Bremen und das Feiertagsgesetz – Ein Kommentar

Mit Religionsgemeinschaften auf Kuschelkurs

1200px-bremische_buergerschaft66411_kopie.jpg

Bremische Bürgerschaft

Bremen ist dabei, sein Feiertagsgesetz zu ändern. An sich eine gute Nachricht, möchte man meinen. Doch was ein Schritt hin zu einer moderneren Gesetzgebung sein könnte, entpuppt sich als groteskes Hofieren von Religionsgemeinschaften.

Drucksache 19/1204 der Bremischen Bürgerschaft vom 22.08.2017 trägt den wenig aufsehenerregenden Namen "Bericht der staatlichen Deputation für Inneres gemäß Beschluss der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vom 9. März 2017 zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage (Drs. 19/917)". Doch was diese Drucksache enthält, ist explosives Material. Jedenfalls für Menschen, die die Trennung für Staat und Kirche für erstrebenswert halten.

Bereits 2013 hatte Bremen sein Feiertagsgesetz überarbeitet. Jenes Gesetz also, in dem geregelt ist, was an bestimmten Feiertagen im Land verboten ist. Diese sogenannten stillen Feiertage sind zum größten Teil christlich-religiöse Feiertage. An ihnen sind "öffentlich bemerkbare Arbeiten, die die äußere Ruhe stören oder dem Wesen der Sonn- und Feiertage widersprechen", verboten. Dazu gehören auch "sportliche, turnerische und ähnliche Veranstaltungen" sowie "Veranstaltungen, Handlungen, Versammlungen unter freiem Himmel und öffentliche Aufzüge, durch die der Gottesdienst unmittelbar gestört wird". Am Karfreitag, Volkstrauertag und Totensonntag wird das Gesetz noch schärfer. Verboten sind hier auch " alle anderen öffentlichen Veranstaltungen, sofern bei ihnen nicht der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist" – mit anderen Worten: verboten sind auch Veranstaltungen in geschlossenen Räumen, sofern bei diesen nicht das Hinscheiden des Namensgebers des Christentums betrauert wird.

Als Bremen 2013 sein Feiertagsgesetz änderte, war von einer Liberalisierung des Gesetzes zu lesen. Doch das Land Bremen war keineswegs endlich in der Realität des 21. Jahrhunderts angekommen, in der stille – und insbesondere religiös bedingte stille – Feiertage kaum noch jemanden interessieren. Lediglich die Zeiten, in denen die Verbote an den stillen Feiertagen gelten, wurden etwas gelockert. Am Volkstrauertag und am Totensonntag musste nun nicht mehr von 4:00 bis 17:00 Uhr im öffentlichen Raum Stille herrschen, sondern nur von 6:00 bis 17:00 Uhr. Am Karfreitag wurde das Verbot für Veranstaltungen sogar von ursprünglich 4:00 Uhr bis 4:00 Uhr am Folgetag auf 6:00 bis 21:00 Uhr verkürzt.

Doch das Gesetz wurde damals auch um weitere religiöse Feiertage ergänzt. Allerdings um ‚Second-Class’ Feiertage, wenn man so will. Feiertage, an denen nicht alle überall still zu sein haben, damit die Christen ihre Trauer-Feste feiern können, sondern Feiertage, an denen man nur "in der Nähe der gottesdienstlichen Häuser und Räume des jeweiligen Bekenntnisses alle Veranstaltungen und Handlungen zu unterlassen" hat, "durch die der Gottesdienst unmittelbar gestört wird". Darüber hinaus muss an diesen Feiertagen jeder Arbeitgeber Angehörigen der entsprechenden Religion Gelegenheit geben, am Gottesdienst teilzunehmen, und Schulen haben Angehörigen dieser Religion freizugeben. In seiner ursprünglichen Fassung von 1954 enthielt das Gesetz unter dieser Rubrik nur christliche Feiertage. Doch die Zahl dieser Feiertage wurde in den letzten Fassungen des Gesetzes ergänzt um 13 jüdische Feiertage und 8 islamische Feiertage. Sie alle sind übrigens variabel und berechnen sich nach dem jüdischen bzw. islamischen Mondkalender, den nicht jeder jederzeit im Kopf haben dürfte.

Der Bericht der staatlichen Deputation für Inneres lobt all diese Änderungen und empfiehlt, sie in der neuen Fassung des Gesetzes dauerhaft beizubehalten. Insbesondere die Verkürzung der verordneten Stillezeiten sei "ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Interessen in einer heterogenen und multireligiösen Großstadt".

Nein, ist sie nicht. Dieses Gesetz zeigt in vielfacher Hinsicht, dass eine der größten weltanschaulichen Gruppen überhaupt keine Berücksichtigung findet. 38,9% der Bevölkerung des Landes Bremen gaben beim Zensus 2011 an, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Und diese Gruppe wächst, während die Zahl der Christen stetig abnimmt. Und selbst unter den Taufscheinchristen dürfte nur noch ein geringer Prozentsatz sein, der christliche Feiertage still und in religiöser Kontemplation verbringen möchte.

Besonders grotesk wird es jedoch bei der expliziten Aufnahme der Feiertage von Religionen in das Gesetz, deren Angehörige maximal 0,2 bis 5 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Und die Groteske wird mit dem aktuellen Gesetzentwurf fortgesetzt, denn nun werden zusätzlich auch 3 alevitische Feiertage als offizielle religiöse Feiertage in das Gesetz aufgenommen. Wie soll das weitergehen? Für jede Religionsgemeinschaft, die sich in Bremen mit ein paar Mitgliedern ansiedelt, eine neue Gesetzesänderung? Wäre es nicht wesentlich sinnvoller, ein Gesetz zu schaffen, das jedem jederzeit die Ausübung seiner religiösen oder nicht-religiösen Vorlieben zusichert, sofern er hierdurch keinen anderen übermäßig in der Ausübung von dessen religiösen oder nicht-religiösen Vorlieben stört?

Noch pikanter ist natürlich, dass die Feiertage all der oben genannten Religionsgemeinschaften nur als Second Class-Feiertage Aufnahme in das Bremer Gesetz finden. Obwohl das Grundgesetz staatliche Neutralität in religiösen Dingen fordert, kann hiervon bei diesem Feiertagsgesetz nicht wirklich die Rede sein. Denn christliche Feiertage werden massiv bevorzugt, indem an ihnen nicht nur vor den jeweiligen Gotteshäusern, sondern im ganzen Land Stille zu herrschen hat. Wie weit diese Bevorzugung tatsächlich geht, enthüllt ein verräterischer Satz im Bericht der staatlichen Deputation für Inneres über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage:

" Die katholische und evangelische Kirche in Bremen haben ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf erklärt."

Ein Satz, über den man sich zu Recht aufregen darf. Was die Trennung von Staat und Kirche angeht, ist wahrlich noch viel zu tun in Deutschland.