt"), "neurechts", "rassistisch", "transfeindlich" und so weiter, beziehungsweise der Vorwurf, neurechte (und so weiter) Auffassungen zu bedienen, sind an der Tagesordnung. Sinan Kurtulus empfahl in solchen Fällen: Einfach aushalten und weiter argumentieren. Obwohl er einräumte, dass derartige Angriffe ihn auch treffen.
Gerade wer in "woken" Positionen Schnittmengen zu rechtem Gedankengut oder rechten Vorgehensweisen sieht, kann nicht einfach wegschauen, sondern muss den Konflikt annehmen. Und dass es diese Schnittmengen gibt, scheint nicht von der Hand zu weisen: die Mobilisierung von Gefühlen, wo sachliche Analyse notwendig wäre (Stimmung statt Politik); die Einteilung der Menschen in Gruppen auf der Grundlage einer Identität und damit verbunden die oft hasserfüllte Ablehung von "Anderen"; ein Verständnis von "Gesellschaftskritik", das sich auf individuelles Verhalten konzentriert; die Übernahme von Methoden der Repression...
Skeptische Gesellschaft
Dass mehr als die Hälfte derer, die auf dem Podium saßen, Mitglied in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) waren, legt einen Zusammenhang der Veranstaltung mit dem Konflikt in der Skeptiker-Organisation nahe, wie Critical Studies und der damit verbundene Aktivismus einzuschätzen sei. In einem Grußwort nahm der langjährige GWUP-Vorsitzende Amardeo Sarma darauf und auf die Gründung des Informationsnetzwerkes "Skeptische Gesellschaft" Bezug. Ein skeptischer Blick auf fragwürdige Gesellschaftstheorien und sich daraus ableitende politische Konzepte ist gerade in Zeiten wie diesen dringend geboten.
Die Veranstaltung wird in absehbarer Zeit auch als Video dokumentiert werden. Informationen dazu werden sich dann auf https://club-volantaire.de/ finden.
13 Kommentare
Kommentare
Constantin Huber am Permanenter Link
Die Antiwoken und die Rechtsextremen sind häufig nicht weit voneinander entfernt.
Aber es stimmt schon, die Konfliktlinien sind da nicht immer klassisch – was aber keine bahnbrechende Erkenntnis ist. Gibt es bekanntlich ja auch einige links oder feministisch eingestellte Menschen, die gegen trans* Menschen hetzen. Und es gibt neben dem rechten und religiösen auch einen linken Antisemitismus.
P.S.: Im Format "Sinans Woche" werden regelmäßig Fake News und Abwertungen gegenüber trans* Menschen verbreitet. Warum solchen Agitator:innen zu mehr Reichweite verhelfen?
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Ich finde solche Einwände wie 'moralisierend und deshalb liegt die andere Seite falsch' mittlerweile ziemlich öde.
Als wäre das der erste Diskurs, bei dem sich die beiden Seiten im Besitz der 'langfristig der Allgemeinheit wohlbringenden Wahrheit' wähnen. Spoiler alert: Das ist bei so ziemlich jedem Thema, das heiß diskutiert wird, der Fall.
Dass solche Mottenkisten-Gedanken tatsächlich noch ohne Schamgefühl verbreitet werden, kann fast nur als langweilig im Sinne von 'wenig originelle inhaltliche Einwände findend' interpretiert werden.
Gunnar Schedel am Permanenter Link
'moralisierend und deshalb liegt die andere Seite falsch' - wo steht das im Beitrag? wer hat das auf dem Podium gesagt?
worauf auch ich als linker Kritiker von Identitätspolitik bestehen würde: wer moralisiert, also das Verhalten von Individuen in den Mittelpunkt seiner (oder ihrer) Kritik rückt, kann nicht für sich beanspruchen, in einer Tradition linker Gesellschaftskritik zu stehen (hat wahrscheinlich nichtmal verstanden, was "Kritik" ist); "moralisierende" Kritik verändert gesellschaftlich nichts und stabilisiert unterm Strich dadurch die herrschenden Verhältnisse (deshalb ist sie häufig bei Religionen vorzufinden); dem hohen eigenen Anspruch steht gesellschaftliche Wirkungslosigkeit gegenüber
in dieser Richtung wurde auf dem Podium argumentiert; wenn du das langweilig findest, ist das ok; könnte aber eher an der mangelnden Tiefe deiner Überlegungen als am auf dem Podium Gesagten liegen
Constantin Huber am Permanenter Link
Wenn du schon selbst nach einem Tag nicht mehr weißt, was du geschrieben hast – grandios!
"Doch auch wenn es diese Kritik aus der rechten Ecke gebe, müsse die "woke" Gesellschaftskritik trotzdem als moralisierend eingestuft werden, denn sie habe nur das individuelle Verhalten im Blick."
David Z am Permanenter Link
Kritik an der Woke Ideologie stellt keine Hetze gegen Transmenschen dar.
"Queers for Palestine" oder "Tampons für Männer", reicht das wirklich nicht, um den Irrsinn zu erkennen? Die Analogie mit einer Autoimmunerkrankung ist doch sehr gut nachzuvollziehen.
Wenn Menschen ihre subjektive Wahrnehmung und Gefühle zum absolutem Massstab machen, dann ist das ein Problem, im Zwischenmenschlichen wie auch gesellschaftlich. Warum Sie diese Erkenntnis als "öde" oder "Mottenkisten-Gedanken" oder "langweilig" betrachten, erschließt sich mir nicht.
Im übrigen obliegt es dem, der eine neue Idee vorstellt, die andere Seite zu überzeugen und nicht anders herum. Ganz ähnlich wie bei Behauptungen von Religionen. Ist wohl kein Zufall.
RPGNo1 am Permanenter Link
"P.S.: Im Format "Sinans Woche" werden regelmäßig Fake News und Abwertungen gegenüber trans* Menschen verbreitet. Warum solchen Agitator:innen zu mehr Reichweite verhelfen?"
Ah ja. Komisch, ich sehe das Format regelmäßig und kann weder Fake News noch Abwertungen entdecken. Sinans Analyse ist sicher nicht perfekt, aber bemüht ständig um eine sachliche Beurteilung und räumt auch eigene Fehl ein.
Allerdings bestätigen Sie mir dieser im luftleeren Raums stehenden Behauptung, dass sie wohl eine derjenigen "woken" Personen sind, die gerne persönliche Angriffe fahren, wenn Ihnen die sachlichen Argumente ausgehen. Ich habe in Ihren Kommentaren auch noch nichtg entdeckt, dass Sie Fehleinschätzungen einräumen, obwohl Sie von anderer Seite explizit darauf hingewiesen wurde.
malte am Permanenter Link
"Im Format "Sinans Woche" werden regelmäßig Fake News und Abwertungen gegenüber trans* Menschen verbreitet."
Constantin, das sind sehr heftige Anschuldigungen, und solche müssen BEGRÜNDET werden! So, wie du sie hier vorbringst, ist das einfach nur Werfen mit Dreck. Und das ist genau das, was in der Veranstaltung kritisiert wurde: Die Mobilisierung von Gefühlen, wo sachliche Analyse notwendig wäre.
Das ist gerade beim Thema "Trans" häufig zu beobachten. "Transphobie" wird bereits daran festgemacht, dass jemand das Phänomen Transsexualität nicht genau so versteht, wie Transaktivisten es darstellen. Das muss endlich aufhören.
Sim am Permanenter Link
"P.S.: Im Format "Sinans Woche" werden regelmäßig Fake News und Abwertungen gegenüber trans* Menschen verbreitet. Warum solchen Agitator:innen zu mehr Reichweite verhelfen?"
Das Gegenteil ist richtig. Sinan setzt sich unmissverständlich für die Rechte von trans Menschen ein. Zuletzt erst hatte er aufgezeigt dass Rechte versuchten die "Miss Niederlande" Wahl zu instrumentalisieren und gegen trans Personen zu schießen nur weil die Gewinnerin selbst trans ist.
Ansonsten sollte man bei solchen Vorwürfen schon sehr konkret werden. Ansonsten bleibt es bei einem plumpen Versuch jemanden mit Lügen diskreditieren zu wollen. Und das fällt ja auf die eigene Position zurück. Zumindest ist das der Effekt den Sie auf jemanden haben der Sinans Inhalte tatsächlich kennt.
Constantin Huber am Permanenter Link
»Woke ist en vogue«
Was in der Debatte dazu bei Teilen aus der humanistischen und skeptizistischen Community aus dem Ruder läuft, ist, dass diejenigen, die "Wokeness" pauschal ablehnen, wichtige Kritik mit hanebüchenem Unsinn vermischen.
Es ist richtig, dass etwa Gender Studies, Postcolonial Studies oder Queer Studies darauf achten müssen, wissenschaftliche Standards einzuhalten. Aber so ist das mit allen neuen wissenschaftlichen Disziplinen: Sie sind nie von heute auf morgen komplett ausdifferenziert und haben direkt alle fragwürdigen oder unhaltbaren Teile identifiziert. Das gilt übrigens auch für länger existierende wissenschaftliche Teildisziplinen – und viele davon waren in ihren Anfangszeiten nicht weniger heftiger Kritik ausgesetzt. Nichtsdestotrotz kann selbstverständlich insistiert werden, dass heutige Standards etwa bei Studien eingehalten werden.
Kritik an Methoden, an Prämissen, an Folgen für den Diskurs und vieles mehr, sofern diese Kritik argumentativ solide untermauert ist, ist sehr angebracht und wichtig. Denn dass es etwa Queers for Palestine gibt oder Menschen, die bereits das Tragen von bestimmten Frisuren mit der Phrase „kulturelle Aneignung“ pauschal als etwas Negatives abstempeln oder laut einiger weniger Menschen mit bestimmter Hautfarbe aus Diskussionen ferngehalten werden sollen, das kann – nein, das muss kritisiert werden. Und zwar mit aller Schärfe und starken Argumenten.
Dieses sinnvolle Anliegen wird jedoch nur erschwert, wenn reaktionäre Denkweisen, Diskriminierungen, Un- & Antiwissenschaftlichkeiten und weiteres mit in diese Kritik hineingerührt werden. Und das freut wiederum alle Wissenschaftsfeinde und gibt nur jenen auf den falschen Seite der Geschichte Futter. Wir müssen uns klarmachen, dass die Neue Rechte den Begriff „Woke“ pauschal zu etwas Verwerflichem umdichten möchte und sich Teile der bürgerlichen Mitte daran munter beteiligen. Zur Erinnerung: „Woke“ beschreibt grundlegend das Sensibilisieren zur Erkennung von Rassismus und anderen üblen Diskriminierungen.
Wer bestimmte Auswüchse aus „woken“ Themenfeldern mit berechtigter Kritik ablehnt, sollte diese Teile auch exakt benennen und die Kritik allein bereits aus Effizienzgründen ausschließlich auf diesen Teil beziehen. Denn dann kann sich diese Person der Zustimmung einer viel breiteren Masse sicher sein und leistet damit einen Beitrag zur notwendigen Differenzierung. Hingegen einfach generell alles „Woke“ abzulehnen, hilft letztlich nur den Rechtsextremen und anderen Feinden einer gerechten Gesellschaft. Das bringt die Debatte nicht voran. Dabei brauchen wir Debatten darüber, wo die Trennlinien zu ziehen sind:
Ab wann ist das Eintreten für Minderheiten für die Gesellschaft mehr hinderlich als dienlich? Wie weit darf Klimaaktivismus gehen, um mehr Positives als Negatives zu bewirken? Denn klar: Protest muss, wenn er wirksam sein will, auch schmerzen. Doch wenn fast nur noch über den Protest als Selbstzweck oder die damit einhergehende Einschränkung/Beschädigung debattiert wird, ist dem eigentlichen Anliegen nicht geholfen. Dann kann die Frage gestellt werden, wie weit Protest gehen sollte, ob er sich in anderen Themen und Konflikte unbedingt verrennen muss und ob es nicht klügere Formen gibt.
Wir sollten uns übrigens auch darüber im Klaren sein, dass es auf der anderen Seite des politischen Spektrums dringend einer Debatte darüber bedarf, wann konservatives Denken zu Ausgrenzung und Rassismus führt. Und wann liberales Gedankengut zu nicht mehr tragbarem Egoismus führt. Und wann diese klimawandelleugnende Positionen sowie Querdenken stützen. Wer nur den erstgenannten Diskurs führen möchte, den zweiten jedoch ausblenden mag, handelt massiv unredlich.
Langer Rede, kurzer Sinn: Wer in die Falle der Neuen Rechten tappt und die Sensibilisierung zur Erkennung von Diskriminierung pauschal als etwas Negatives abstempeln mag, hilft nur den extremistischen Rändern auf allen Seiten. Das könnten wir auch einfach bleiben lassen und stattdessen die Debatte mit diskutierenswerten Gedanken voranbringen. Das Ideal eines Marktplatzes der Ideen, auf dem letztlich die stärksten Argumente sich durchzusetzen vermögen, müssen wir nicht begraben. Wir können es auch hochhalten – links wie rechts, oben wie unten, bunt wie schwarzweiß.
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.was-bedeutet-woke-mhsd.e98ad6e7-a8b7-42e8-aae7-7bb0563e0a36.html
David Z am Permanenter Link
Sie sollten wirklich mal versuchen, das Thema vom Links-Rechts Schema zu lösen. Mir scheint, dies verbaut Ihnen regelmäßig die Sicht.
Die pauschale Idee einer "Sensibilisierung zur Erkennung von Diskriminierung" (aka "woke") wird deshalb für problematisch empfunden, weil dieses Konzept (Ideologie?) ganz offensichtlich dazu führt, wie eine Autoimmunerkrankung willkürlich nach allen Seiten auszuschlagen. Ich finde, das kann man schon nachvollziehen.
Gleichzeitig gibt es sicherlich Aspekte von Diskriminierung, die diskussionsbedürftig sind. Wer würde das verneinen wollen. Aber wir müssen zunächst sachlich zur Kenntnis nehmen, dass unsere Gesellschaft historisch betrachtet eine ist, die die wenigsten (!) Diskriminierungen ever aufweist. Alle großen, institutionalisierten Diskriminierungen wurden überwunden, Stichwort: Rassentrennung, Rassenwahn, Frauenwahlrecht, Gleichheit vor dem Gesetz, usw.
Wir haben hier also eine Art Paradoxon vor uns: Einerseits eine immer diskriminierungsärmer werdende Gesellschaft. Andererseits eine Gesellschaft, die immer mehr Ungerechtigkeiten zu erkennen glaubt und wie bei einer Obsession krampfhaft danach sucht. Oder anders formuliert: Je weniger Diskriminierung, desto mehr woke und dadurch mehr Opfermentalität.
Dieses Paradoxon gilt es aufzulösen. Denn gesund ist dieser Zustand für eine Gesellschaft ganz sicher nicht - genau so wenig wie eine Autoimmunerkrankung ein gesunder Zustand für den Körper ist.
RPGNo1 am Permanenter Link
" „Woke“ beschreibt grundlegend das Sensibilisieren zur Erkennung von Rassismus und anderen üblen Diskriminierungen."
Das war einmal. Sie sollten sich über die neuesten Entwicklungen informieren, und nicht nur veraltete Definitionen hervorkramen.
"Woke wird aber mitunter auch von Progressiven mit negativer Konnotation gebraucht, etwa um ein aggressives, rein performatives Vorgehen zu kritisieren, das der eigentlichen progressiven Agenda schade und die systemischen Ursachen der Unterdrückung nicht adressiere.[2] Der politisch linke Publizist Bernd Stegemann z. B. bezeichnete Woke abwertend als „moralistisch-regressive Politik“,[24] Susan Neiman veröffentlichte 2023 das Buch Links ist nicht woke.
Als Selbstbeschreibung ist woke infolgedessen rückläufig und wird zunehmend ersetzt durch versachlichende Beschreibungen, die sich auf soziale Gerechtigkeit und Einfühlungsvermögen beziehen.[2][3]"
https://de.wikipedia.org/wiki/Woke
malte am Permanenter Link
"Dieses sinnvolle Anliegen wird jedoch nur erschwert, wenn reaktionäre Denkweisen, Diskriminierungen, Un- & Antiwissenschaftlichkeiten und weiteres mit in diese Kritik hineingerührt werden."
Wo geschieht das? Das wird von dir immer nur behauptet, aber nie begründet.
"Wer bestimmte Auswüchse aus „woken“ Themenfeldern mit berechtigter Kritik ablehnt, sollte diese Teile auch exakt benennen"
Das wurde sowohl auf dem Podium als auch bei den hpd-Beiträgen zum Thema immer getan. Es wurde immer betont, dass nicht das Engagement gegen Diskriminierung in der Kritik steht, sondern das identitäre Menschenbild, der Moralismus und die sprachmagischen Denkweisen, die heute häufig damit einher gehen.
Gender Studies gibt es übrigens mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten, hier kann man also kaum von einer "neuen" Fachdisziplin sprechen. Und auch bei den anderen "Critical Studies" kann ich nicht erkennen, dass deren Protagonisten zu einer Selbstkritik bereit sind. Oder haben die Hoax-Veröffentlichungen von Peter Boghossian da zu einem Umdenken geführt?
Helmut Dietrich am Permanenter Link
Zitat C. Huber :"Wer bestimmte Auswüchse aus „woken“ Themenfeldern mit berechtigter Kritik ablehnt, sollte diese Teile auch exakt benennen "
Dann benennen Sie doch bitte die angeblichen fake news in Sinans Woche
malte am Permanenter Link
Was ich auffällig fand: Es gab kein bisschen Kritik aus dem Publikum. Es hätte ja die Möglichkeit gegeben, kritische Fragen zu stellen, und ich hätte eine kontroverse Diskussion erwartet.