BERLIN. (hpd/pres) Am Mittwochabend, 5. August 2015, wurde von der Initiative "Land der Ideen", die von Bundesregierung und Wirtschaft getragen wird, die Medienplattform netzpolitik.org für ihren "Blog für digitale Bürgerrechte – netzpolitik.org" mit dem Preis "Ausgezeichneter Ort 2015" und der Unterschrift des Bundespräsidenten Joachim Gauck ausgezeichnet. Jetzt geht die Netzpolitik-Affäre aber in die nächste Phase.
Dass eben diese beiden Journalisten mit ihrem Blog im Zentrum einer Affäre um Ermittlungen wegen "Landesverrats" stehen würden und sogar damit Deutschlands Generalstaatsanwalt stürzen würde, konnte die Initiative nicht erahnen, als man die Journalisten mit einer Auszeichnung bedachte. Offenbar wusste auch das Innenministerium frühzeitig von den Ermittlungen gegen die beiden Journalisten.
Nicht nur im Justizministerium, sondern auch im Bundesinnenministerium war offenbar seit Monaten bekannt, dass gegen die beiden Journalisten und ihrem Blog wegen Landesverrats ermittelt wurde. Das räumte auch ein Pressesprecher am Donnerstag ein. Es lag demnach auch das umstrittene Gutachten aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz, welches vom Berliner Landeskriminalamt angefordert worden war und die Ermittlungen eingeleitet hat, dem Innenministerium vor. Es habe aber keine Reaktion des Innenministeriums gegenüber dem ihm unterstellten Verfassungsschutz gegeben, weil man die Rechtsmeinung vertrat, dass der Landesverrat von Geheimnissen vorliege und dies für "vertretbar" gehalten habe.
Bisher hatte das Innenministerium von Thomas de Maizière (CDU) stets behauptet, höchstens allgemein von den Absichten des Verfassungsschutzes gewusst zu haben, wegen des Veröffentlichens von geheimen Dokumenten Anzeige zu erstatten. Nun ist klar, dass das Innenministerium auch darüber informiert war, dass konkret wegen angeblichen Landesverrates gegen die Journalisten Markus Beckedahl und André Meister vorgegangen werden sollte.
Von den Oppositionsparteien des Bundestages und der SPD hat es bereits Kritik am Innenministerium vor einem "Wegducken" gegeben. Die Kritik richtet sich jetzt auch gegen den Verfassungsschutz sowie den Kriminalämtern.
Obwohl sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Streit um die Entlassung von Generalstaatsanwalt Harald Range durch Justizminister Heiko Mass (SPD) hinter ihm gestellt hatte, gab es seitens ihrer Partei Kritik am Justizministerium.
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zumindest warf dem Inlandsgeheimdienst vor, sich wohl einem investigativen Blog als Opfer gesucht zu haben, um abzuschrecken. Es wurde von der Opposition und teilen der SPD gefordert, Journalisten aus dem Straftatbestand des Landesverrates herauszunehmen, um ähnliche Fälle zu verhindern. Die Pressefreiheit ist als hohes Gut unseres Grundgesetzes weiter zu gewährleisten.
Erstveröffentlichung: Pressenza