Die Energiewende spaltet die Gesellschaft

Wer beim Kampf gegen den Klimawandel Wohlstandsverluste in Kauf nimmt, wird scheitern. Eine Einschätzung von Stefan Laurin.

Natürlich kann man die Energiewende als großen Erfolg sehen, der das Land in eine bessere Zukunft führt: Nachdem CDU und FDP sie 2011 mit Unterstützung der Grünen und der SPD beschlossen hatten, wurden nach und nach alle 17 Kernkraftwerke, die das Land übrigens mit CO2-freiem Strom versorgt hatten, heruntergefahren. Die letzten drei Reaktoren gingen dann im Frühjahr 2023 vom Netz. Das Aus für die Kraftwerke ging einher mit der Einstellung von Studiengängen, der Abschaltung von Ausbildungssimulatoren und einer Umstellung der Forschung. Aber Energiewende bedeutete nicht nur das Aus für die Kernkraft. Auch Kohlekraftwerke wurden abgeschaltet. Ja, Deutschland hat nach Polen und Tschechien die dritthöchsten CO2-Emissionen pro Kilowattstunde in Europa, aber das ist nach den Plänen der Politik ein Problem, das bald gelöst sein soll: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden, und das bedeutet auch, dass schon ab 2038 keine Kohle mehr verstromt werden soll. Da Wind und Sonne nicht gleichmäßig Strom liefern, sondern mal zu viel und mal zu wenig, sollen Speicher gebaut und grüner Wasserstoff produziert werden, damit in Zeiten der Dunkelflaute Energie nicht knapp wird.

Selbstverständlich ist das möglich. Deutschland kann sich allein mit erneuerbarer Energie versorgen. Allerdings sind sich von Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, bis zu taz-Redakteurin Ulrike Hermann auch die Befürworter dieses Weges darin einig, dass das nur möglich sein wird, wenn sich das Verhalten der Menschen in Deutschland ändert und sie bereit sind zu verzichten. Die Energiewende, so wie sie in Deutschland propagiert und umgesetzt werden soll, läuft auf massive Wohlstandsverluste hinaus und ist untrennbar mit dem Begriff der Postwachstumsökonomie verbunden.

Im Gegensatz zu den meisten Politikern, die sich nicht trauen, das den Bürgern zu sagen und sie zu fragen, ob sie das denn wollen, ist Ulrike Hermann in ihrem Buch "Das Ende des Kapitalismus" ehrlich. Grünes Wachstum ist für sie nur eine Illusion: "Eine grüne Wirtschaft würde also schrumpfen müssen, weil es nicht genug Ökostrom für alle Autos gibt, Flugzeuge nicht völlig klimaneutral sein können und der Ökosprit für Schiffe teurer wäre. Doch damit enden die Probleme noch lange nicht. Auch die Industrie kann sich nur mit Mühe von Öl, Gas und Kohle trennen. Sie sind nämlich nicht nur billige Brennstoffe, sondern zugleich nötig, um die chemischen Prozesse überhaupt in Gang zu bringen."

Millionen Jobs würden wegfallen, aber es gäbe ja auch Beschäftigungsalternativen: "In einer klimaneutralen Wirtschaft würde niemand hungern – aber Millionen von Arbeitnehmern müssten sich umorientieren. Zum Beispiel würden sehr viel mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und auch in den Wäldern benötigt, um die Folgen des Klimawandels zu lindern." Und klar: "Leider wird es ohne Verbote nicht gehen."

Wohlstandsversprechen ist von zentraler Bedeutung

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, wie die Menschen in diesem Land auf eine solche Politik reagieren werden. Parteien wie die AfD werden sich über große Zuwächse freuen. Es wäre das Ende der demokratischen und Offenen Gesellschaft, denn Menschen hassen Wohlstandsverluste und sind nicht bereit, sie über einen längeren Zeitraum hinweg zu akzeptieren. Schon die beginnende Deindustrialisierung in Deutschland, die viel mit den hohen Energiepreisen zu tun hat und ja von Patrick Graichen, Robert Habecks ehemaligem Staatssekretär, als notwendige Folge der grünen Energiepolitik bezeichnet wurde, trägt zu einer politischen Verschiebung bei.

In Krisenzeiten ist man bereit, den Gürtel enger zu schnallen, aber auch nur, wenn es eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt. Hermanns Vorbild für Deutschland ist die britische Notwirtschaft während des Zweiten Weltkriegs. Das hat tatsächlich gut geklappt, aber auch nur, weil die Briten um ihre Freiheit kämpften und wussten, dass nach einem Sieg die Zeiten besser werden.

Die Vorstellung, 80 Millionen Deutsche werden zu glücklichen Veganern, die ihre knappe Freizeit, die sie nach ihrer Arbeit im Wald oder auf den Feldern mit einem verzückten Lächeln in Repair-Cafés zubringen werden, um eine 20 Jahre alte Jeans zu flicken, ist entweder dumm, naiv oder von monströser Bösartigkeit. Denn man gönnt den Menschen nicht das Leben, das sie sich wünschen. Und dass es ein Leben in Wohlstand ist, zeigen allein schon die Flüchtlingsströme. Wer kann, flieht in reiche Länder.

Wachstum und Wohlstand sind die Grundlage für soziale Sicherungssysteme, eine gute medizinische Versorgung, Schulen, Universitäten und leistungsstarke Forschungseinrichtungen. Das Versprechen von Wohlstand gehört nach Ansicht des Soziologen Aladin El-Mafaalani zu den wenigen Faktoren, die die "superdiverse" deutsche Gesellschaft überhaupt noch zusammenhalten. Bricht dieses Wohlstandsversprechen weg, könnten Verteilungskämpfe beginnen, wie sie die Bundesrepublik noch nicht erlebt hat.

Aber das ist nicht alles: Ein armes Deutschland würde zum Beispiel sehr schnell zwar nicht alle, aber viele Mediziner verlieren, die im Ausland bessere Einkommensmöglichkeiten hätten. Dasselbe gilt für Ingenieure, Facharbeiter und Handwerker. Hier bliebe, wer keine berufliche Alternative hat oder nicht genug Geld, um sich abzusetzen.

Was können wir also tun?

Was können wir also tun, um auf den Klimawandel zu reagieren und zugleich unseren Wohlstand zu erhalten? Wir setzen auf Technologie und denken wirtschaftlich. Zum einen müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden wie die Netze. Beides muss schnell gehen und darf nicht zu viel kosten. Die notwendigen Stromleitungen, die die Windparks an der Küste mit den Industriegebieten im Inland verbinden, müssen natürlich schnell und preiswert über Land gebaut werden und nicht wie heute unterirdisch. Es ist ökologischer, in Deutschland Gas zu fracken, als gefracktes Gas zu importieren.

Carbon Capture Storage und Direct Air Capture sollten, wie vom Weltklimarat schon 2005 empfohlen, endlich auch in Deutschland genutzt werden. CO2 wird bei diesen Technologien gesammelt und am Ende unterirdisch gelagert.
Deutschland sollte, wie alle wohlhabenden Staaten, arme Länder dabei unterstützen, solche Technologien ebenfalls einzusetzen.

Die abgeschalteten Kernkraftwerke werden wohl nicht wieder ans Netz gehen können, aber rechtlich muss der Bau von neuen Reaktoren, auch den in der Entwicklung befindlichen "Small Modular"-Reaktoren, ermöglicht werden. Die Forschung im Bereich Kernfusion muss intensiviert werden.

Fleisch aus Zellkulturen könnte die Massentierhaltung beenden, gentechnisch optimierte Pflanzen die Effektivität in der Landwirtschaft erhöhen, so dass mehr Flächen für Wälder und Moore zur Verfügung stehen.

Die rasanten Fortschritte bei der Künstlichen Intelligenz eröffnen die Möglichkeiten, in deutlich kürzerer Zeit Ergebnisse zu erzielen, als es bislang möglich war. Schon die Entwicklung von Corona-Impfstoffen in Rekordzeit vor vier Jahren gelang nur durch KI-Unterstützung. Und seit 2021 hat sich viel getan. KI ist ein Forschungsturbo.

Der Menschheit geht es so gut wie noch nie

Technik und Kapitalismus haben in den vergangenen Jahrhunderten dazu geführt, dass es der Menschheit heute so gut geht wie noch nie, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese Phase nun beendet ist. Zudem ist das, was ich beschrieben habe, der Weg, den fast alle Länder dieser Welt gehen. Dass die Deutschen klüger als alle anderen sind, ist wenig wahrscheinlich.

Die deutsche Version der Energiewende ist geprägt von einem ökoautoritären Denken, das einen neuen Menschen schaffen will. Er soll Verzicht üben und Buße tun. Das werden die Menschen nicht mitmachen. Eine Klimapolitik, die das verlangt, werden sie ablehnen. Technik und Kapitalismus bieten die Lösungen. Gegen den Klimawandel und Armutsprediger.

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