Im Dezember 2012 gibt es in Deutschland 234 Waldorfschulen, die nach der von Rudolf Steiner entwickelten Waldorfpädagogik unterrichten. Sie versprechen freieres und ganzheitliches Lernen mit „Kopf, Herz und Hand“ als Alternative zur öffentlichen Schule. Doch ist die Waldorfschule wirklich frei?
Von unserem Gastautor André Sebastiani.
Die Waldorfpädagogik ist mit der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861–1925) untrennbar verbunden. Steiner entwickelte sein pädagogisches Konzept auf der Basis seiner anthroposophischen Lehre. Die Anthroposophie, die „Weisheit vom Menschen“ (griech. ánthropos = Mensch; sophίa = Weisheit), bezeichnet die ganzheitliche, „kosmologische“ Anschauung des Menschen und behauptet, eine Anleitung zu dessen Selbst- und Welterkenntnis zu liefern.
Nach Steiner ist die Anthroposophie eine „Geisteswissenschaft“, eine wissenschaftliche „Ergänzung zu den Naturwissenschaften. Sie will dem materiellen Wissen die unsichtbaren geistigen Aspekte hinzufügen“. Neben der materiellen Welt, auf die die herkömmlichen Naturwissenschaften beschränkt sind, gibt es nach anthroposophischer Vorstellung noch eine geistige kosmische Welt, die unseren Sinnesorganen verborgen bleibt.
Die Anthroposophische Gesellschaft Frankfurt schreibt auf ihrer Homepage: „Alles im Kosmos und unserer Welt ist Materie und Geist! Wo Materie ist, ist immer auch Geist. Geist ist das Primäre, der Ursprung, aus dem alles Materielle entstanden ist.“ Mensch und Kosmos sind darüber hinaus gleichartig, oder, wie Klaus Prange treffend formuliert: „Der Mensch ist im kleinen ein Kosmos, der Kosmos im großen ein Mensch. Welt, Natur, und Geschichte sind ein genaues Pendant des Menschen, der Mensch deren Synthese en miniature.“ (2000, S.64) Die Anthroposophie will die „Geistorgane“ des Menschen schulen, um ihn zum Zugriff auf die geistige Welt und damit zu höheren Erkenntnissen zu befähigen.