Norbert Denef, ein Missbrauchsopfer, ist im Hungerstreik: So will er erreichen, dass die SPD sich für die Abschaffung der Verjährungsfristen einsetzt.
Der Gedanke an den Selbstmord ist ein großer Trost. Denn er hilft uns, sagt Nietzsche, über die Verzweiflung hinweg. Denn er steht als letzte Wahl, sagt Schiller, auch dem Schwächsten offen. Und vielleicht ist er das einzige Stück Freiheit, sagt Stefan Zweig, das man sein ganzes Leben ununterbrochen besitzt. Dass der Selbstmord keine Verzweiflungstat und keine Sünde ist, sondern Freiheit bedeutet, dieser Gedanke kursiert im Abendland schon seit der Antike. Und doch bleibt Gewalt gegen sich selbst eine Provokation. Denn der Einzelne, der sein Leben absichtlich beendet oder gefährdet, setzt alle ins Unrecht. Er weckt ihr schlechtes Gewissen. Er erzeugt Zorn.
So erlebt es jedenfalls Norbert Denef, der nun seit vierzehn Tagen im Hungerstreik ist.
Er sagt, dass viele Menschen wütend auf seinen Protest reagieren. Denef ist Sprecher des deutschlandweit größten Verbandes von Missbrauchsopfern netzwerkB und verweigert momentan jede Nahrung, weil er die gesetzlichen Zustände in diesem Land für die Betroffenen unaushaltbar findet. Und weil er sich von der SPD verraten fühlt.
Die Zustände: Sexuelle Gewalt verjährt im Strafrecht nach zehn Jahren und im Zivilrecht nach drei Jahren. Weil aber Missbrauchsopfer aus Scham oft jahrelang schweigen, werden die Täter nicht rechtzeitig angezeigt. Man kann sagen: Hier kollidiert das geltende Recht mit der Psychologie der Opfer.