GEMÜNDEN. (hpd) ER kommt! Und da gibt es Menschen, die ihn nicht sehen und nicht hören wollen. Im Lager des Glaubens bricht Panik aus. Die vatikanische Konfession reagiert, wie sie es gewohnt ist: mit aggressiver Häme und mit ihrer „Moral“, die sie uns als „Anstand“ verkaufen will.
Wer gegen den Papstbesuch ist, muss wenigstens schwul sein, SPD-Abgeordneter oder von der Partei Die Linke. Von solchen sind wir es gewohnt. Sie lassen die mindeste Rücksicht auf den „Landsmann“ vermissen, der immerhin „Oberhaupt der Katholischen Kirche“ und „Staatsoberhaupt des Vatikan“ ist. Nicht mehr und nicht weniger.
Argumente, die dafür sprechen, gegen den Mann aus Marktl am Inn zu demonstrieren oder seiner Rede im Bundestag fern zu bleiben, gelten unter Jubelpersern nicht. Warum auch? Denken und die Meinung Andersdenkender zu achten, ist Sache dieser marktl-schreierischen Existenzen nicht.
Allen voran der unbedarfte Greis, der das Nichts, das er vertritt, in einem Buch unter der Marke "Mein Bruder, der Papst" vermarktelt. Mehr ist da nicht. Wäre er doch unter seinen Domspatzen geblieben – doch auch in dieser Vergangenheit ist nicht alles Gold, was glänzt ... Lassen wir ihm sein schlichtes Gemüt.
Und am besten auch den übrigen Jubelpersern, die zwar nicht mehr mit Dachlatten dreinschlagen dürfen und deren Scheiterhaufen auch nicht mehr richtig brennen, die aber mit Moral, Anstand und Etikette um sich schlagen können. Igitt, wie kann ein Mensch, der seinen Namen verdient, nur gegen Joseph Ratzinger sein?
Erzbischof Zollitsch fordert "Noblesse und Freundlichkeit" und rügt alle, die anders denken. Als ob Noblesse und Freundlichkeit ausgerechnet katholische Haltungen wären - historisch wie aktuell.
Von dieser Seite braucht sich niemand etwas sagen zu lassen. Ganz im Gegenteil. Belehrungen in Sachen Demokratie und Menschenfreundlichkeit benötigen wir von den Vertretern der letzten absoluten Monarchie in Europa am allerwenigsten. Der Papst, der durchaus anders könnte als er es tut, ist kein Wegweiser.
Ist dieser Mann nicht „Oberhaupt“?
Ich kann nicht anders, als auf eine Petitesse hinzuweisen: Der Apostel Paulus, alles andere als unser Mann, hat immerhin seinen Christus das „Haupt“ der Kirche genannt. Doch das reichte den wahren Gläubigen nicht. Es musste ein „Oberhaupt“ sein. Wir lernen, dass die Kirche sowohl ein Haupt hat als auch ein Oberhaupt, und fangen an nachzudenken.
„Oberhaupt“ ist im Übrigen ein typisch patriarchaler Begriff: Patriarchales Denken strebt immer nach oben, wie es sich selbst bestätigt. Frauen, zum Beispiel, bleiben unten, im Dunkel ihrer Körperlichkeit. Patriarchen errichten dagegen phallische Denkmäler, zeigen sich nicht ohne Grund mit Stäben in den Händen, leben auf Podesten und so fort.
Bei so viel Streben kommt eben das Denken zu kurz: Ist ein „Haupt“ nicht schon oben? Nein, es muss ein „Oberhaupt“ sein. Also noch einen Widersinn drauf gesetzt, dann sind die Herren zufrieden. Dann ist ihre Urangst, von jemand anderem, womöglich einer Frau, getoppt zu werden, beseitigt.
Dann kann auch die Lichtgestalt aus dem Vatikan gebührend bejubelt werden. Das Oberhaupt, der Glaubensführer ist da. Und wehe, es finden sich Leute, die alles anders sehen. Wie gesagt, solche Untermenschen müssen mindestens schwul sein oder sonst wie gestört, sonst wüssten sie, was Anstand ist, wie ein Mensch sich gegenüber einem Oberhaupt benimmt.
Ich arbeite daran, dass die Zeiten nie mehr zurückkommen, da uns mit Feuer und Schwert katholischer Anstand beigebracht wurde.
Horst Herrmann