Glosse

Das Kreuz auf dem Müll

Es begab sich vor gut einem Monat: Da ward in Bayreuth ein Kruzifix in der Mülltonne entdeckt. Und weil nicht sein darf was nicht sein kann wird noch immer nach dem Eigentümer gesucht. Denn selbstverständlich muss das ein Versehen gewesen sein. Oder ein Verbrechen. Denn so ein heiliges Stück Holz kann doch niemand absichtlich weggeworfen haben.

Der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk kann es auch nicht fassen und bastelt eine kleine Kriminalstory daraus: "Sie sei gerade mit einer Freundin unterwegs gewesen, als ihr das Kreuz aufgefallen sei, so Gisela Mösch-Ahner im Gespräch mit BR24…" Was kann da wohl passiert sein? Ein Mord? Ein Totschlag? Irgendetwas Mysteriöses muss es gewesen sein. Denn welch normaler Bayer schmeißt die Insignien (s)einer heiligen Religion weg? Das ist ja blasphemischer als das Verbrennen eines Korans!

Nun; immerhin wurde die sofort gerufene Polizei nicht dazu aufgefordert, den vermuteten Häretiker direkt in Richtung Scheiterhaufen zu geleiten. Immerhin! Sondern nur, das Kruzifix sicher zu stellen.

Es handle sich um "ein sehr schönes und großes Kruzifix, keines aus dem Wohnzimmer – eher eines, wie man es aus Kapellen kennt." Und also kann hier nur ein Verbrechen wie Diebstahl oder gar Raub infrage kommen. Nun soll das Kreuz aufbewahrt werden und nach Ablauf eines Jahres zur Anbetung freigegeben werden. Vielleicht in einer öffentlichen Verwaltung?

Dass sich hier irgendwer nur seines – vielleicht ererbten – Mülls entledigt hat; das kommt weder den Findern noch dem Bayerische Rundfunk in den Sinn. Dabei hat das öffentliche Entsorgen von religiösen Devotionalien in Bayern bereits eine ganz eigene Tradition: Im vergangenen Jahr wurde zum Beispiel bereits eine Jesusfigur mitten auf eine Bundesstraße gestellt.

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