WEIMAR. (hpd/fgw) Die hiesige Lokalausgabe der „Thüringer Allgemeine“ berichtete gestern in großer Aufmachung „Evangelischer Hochschulbeirat nimmt Arbeit auf“. Das wirft gleich mehrere Fragen auf: Was ist denn das für ein Gremium? Immerhin klingt die Bezeichnung „Beirat“ sehr amtlich.
Aber andererseits: Sind nicht Staat und Kirchen sowie Schule (und Hochschulen) und Kirchen in Deutschland verfassungsmäßig voneinander getrennt? Oder gibt es neuerdings in der Stadt solcher Freigeister wie Wieland, Herder, Goethe und Schiller eine kirchliche Hochschule?
Nun, in der Unterzeile wird es deutlicher. Da heißt es: „Mitglieder wurden in der Jakobskirche ins Amt eingeführt. Sie sollen christliche Themen in den Weimarer Hochschulen platzieren."
Dieser Beirat ist also nichts anderes als eine Lobby-Organisation einer der beiden sogenannten christlichen Amtskirchen! Nur, so deutlich sagt es der Autor dieses journalistischen Beitrages leider nicht. Bei ihm heißt es lediglich: „Die Landeskirche hatte die Mitglieder bereits vergangenen Dezember auf Vorschlag der Studentengemeinde und der Studentenpfarrerin Esther-Maria Wedler berufen."
Doch ganz verschämt klingt dann doch noch dies durch: „Laut Esther-Maria Wedler hat er vor allem eine Brückenfunktion zwischen evangelisch-lutherischer Kirchgemeinde und den Hochschulen. Der Beirat sorge dafür, dass christliche und ethische Themen in den Hochschulen platziert werden können, sagte sie."
Das werde u. a. so aussehen: „Aber auch thematische Gottesdienste stehen in seiner Verantwortung. So halten zum Beispiel Professoren der Hochschulen regelmäßig Predigten in der Jakobskirche. Dabei arbeitet man eng mit der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) zusammen. Diese besteht laut Studentenpfarrerin Esther-Maria Wedler derzeit im Kern aus 15 Mitgliedern." (Der Artikel in voller Länge.)
„... im Kern aus 15 Mitgliedern" - an beiden Weimarer Hochschulen, der Bauhaus-Universität und der Hochschule für Musik „Franz Liszt" studieren aktuell 4.200 bzw. 850 Menschen. Aber eben nur 15 von ihnen bilden den Kern einer „evangelischen Studentengemeinde"; die praktizierende Christenquote liegt also bei 0,3 Prozent! In der Stadt Weimar - mit knapp 65.000 Einwohnern - beträgt der Anteil religionsfreier Menschen etwa 70 Prozent... Und dabei sind nach 1990 sehr viele Menschen „aus dem Westen" hier zugezogen; ein sehr hoher Prozentsatz der in Weimar Studierenden ist ebenfalls dort beheimatet.
Wohl gerade die in den Augen des Klerus unbefriedigende Christenquote in der Studentenschaft hat sicherlich den Ausschlag gegeben, im Jahre 2009 auch in Weimar ein Gremium wie den „Evangelischen Hochschulbeirat" zu installieren. Und damit noch mehr Wirkung auf junge Menschen ausgeübt werden kann, dominieren lt. Festlegung des Landeskirchenamtes Professoren - mit sechs zu zwei - diesen Beirat, obwohl der ja angeblich auf Vorschlag der evangelischen Studentengemeinde berufen worden ist.
Deutlicher in Bezug auf evangelische Hochschulbeiräte und Studentengemeinden und deren Lobby-Funktion wird da evangelisch.de: „(...) Die Arbeit der evangelischen Kirche an der Hochschule hat in besonderer Weise eine missionarische Dimension. An Hochschulen lehren und lernen Menschen, die in herausgehobener Weise Verantwortung in unserer Gesellschaft wahrzunehmen haben. Wenn dem christlichen Glauben in ihrem Leben eine tragende und im Alltag erkennbare Rolle zukommt, wirkt dies in besonderer Weise nach außen."
Es geht also um Missionierung! Vor allem um Missionierung von Menschen, die dereinst Führungspositionen in Staat, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft übernehmen könnten. Die o.g. Formulierung lassen aber auch, das soll hier nicht weiter kommentiert werden, auf das kirchliche Verständnis von Bildung und Wissenschaft schließen.
Siegfried R. Krebs