Und der etwas andere Blick

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Photo: Arno Declair, Eröffnungszene

BERLIN. (hpd) Fettleibigkeit, Mobbing, politischer Absturz, Transvestismus, Pädophilie, Alkoholsucht, Geldnot, Selbstmord – Kapitulation auf allen Ebenen wurde im zweiten Teil von „Geschichten von hier“ am Dienstagabend dem Publikum vorgeführt, entsprechend heißt das Stück auch „Kapitulation“ – Wie ist es jedoch möglich in nur zwei Stunden diese Bandbreite an Themen abzudecken?

 

 

Der kleine Saal ist wieder gefüllt, auch die seitlichen Stufen sind besetzt.

Szene 1: Ein kleines Mädchen spielt Geige - musikalisch nicht sehr ausdrucksvoll, ein Lied von Edvard Grieg.


Szene 2: Ein Paar steht vor der Wand. Er erzählt von seinen Versuchen Geld zu verdienen, deren Scheitern geprägt ist von unkontrollierten Nickerchen, vergleicht sich mutig mit Alexis Sorbas und ist zugleich beschämt - nein, Alexis Sorbas, der griechische mittlerweile zum Held gewordene Lebenskünstler aus Kazantzakis Roman, war im völligen Einklang mit seiner Welt und sich, aber er hat auch gekämpft, so wie er - vielleicht ein bisschen. Dann fängt sie an zu erzählen, wie sie als Kind von ihrer Klasse gemobbt wurde, „LLLLaura“. Wie schön, dass sie zueinander gefunden haben.

Szene 3: Das Bühnenbild erscheint, es ist das gleiche wie in „Glaube Liebe Hoffnung“ – nur steht inmitten des Zimmers ein quadratischer Raum mit zwei Glaswänden, nach vorne hin offen - symbolisiert es die dritte Dimension, die Kapitulation? Eine Dimension, die gerne ignoriert wird? Der dritte Hauptdarsteller, Michael Gerber, stellt sich vor das Publikum. Mit monotoner Stimme erzählt er von seiner gescheiterten politischen Karriere. Es stellt sich heraus, dass er Heide Simonis darstellt – warum stellt ein Mann Heide Simonis dar? War sie männlich? War sie ein Transvestit? Nein. Die anderen zwei Darsteller, Anna Blomeier und Alexander Khuon, stehen im Hintergrund, abwechselnd stellen sie Michael Gerber alias Heide Simonis Fragen. Darstellerisch gut inszeniert, doch warum gerade Heide Simonis? Der Kampf und die Kapitulation als Frau in der Politik nach ganz oben zu gelangen? Wie lange es dauere, ein neues Leben zu beginnen wird er alias sie gefragt. „ Das dauert lange“, melancholische Musik ertönt, die Holzwand ersetzt das Zimmer.

Szene 4: Erst Michael Gerber, dann die anderen zwei, stehen in einer Reihe, entweder Augen zu oder ein melancholischer Blick, die passende Musik ertönt – die Männer fangen an zu tanzen, Khuon singt das Lied auf deutsch mit - Anna Blomeier ist zu verkrampft zum Tanzen. Soll das ein Befreiungsakt werden? Das Publikum ist amüsiert – ja, es ist ganz nett. Stille - dann „ Das schlimmste, was mir passiert ist…“ –noch eine Portion Melancholie. Und sie erzählen alle drei von unangenehmen Erlebnissen, wie sie etwa im Stuhl stecken blieb, ihm der Stuhl krachte oder der Sitz im ICE zu eng für zwei Dicke nebeneinander war. Ja, es geht um Kapitulation. Aber war nicht angekündigt, dass Kapitulation hier als eine Chance für neue Möglichkeiten dargestellt werden soll?

Szene 5: Alle drei im Zimmer: Ja, sie wurde hochschwanger alleine gelassen und nein, sie hätte aufgegeben, um die Liebe zu kämpfen, die es nicht gibt. Liebeskummer? Nein, nie wirklich gehabt. Neben ihr sitzt ihr Partner, ein alter seniler Mann. Die Bühne wird zwei Mal gedreht - warum?

Szene 6: Anna Blomeier schafft es, das Publikum in den Bann der Schachspielkunst zu ziehen – der Balanceakt zwischen verlieren und gewinnen, der Drang, diesen einen strategischen Zug auszuprobieren, und dann die Kapitulation - oder auch der Sieg.