Überraschung bei der Preisverleihung des DA! Art-Award:

Publikumspreis für gecanceltes Kunstwerk

Die Ausstellung des säkularen Düsseldorfer Kunstpreises DA! Art-Award des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!) ist am vergangenen Samstag zu Ende gegangen – mit der Preisverleihung im Düsseldorfer Stadtmuseum. Überschattet worden war der Wettbewerb durch eine Entscheidung der Museumsdirektorin Susanne Anna, dass zwei Werke nicht gezeigt werden durften. Trotz allem: Eines der aus der Ausstellung verbannten Werke errang den Publikumspreis. Womit die Besucherinnen und Besucher der Schau unterstrichen, was sie von der Cancel-Entscheidung halten.

Doch nun zu den Werken, die nach dem Votum der Jury, bestehend aus sieben fachkundigen Menschen, den mit jeweils 3000 Euro dotierten Preis verliehen bekommen haben. Da sie nach Ansicht der Sachverständigen am besten das Thema getroffen und umgesetzt haben.

"Check your Dogma" lautete der Titel des nun schon zum vierten (und letzten) Mal ausgeschriebenen "DA! Art Award". In der Ausschreibung waren die Künstler und Künstlerinnen angestoßen worden, ihre Kreativität zu nutzen - auch und gerade, um später das Publikum mit ihrem Werk mit Fragen zu konfrontieren wie: Welche Aussage oder Autorität darf nicht hinterfragt werden? Bei welchem Thema erhebe ich den Anspruch auf Allgemeingültigkeit? Behalte ich Skepsis gegenüber den eigenen Positionen und Grundsätzen? Bei welcher Idee oder Erzählung werde ich unkritisch? Bin ich im Zweifel offen für das bessere Argument?

Die Preise, ohne eine Rangfolge, erhielten Jakob Fleischer für seine Videoinstallation "Fragmente". Und Sarai Meyron für ihr Video "Memory of maybe tomorrow". Und schließlich Asta Volkensfeld für ihre Keramik mit dem Titel "Ich will ihn suchen".


Fleischer, Jakob, Fragmente, 2022, Videoinstallation, 50 x 40 x 50 cm

Fleischer, Jakob, Fragmente, 2022, Videoinstallation, 50 x 40 x 50 cm

Jakob Fleischer: "Wir sind im Alltag von einer stetig wachsenden Menge an technischen Bildern umgeben. Doch anstelle einer erwartbaren Sensibilisierung scheint genau das Gegenteil einzutreten. Nicht die Künstlichkeit der Bilder wird reflektiert, sondern die Wahrnehmung unserer direkten Umgebung wird an neue Sehgewohnheiten angeglichen. Die technischen Bilder erlangen dadurch einen Wahrheitsanspruch, der die Realität zu übertrumpfen droht, sie werden zu einer Art externalisiertem Dogma. Durch das Fragmentieren der digitalen Darstellungsform einer Videoaufnahme, werden Betrachtende des Werks Fragmente unmittelbar mit dessen Künstlichkeit konfrontiert. Sie werden zum bewussten Rekonstruieren des ursprünglichen Videomotivs, zum Hinterfragen des Dogmas gezwungen."


Meyron, Sarai, Memory of maybe tomorrow, 2022-2024, Video, 3:11 min.

Meyron, Sarai, Memory of maybe tomorrow, 2022-2024, Video, 3:11 min.
(hier ein Screenshot, das Video kann auf der Internetseite des DA! Art Award angesehen werden.

Sarai Meyron: "Im zweiten Kapitel der Videoinstallation, Traum/Albtraum, geht es um den Traum von einer Heimat und einem Schlüssel dazu. Es ist teilweise durch das Aufwachsen in Haifa inspiriert. Dort wurden nach 1948 die Häuser, die von den vertriebenen und aussterbenden Palästinensern leer standen, an jüdische Flüchtlinge verteilt. Mit dieser Videoinstallation versuche ich, die zionistische Ideologie meiner Familie zu verstehen und gleichzeitig meine politische Kritik an ihr zum Ausdruck zu bringen. Dieses Video ist den Menschen gewidmet, die sich tief zum jüdischen Staat Israel hingezogen fühlen, jeder mit seiner persönlichen Geschichte, und fragt sie: Ist das Dein Traum?"


Volkensfeld, Asta, Ich will ihn suchen, 2024, Keramik/Rauchbrand, 37 x 39 x 39 cm

Volkensfeld, Asta, Ich will ihn suchen, 2024, Keramik/Rauchbrand, 37 x 39 x 39 cm

Asta Volkensfeld: "Ich will ihn suchen, sage ich, ohne zu wissen, wen oder was ich suchen soll. In meiner Kindheit besuchte ich eine anthroposophische Bildungseinrichtung. Einmal in der Woche nahm ich an einer sogenannten Handlung der Christenlehre teil. Am Ende sagte jedes Kind diesen Satz. Die Atmosphäre war beklemmend und ernst. Wie in einem Kreis wurden diese dogmatischen Rituale an uns weitergegeben. Freiheit existierte für uns nur in einem anthroposophischen Rahmen, in diesem elitären Kreis. Das Objekt lässt fragen, wer gesucht werden soll und versetzt den Betrachter in die Situation des Kindes, das diese Worte spricht, ohne den Sinn zu verstehen. Die bauchige Form symbolisiert die Freiheit innerhalb des Kreises, der enge Hals Gefangenschaft."

Der Eklat - eine Nachlese

Heinz Hachel, Mitglied des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!) und einer der Kuratoren der Ausstellung, sagte bei der Preisverleihung am Samstag mit Blick auf die auf Veranlassung der Museumsleitung abgehängten Werke: "Gegen die zwei Arbeiten, die sich dezidiert mit dem Clash islamischer und jüdischer Dogmata befassen, hat das Stadtmuseum Düsseldorf – im Rahmen des Hausrechts – sein Veto eingelegt. Diese Werke durften hier nicht gezeigt werden. Allerdings sind die von der Museumsleitung genannten Begründungen, die zum Ausschluss der Werke geführt haben, für uns absolut nicht und in keiner Weise nachvollziehbar. Wir können in den Arbeiten weder Antisemitismus noch Sexismus, schon gar nicht das Schüren von Hetze erkennen. Diese Zensur hat allerdings auch dazu geführt, dass ein Wettbewerbsteilnehmer seine Arbeit aus Solidarität mit den gecancelten Künstler:innen aus dem Museum abgezogen hat. Aber machen Sie sich selbst ein Bild von den verbotenen Werken. Da die Arbeiten von uns nominiert wurden, können Sie sich diese inklusive der Künstlerstatements auf unserer Internet-Seite anschauen. Wir möchten an dieser Stelle aber auch betonen, das gehört zum Gesamtbild, dass wir bislang ohne jedwede Einschränkung auch sehr kritische Kunstwerke hier im Stadtmuseum ausstellen konnten."

Der hpd hat sowohl über den Kunstwettbewerb als auch über den Eklat berichtet.

Es verwundert schon, dass mit Ausnahme der Neue Düsseldorfer Onlinezeitung die lokalen Medien in Düsseldorf trotz einer entsprechender Presseinformation durch den DA! mit keinem Wort auf den Eingriff der Museumsleiterin in die Kunstfreiheit eingingen. Umso überraschender, dass eines der gecancelten Werke den mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis gewann. Während der Dauer der Ausstellung konnten nämlich die Besucherinnen und Besucher abstimmen, welches sie für das beeindruckendste Kunstwerk hielten. Und da machte ausgerechnet eines der Kunstwerke das Rennen, die gar nicht in der Ausstellung, sondern nur auf der Internetseite des DA! ArtAward (dort die laufende Nummer 71) zu sehen waren.

Rafi, Ahmad, Klagemauer auf Koran, 2024, Öl auf Buchdeckel, 2-teilig, je 25  x  34  x  3,5 cm
Rafi, Ahmad, Klagemauer auf Koran, 2024, Öl auf Buchdeckel, 2-teilig, je 25  x  34  x  3,5 cm

Ahmad Rafi hatte seinem Werk diese Erklärung beigefügt: "Für dogmatische Muslime ist der Koran ein heiliges Buch – es ist Blasphemie, darauf zu malen. Schlimmer ist es, wenn das gemalte Bild die Darstellung eines anderen Heiligtums ist. Ebenso steht für dogmatische Juden die Klagemauer als heiliger Sakralbau. Es ist genauso blasphemisch und abwertend, sie auf dem Koran darzustellen. Nun stehen beide Heiligtümer in meinem Werk in einer untrennbaren Situation dicht beieinander. Wollte man versuchen, sie durch einen Gewaltakt voneinander zu trennen, würde man beide Heiligtümer verstärkt respektlos behandeln. Mein Werk komponiert beide Symbole so nah beieinander, wie es in der Realität der Fall ist. Aus dieser Realität entsteht die Allegorie, die die dogmatische Denkweise herausfordert."

Auch wenn der Veranstalter des DA! Art Award die Entscheidung, das Bild in der Ausstellung nicht zeigen zu dürfen, nicht einverstanden war, hielt man sich auch am Samstag an das Verbot und zeigte auf der Leinwand nur eine weiße Fläche, als es um die Vorstellung von "Klagemauer auf Koran" ging. Machen Sie sich selbst anhand unserer Veröffentlichung in Foto und Begleittext ein Bild von der "Berechtigung" des Eingriffs in die Kunstfreiheit durch die Museumsleitung.

Bei der Preisverleihung am Samstag kam auch die Düsseldorfer Bürgermeisterin Clara Gerlach (Grüne) auf den Vorfall zu sprechen. "Ich war auch sehr entsetzt am Anfang, als ich gehört habe, dass Arbeiten ausgeschlossen wurden. Ich finde das auch tatsächlich nicht richtig. Ich finde es aber gut, darüber auch ins Gespräch gekommen zu sein." Auch über die Perspektive des Stadtmuseums, fügte sie hinzu, ohne diese näher zu erläutern. Es sei wichtig, frei zu denken und frei denken zu dürfen, so Clara Gerlach. Umso glücklicher sei sie, dass der DA! den Kunstpreis genau mit dem Thema "Check Your Dogma" ausgelobt habe. "Die Kunst muss frei sein, so ist es ja auch im Grundgesetz verankert", schloss die Bürgermeisterin und bedankte sich für das ehrenamtliche Engagement, das die Schau im Stadtmuseum erst möglich gemacht hatte.

Die Preisverleihung wurde aufgezeichnet und kann angeschaut werden auf der Youtube-Seite des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes:„“

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