Gymnasium als Mittler für Luther-Dekade

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Gymnasium St. Augustin in Grimma / Foto: wikipedia (Joeb07)

GRIMMA. (hpd) Die Sächsische Staatsregierung und das Direktorium eines staatlichen Gymnasiums begrüßen die Nutzung einer Schul-Plattform für religiöse Zwecke. Anfang Oktober gaben die sächsischen Medien bekannt, dass die Onlineplattform „Impuls-Reformation.de“ zum Luther Gedenkjahr 2017 eröffnet wurde.

Bericht und Kommentar von Elke Schäfer

Im vergangenen Schuljahr hatte der Direktor des Gymnasiums „St. Augustin“ Grimma (wohl bemerkt eines staatlichen Gymnasiums) ein Gespräch mit dem Leiter des Theologisch-Pädagogischen Instituts der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, aus dem sich die Idee einer Veranstaltung an diesem Gymnasium in Vorbereitung der „Luther-Dekade" entwickelte. Vielleicht kommt da doch der historische Ursprung des Gymnasiums wieder durch, als es im 16. Jhd. als eine der drei sächsischen Fürstenschulen für den Beamten- und Theologennachwuchs in Kursachsen sorgte? Fühlt sich der Direktor etwa diesem Anspruch verpflichtet? Falls ja, dann ist er wohl am falschen Gymnasium.

Im Grundgesetz ist die Trennung von Staat und Kirche festgelegt und wurde aus Art. 137 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung übernommen: „Es besteht keine Staatskirche.“ Aus der Historie heraus ist eine institutionelle Verflechtung von Staat und Kirche, eine Identifikation des einen mit der anderen unzulässig. In aller Konsequenz heißt dies: Staat und Kirchen dürfen sich nicht innerhalb einer Institution treffen, sofern eine Kooperation nicht ausdrücklich vom Grundgesetz zugelassen ist (wie etwa beim Religionsunterricht durch Art. 7 Abs. 3 GG). Danach erscheint der Religionsunterricht als Ausnahme eines für die Staatsorganisation grundlegenden Prinzips.

Kultusministerin Brunhild Kurth und Landesbischof Jochen Bohl haben am 1. Oktober 2012 im Gymnasium St. Augustin in Grimma den elektronischen Startschuss für diese Onlineplattform gegeben. Neben einer interaktiven Landkarte, auf der Veranstaltungen, Materialien und Informationen zu finden sind, gibt es Wettbewerbe und Fortbildungs­angebote rund um das Luther-Jubiläum 2017 anlässlich der 500-Jahr-Feier zur Reformation. Auf dieser Online-Plattform können sich Schüler, Lehrer, Institutionen und interessierte Bürger als Akteure registrieren und eigene Forschungs­ergebnisse und Einladungen zu zentralen Stätten und Themen zur Reformation einstellen.

Die Onlineplattform ist ein gemeinsames Projekt des Sächsischen Kultus­ministeriums und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Das Kultus­ministerium widmet sich hier mit großem Aufwand etwa einem Fünftel der Bevölkerung, wobei andere bildungs­politische Aufgaben wieder mal ins Hintertreffen geraten.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken Rico Gebhardt erinnerte kürzlich angesichts des vorgestellten Haushalts­planes 2013/2014 an die anstehenden Bildungsaufgaben: „Zu den Pflichten der Landesregierung würde es jetzt gehören, ihre bildungs­politische Irrfahrt zu beenden, deren Ziel lautet: CDU und FDP wollen in Sachsen die besten Schulen mit den deutschlandweit am schlechtesten bezahlten Lehrerinnen und Lehrern schaffen, ganz zu schweigen von den defizitären Arbeits­bedingungen. Das funktioniert nicht! Für die Schule brauchen wir eine viel größere Anzahl an Referendar­stellen und deutlich mehr Einstellungen von Lehrkräften. Die jetzt im Haushalt eingestellten Mittel für „Unterrichts­garantie“ in Höhe von 2,8 bzw. 4,1 Mio. Euro, um Vertretungs­kräfte mit und ohne Lehr­befähigung durch die Schul­leiterinnen und Schul­leiter einstellen zu lassen, sind Folge der verfehlten Schul­politik der letzten Jahre. Mit welchem Standort­vorteil will Sachsen im Wettbewerb um die immer mehr umworbenen ausgebildeten Referendare kämpfen? Gehalt: Fehlanzeige. Kleine Klassen: Fehlanzeige. Durchlässige Bildungsangebote: Fehlanzeige. Hochtechnologien im Unterricht: Fehlanzeige. Und die Ministerin philosophiert im Fernsehen: Man müsste mal was tun …“ Was tut „Frau“? Eine Reformations-Plattform an einer Schule eröffnen!

Hier wird das Portal einer öffentlichen, staatlichen Einrichtung benutzt, um Luthers Reformation zu ehren, in einem Bundesland, in dem nur etwa 20 % (Ende 2011) der Bevölkerung evangelische Christen sind. Und wenn man sich die Online-Plattform ansieht, ist ersichtlich, dass der Träger das Theologisch-Pädagogische Institut (TPI) in Moritzburg ist. Das Konzept für die Website wurde in Zusammen­arbeit mit dem Sächsischen Bildungs­institut (SBI) erarbeitet. Hier wird nun die enge Verflechtung zwischen Staat und Kirche besonders deutlich. Jungen Leuten werden hier durch ein modernes Medium, mit dem sie gern umgehen, was ihnen Spaß macht, eindeutig religiöse Themen nahegebracht. Ein Schelm, wer dabei an Missionierung denkt.

Kenntnisse der Geschichte verarbeiten und Sichtweisen dazu vermitteln gehört zu den Aufgaben einer Lehranstalt, wobei hier noch nicht mal klar ist, ob es eine kritische Aufarbeitung der Persönlichkeit Luthers geben wird oder nur eine Glorifizierung. Sich aber für Werbezwecke vor den Karren einer Religion spannen zu lassen, gehört nicht zur Funktion einer solchen Schule. Dies hat nichts mit Religions­freiheit zu tun. Luthers Reformation als christliche Erneuerungs­bewegung im 16. Jhd., die in ihrer zentralen Auffassung von einer Erlösung durch den Glauben ausgeht und nicht die Taten der Menschen in den Mittelpunkt stellt, kann mit moderner (Aus-)Bildung nichts zu tun haben.

Der Direktor des St. Augustin-Gymnasiums ist stolz, „dass das Gymnasium seine Bedeutung und seine beachtlichen Möglichkeiten nachweisen kann”. Doch wofür? „Dass sich die Veranstaltung gleichzeitig als Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer Sachsens, aber natürlich auch für kirchliche Mitarbeiter versteht, macht uns stolz. Selbstverständlich sind Schüler unserer Schule aktiv beteiligt. Die Klassen 8/1 und 8/3 werden in Workshops die Leistungsfähigkeit der Schüler in den Fächern Geschichte, Musik und selbstredend auch im Fach Evangelische Religion unter Beweis stellen.“ Recht eigenartig verstandener Lehrauftrag an einem staatlichen Gymnasium!

Klar, dass sich der Landesbischof Jochen Bohl freute, eine solche Bühne gefunden zu haben, auf der besonders junge Leute, die ja der evangelischen Kirche nahezu abhanden gekommen sind, tummeln (jährlich lassen sich nur etwa 0,5 % der Gemeindeglieder konfirmieren). Profilierte Bildungsangebote in den Regionen, Schulen, Gruppen und Kirchgemeinden thematisierten die Auswirkungen der Reformation auf das Leben in Gesellschaft und Kirche, in Geschichte und Gegenwart und hätten auf dem Online-Portal endlich einen Platz, um gesehen zu werden, so Bohl. Kostenlose Werbefläche für die Kirche?

Bohl ist weiterhin der Auffassung, dass „Martin Luther und mit ihm der ‚Lehrer Deutschlands’ Philipp Melanchthon und viele andere im Jahrhundert der Reformation Impulse für die Kirche und den Glauben, aber auch für Gesellschaft und Bildung gesetzt [haben], deren Ergebnisse heute, nach 500 Jahren, kraftvoll inspirierende Wirkungen entfalten“. Hier kommt wieder mal der oft beschworene Mythos von Kirche als Förderer von Bildung und Kultur zum Tragen.

Die Anwesenheit der Staatsministerin für Kultus, Frau Kurth, sowie des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, Herrn Bohl, lässt deutlich werden, dass sich hier die Staatsregierung und das Kultusministerium vor den Religionskarren hat spannen lassen. So sagte Frau Kurth: „Ich bin mir sicher, die Schüler und Lehrer werden die Onlineplattform mit Leben füllen und sie kreativ nutzen. Die Jugendlichen werden zum eigenen recherchieren über Unterricht und Lehrbuch hinaus und zur Zusammenarbeit mit Museen, Kirchgemeinden und Bibliotheken angeregt. Dies können ganz spannende Entdeckertouren werden, bei denen sich – wie einst bei Martin Luther – Weggefährten finden und vernetzen können.“ Auf diese Weise leiste das interaktive Portal einen wichtigen Beitrag zur Medienbildung, will die Ministerin deutlich machen.

Im Anschluss an die offizielle Eröffnung der Plattform gab es einen gemeinsamen Rundgang durch die Schülerworkshops „Reformation und Musik“ im Gymnasium St. Augustin in Grimma. Parallel hatte unter der Überschrift "DenkWege zu Luther – Projekte und Unterricht zur Reformation" eine Lehrer­fortbildung für die Fächer Evangelische und Katholische Religion, Ethik, Philosophie, Geschichte, Gemeinschaftskunde und Musik an Mittel­schulen und Gymnasien begonnen ...

Und das alles findet nicht an einem evangelischen sondern an einem staatlichen Gymnasium statt!

Schaut man sich die Akteure an, findet man noch mehr Mitstreiter, für die eigentlich die Trennung von Staat und Kirche ureigenstes Interesse sein sollte, wie z. B. das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt, das Sächsische Staats­ministerium für Kultus, welches innerhalb der Sächsischen Staats­regierung schwerpunkt­mäßig für Bildung und Erziehung im vorschulischen, schulischen und berufsbildenden Bereich verantwortlich ist; das Thüringer Institut für Lehrer­fortbildung, Lehrplan­entwicklung und Medien (Thillm), das alle Schularten zur Qualitätssteigerung der Bildung in Thüringen zu beraten hat; und das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden. Für sie alle kann und sollte zwar Luther als historische Persönlichkeit nicht außer Acht gelassen werden, aber das übersteigerte Engagement für Luther als Reformator und Religionspersönlichkeit sollte den kirchlichen Einrichtungen überlassen bleiben und hat nichts im staatlichen Unterricht zu suchen. Dies ist ein falsch verstandener Bildungsauftrag.

Das es dabei um rein kirchliche Angelegenheiten geht, wird aus den Erwartungen und Wünschen von Landesbischof Bohl deutlich: „Hatte die Reformation in ihrer Zeit um Glaube, Freiheit und die Gestaltung des öffentlichen Lebens gerungen, so suchen Heranwachsende und Bildungsakteure heute Antworten auf diese Fragen für unsere Zeit.“ Jochen Bohl hoffe, „dass die Onlineplattform die Vorbereitungen auf das Jahr 2017 verstärkt und neue Impulse bewirkt“ ... und natürlich mehr junge Kirchenmitglieder.