Veranstaltungsbericht

Politischer Theologe versus konfessionsfreier Lobbyist: Einigkeit nur beim Thema Islam

Beim "Humanistischen Salon" des Instituts für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes diskutierten am vergangenen Sonntag der Vorsitzende des Zentralrats der Konfessionsfreien Philipp Möller und der evangelische Theologe und CSU-Politiker Alfred Seiferlein unter Moderation von Helmut Fink in der "Villa Leon" darüber, wie sich Staat und Kirche zueinander verhalten sollen. Erwartungsgemäß sind die Haltungen der beiden dazu recht unterschiedlich – mit einer Ausnahme.

"Kirche und Staat – gemeinsam oder getrennt?", hieß die Ausgabe des "Forums der heißen Debatten" vom vergangenen Wochenende in Nürnberg. Aus Berlin angereist war Philipp Möller, der dem Zentralrat der Konfessionsfreien vorsteht, sein Gegenpart auf der Bühne war Alfred Seiferlein, Theologie-Professor an der Uni Halle-Wittenberg, früheres Mitglied der bayerischen Landessynode sowie Landesgeschäftsführer des evangelischen Arbeitskreises der CSU. Zwischen beiden saß Helmut Fink, Referent für Wissenschaft und Philosophie bei Kortizes.

Möller begann mit einem Exkurs in seine persönliche Biographie und schloss daraus, dass die eigene Weltanschauung Resultat einer Mischung aus Biologie und Biographie sei. Da dies aber Privatsache sei, wolle er stattdessen gemäß dem Ansatz des Lobbyverbands, dessen Vorsitzender er ist, über Religion als politisches Machtinstrument reden. Die Frage nach dem Beziehungsstatus von Religion und Staat sei bereits 1919 in der Weimarer Reichsverfassung beantwortet worden, so Philipp Möller, die er das "Trennungsdokument einer toxischen Beziehung" nannte. Damit meinte er, dass man in Ländern, die religiös regiert werden, sehen könne, welch katastrophale Folgen dies habe. Der Zentralrat sei nicht gegen Religion, sondern für einen Staat, der ohne Religion auskommt.

Alfred Seiferlein bekundete in seinem Eingangsstatement: Das Beste an Religion sei, dass sie Ketzer hervorgebracht habe. Das Christentum schätze die Gegenrede. Das konnte Philipp Möller so nicht stehen lassen: "Das klingt so friedlich und freundlich wie Religion jahrhundertelang nicht war." Sie sei nicht stark geworden durch Kritik, sondern durch das Schwert, und habe erst von außen gezähmt werden müssen.

Theologische Fakultäten, Kirchensteuer, Caritas-Legende

Möller bezeichnete Theologie als unwissenschaftlich, die Kirche müsse selbst für ihre Klerikerausbildung aufkommen. Seiferlein hingegen, der selbst an einer Theologischen Fakultät tätig ist, sieht es als "Aufgabe des Staates, wissenschaftliche Theologie zu ermöglichen", daher plädierte er auch für eine Imamausbildung an deutschen Universitäten. Hier liegt für ihn eine Chance auf eine Aufklärung und Reformation im Islam, die bisher fehle. Dieses Argument ließ der Zentralratsvorsitzende nicht gelten, er bezweifelte, dass auf diese Weise eine Kontrolle von Religionsgemeinschaften möglich sei.

Das nächste Streitthema der beiden war die Kirchensteuer. Möller prangerte ihre unbegrenzte steuerliche Absetzbarkeit als kirchliches Alleinstellungsmerkmal an, während gleichzeitig die Regierungskoalition an fehlenden Haushaltsmitteln scheitere. Der christliche Politiker brach eine Lanze für das italienische Modell einer Kultursteuer, bei der man selbst entscheide, wofür sie eingesetzt werden solle. Aber man habe ja auch Vorteile davon, was die Kirche leiste, etwa durch ehrenamtliches Engagement oder die finanzielle Sicherung der Sozialdienste durch die Institution. Das war natürlich eine Steilvorlage für Philipp Möller: Er nannte es eine "Verdrehung live und in Farbe". Denn die sogenannte "Caritas-Legende", nach der die Kirchen das soziale Rückgrat der Nation seien, wird immer von Religionsvertretern vorgetragen, wenn es um die staatliche Finanzierung der Kirchen geht. Doch das sei "in jedem einzelnen Punkt falsch", so der konfessionsfreie Lobbyist.

Er zählte dann die Fakten auf, die hpd-Lesern bereits bekannt sein dürften: Dass in kirchliche Krankenhäuser kein Cent Kirchensteuer fließt, dass die übrigen Arten der sozialen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft zu 98,2 Prozent von der Allgemeinheit finanziert werden, dass überhaupt nur fünf bis 10 Prozent der Kirchensteuer an soziale Projekte geht, der Rest in Personalkosten, Verwaltung und Jugendarbeit, während die Kirchen gleichzeitig über ein geschätztes Privatvermögen von drei Billionen Euro verfügen. "Wenn morgen alle Menschen austreten würden, würde sich an der Verfügbarkeit von Sozialdienstleistungen nichts ändern", ist Möller überzeugt. Er forderte eine ersatzlose Streichung der Kirchensteuer, die in ihrem System noch auf den Nationalsozialismus zurückgeht. Die Religionsgemeinschaften sollten stattdessen ihre Mitgliedsbeiträge per Sepa-Lastschriftmandat selbst einziehen, sofern ein Vertrag mit geschäftsfähigen Personen (also nicht nur mit minderjährig Getauften) vorliege. Seiferlein relativierte diesen Punkt durch
den Hinweis, dass Eltern auch viele andere Entscheidungen für ihre Kinder
träfen, warb aber dafür, dass man das Religionsmündigkeitsalter von 14 Jahren, ab dem Jugendliche selbst aus der Kirche austreten können, bekannter machen sollte.

"Segensreiche Zusammenarbeit"?

An dieser Stelle wollte der Moderator von dem Theologen wissen, ob es legitim sei, dass es eine Bevorzugung religiöser Organisationen gegenüber anderen Verbänden gebe. Alfred Seiferlein sprach von einer "segensreichen Zusammenarbeit" von Kirche und Staat im Interesse der Menschen. "Was kann denn schlecht daran sein?", fragte er. Möller antwortete, dass es sich hier nicht um eine Kooperation handele, sondern um eine Klüngelei. Im sozialen Bereich gebe es kartellartige Zustände. Er nannte das verfassungswidrige eigene Arbeitsrecht der Kirchen, das neben anderen problematischen Elementen eine Mitgliedschaftsverpflichtung in der Kirche für Betriebe vorsehe, die der Staat bezahle. Das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen sei in ein Selbstbestimmungsrecht umgedeutet worden. Dies alles müsste man dann auch in gleicher Weise islamischen Verbänden ermöglichen. "Wollen wir das?"

Zumindest in der Sorge in Bezug auf die Entwicklung des Islam in Deutschland waren sich die beiden Diskutanten einig. Seiferlein äußerte sich auch offen ratlos, wie der Staat in einer pluralen Welt bei Problemen mit dem fundamentalen Islam reagieren solle. Und dann überraschend deutlich: Junge Männer aus islamischen Ländern brächten Traditionen mit, es könne jedoch hier keine Rolle spielen, ob etwas in Nordafrika anders gesehen werde. "Wer hier einwandert, muss die Grundregeln unseres Zusammenlebens akzeptieren." Man könne nicht Menschen aufgrund ihrer Religionsfreiheit neben das Grundgesetz stellen. Und Möller ergänzte: "Der Islam ist keine Konkurrenz für den Säkularismus, sondern eine Bedrohung." Vertreter des Politischen Islams kämen hier her, um ihre Gesellschaftsnormen einzuführen. Angesichts dessen sendeten wir mit Sonderregeln die falschen Signale und trauten uns nicht, eingewanderte Minderheiten zu kritisieren. Und wenn, dann nur auf menschenverachtende Weise.

Der Kirchenmann und konservative Politiker (links) und der konfessionsfreie Vertreter (rechts) auf der Bühne. Foto: © H. Sommer
Der Kirchenmann und konservative Politiker (links) und der konfessionsfreie Vertreter (rechts) auf der Bühne. Foto: © Karin Becker

Nach einer Pause mit Klaviermusik wurde im zweiten Teil das Publikum in die Debatte eingebunden. Bereits im ersten Teil, als das noch nicht vorgesehen war, hatte sich eine Besucherin mit lautstarken Zwischenrufen zu Wort gemeldet, da sie der Auffassung war, dass sich einfach alle Menschen an die Gebote des Christentums halten sollten und deshalb auch ihre eigene Sichtweise auf die Finanzierungsfrage hatte. Doch was, wenn der Glaube weltlichen Gesetzen widerspricht, wie etwa bei der Beschneidung von minderjährigen Jungen? Hier habe der Rechtsstaat gegen die Religionen verloren, findet der Vertreter des Zentralrats, während der Kirchenvertreter meinte, der deutsche Staat solle aus historischen Gründen beim Thema Beschneidung zurückhaltend sein – womit er einer vorherigen Aussage von sich widersprach.

Bei der Suizidhilfe offenbarte der Kirchenmann, der sich auch in der Politik engagiert, eine große Uninformiertheit. Er vermengte Begriffe, gab die üblichen angstmachenden Behauptungen der Selbstbestimmungsgegner wieder und pochte dabei auf die Menschenwürde, erntete aber vehementen Widerspruch des Publikums, das großteils wesentlich besser informiert war als er selbst und eine klare Haltung hatte. Das Menschenwürde-Argument kam wie ein Bumerang zurück. Der Moderator fragte Seiferlein: "Können Sie verstehen, dass es als übergriffig empfunden wird, wenn religiöse Überzeugungen Grundlage von Gesetzen werden?" Doch der Theologe ist der Auffassung, dass christliche Positionen nach wie vor Anklang in der Bevölkerung finden. Und er zitierte in seinem Schlusswort Ernst Bloch: Nur ein Christ könne ein guter Atheist sein. Helmut Fink konterte: "Vielleicht ist es entscheidend, ein guter Mensch zu sein, egal welcher Konfession."

Unterstützen Sie uns bei Steady!