„Der Mensch ist das Leben…“

Was bedeutet Russell’s „Leidenschaften der Humanität“? Nach Kahl vor allem einen Gegensatz zur postulierten Leidenschaftslosigkeit der Philosophie. Das Leben wird erst lebenswert durch die Leidenschaft. Russell wollte die Welt in ihrer Gesamtheit erfahren; er wollte die Kleinen wie die großen Dinge (Mikrokosmos und Makrokosmos) verstehen. Eine, wie Kahl meint, zutiefst humanistische Sicht auf die Welt.

Der atheistische Philosoph verwirft nicht den Begriff Mystik, der eine menschliche Eigenschaft ist. Die weltliche Mystik ist die Vereinigung des Individuums mit der Welt, deren Bestandteil es ist. Interessant war, dass in der Diskussion anschließend vor allem über Mystik gesprochen und gefragt wurde.

Medienmacht Kirche

Der Vortrag des Journalisten und Buchautoren Ulli Schauen begann mit einem Tanz, an dem auch Volker Panzer teilnahm. Er zeigte anhand einiger Beispiele, welchen Einfluss die Kirchen auf die Medien nehmen. Zum anderen räumen öffentlich-rechtliche Sender nicht nur, wie gesetzlich verfügt, Sendezeit ein, sondern finanzieren diese auch selbst.

Anhand einer Günter-Jauch-Sendung wies er nach, dass besonders bei aufkeimender öffentlicher Kritik an der Kirche, hochrangige Vertreter in Talk Shows darüber reden dürfen, wie viel Gutes die Kirchen tun. Es gibt beim ZDF sogar Sendungen, die nicht als solche erkennbar sind, aber durch die Kirchen erstellt werden.

Immer wieder werden Pfarrer als Experten gehört oder vor die Kamera zitiert. Erst im Abspann kann man sehen, dass die Redakteure zur EKD gehören. Es gibt sogar Produktionsgruppen wie Eikon, die den Kirchen gehören und die Dokumentationen und Spielfilme produzieren, die auch im Fernsehen gezeigt (und sogar teilweise mitfinanziert) werden.

Wenn man Ulli Schauen gehört hat, dann ist das Thema des nächsten Vortrags schon sehr plausibel.

Warum ich Atheist geworden bin

Der Mensch ruhend in Gott … das galt lange Jahrhunderte. Der skeptische Mensch kommt heute unter den Druck, ein neues Selbstbewusstsein zu finden, er muss sich selber wagen, sich selber definieren. Nur mit sich selber, wird er ein vollständiger, autonomer Mensch.

Vom religiösen Glauben zum vernunftgesteuerten Menschen. Das ist das Thema von Paul Schulz, der dabei auch von sich selbst erzählt.

1. Fundamentale christliche Erziehung – aufgewachsen in einem frommen Elternhaus, mit einem patriarchalischen Vater, Gebete zu allen Mahlzeiten. Die Kinder waren fest eingebunden in die kirchliche Organisation. Uns war der Sonntag heilig. In der Schule war klar, dass ich Pastor wurde. Der erste Schock kam im ersten Semester, weil ich auf die Wissenschaftlichkeit des Arbeitens hingewiesen wurde. Theologie habe mit Glauben nichts zu tun.
2. Theologiestudium und Examen in Erlangen. Die Qumran-Schriftrollen waren gerade entdeckt worden. Diskussionen um den historischen Jesus bzw. den Sohn Gottes, um das historisch Unmögliche.
3. Die rationale Geburt lag in der Auseinandersetzung mit der Frage der Realität. Da es keinen historischen Beweis für eine Existenz Jesu gibt, ist die Auferstehung eine Spekulation, ein Produkt von Wunschdenken und Mythen. Alle Glaubenszwänge waren damit beendet.
4. Jede deduktive, abgeleitete Setzung war damit beendet. Die Kybernetik kam auf, die Frage nach dem, was ist der Geist des Menschen? Gibt es eine Balance zwischen Tradition und Moderne?
5. Schlussfolgerung: Immer habe schon das Weltbild das Gottesbild bestimmt. Damit ist das Gottesbild nicht absolut. Angesichts der Naturwissenschaften müsse das Gottesbild verändert werden, da es Gott so nicht gibt. Bild-Zeitung: „Hamburger Pastor glaubt nicht an Gott!“
6. Ein ängstliches Zurück gab es nicht, es war eine Frage der Glaubwürdigkeit. Es gab ‚Sühnetermine’, schließlich ein Lehrzuchtverfahren.
7. Die weitere Entwicklung führte Paul Schulz zu einer völlig neuen Seins-Dimension, das sich nicht aus der Vergangenheit herleitet, sondern auf die Zukunft der diesseitigen Natur bezogen ist. Der Tod, als das Ende meines Lebens. Lebe, hier und jetzt, verwirkliche das Leben. Das, in der Abschaffung des transzendentalen Gottes, war der entscheidende Schritt in Richtung Atheismus.