(hpd) Der Politikwissenschaftler Philipp Mittnik untersucht in seiner Arbeit die Entwicklung der österreichischen Freiheitlichen. Dabei hält er sie eindeutig für eine rechtsextremistische Partei, wofür zahlreiche Belege benannt werden, gleichwohl in einem analytisch nicht breiterem Rahmen.
Über die Frage, ist die „Freiheitliche Partei Österreichs“ bereits als rechtsextremistisch oder „nur“ als rechtspopulistisch einzuschätzen, wurde bereits zur Zeit von Jörg Haider kontrovers diskutiert. Seit der Spaltung spielte die FPÖ phasenweise nur noch eine geringe Rolle. Mit ihrem neuen Vorsitzenden Heinz-Christian Strache gelang ihr aber eine Renaissance. Insofern stellt sich die ursprüngliche Frage erneut, zumal die Agitationsthemen und Personen der Partei immer wieder Anlass dazu geben.
Der Politikwissenschaftler Philipp Mittnik geht ihr in seiner Arbeit „Die FPÖ – eine rechtsextreme Partei? Zur Radikalisierung der Freiheitlichen unter HC-Strache“ nach. Dabei arbeitet er mit einem politikwissenschaftlichen Verständnis von „Rechtsextremismus“. Die Basis für seine Analyse bilden öffentliche Aussagen oder Vorkommnisse aus der Partei und dem Umfeld aus den Jahren 2005 bis 2009. Im Mittelpunkt steht dabei die Aufmerksamkeit für Strache, der für die FPÖ weit über die reine Funktion als Vorsitzender hinaus als charismatische Führungsfigur von Bedeutung ist.
Zunächst referiert Mittnik aber die Definitionen von „Rechtsextremismus“ aus politikwissenschaftlichen Arbeiten, wobei es ihm vor allem um die dort genannten Ideologiemerkmale geht. Sie sollen später auf die FPÖ angewandt werden. In der Einleitung kommentiert der Autor aber auch die Rede vom „Rechtspopulismus“ in diesem Kontext, welche er ebenfalls für angemessen hält. Gleichwohl heißt es: „Die Radikalität dieser Partei geht allerdings noch weiter und übertrifft diese Formen des Populismus hin zu fundiertem Rechtsextremismus. Die ideologische Grundlage der Partei basiert auf den Kadern der deutschnationalen Burschenschaften ... die ... den Unterschied zu einer rechtspopulistischen Partei ausmachen“ (S. 22). Danach geht es um die politische Biographie von Strache, wobei deutlich wird, „dass die Kindheit und Jugend des FPÖ-Parteiführers eindeutig dem rechtsextremen Milieu entspricht“ (S. 53). Gemeint sind damit seine Aktivitäten und Zugehörigkeiten von Burschenschaften bis zur Wiking-Jugend.
Hinsichtlich der inhaltlichen Schwerpunkte der FPÖ-Politik konzentriert sich Mittnik dann in seiner Analyse auf die islam- und muslimenfeindliche Agitation, welche mit Parolen wie „Daham statt Islam“ ein Freund-Feind-Schema mit fremdenfeindlichem Hintergrund aufbaut. Auch im Bild vom Nationalsozialismus, das hochrangige Parteifunktionäre propagieren, sieht der Autor einen Beleg für die rechtsextremistische Ausrichtung der Partei. Nur so erklären sich für ihn auch die engen Kontakte vieler Abgeordneter zu derartigen Burschenschaften oder Neonazi-Gruppen. Dies macht Mittnik an vielen Beispielen deutlich.
Und schließlich geht er noch dem Verhältnis der FPÖ zur EU nach. Bilanzierend heißt es dann: „Anhand der hier ... zusammen gefassten Ergebnisse dieser Arbeit muss man zu dem Schluss kommen, dass es sich bei der FPÖ eindeutig um eine rechtsextreme Partei handelt“ (S. 131). Als Stichworte zum Beleg nennt Mittnik u.a. „Antiindividualismus“, „Antipluralismus“, „Biologismus“, „Freund-Feind-Denken“, „NS-Verharmlosung“ und „Ultranationalismus“.
Der Autor kann für seine Einschätzung eine Fülle von Belegen präsentieren, wozu auch noch zahlreiche Fotos gehören. Man kann darauf auch den jungen Strache im Neonazi-Kontext sehen. Für viele Detaileinschätzungen findet man eindeutige Belege, wie etwa die zu Persönlichkeitskult und Selbstinszenierung des Parteichefs. Doch mangelt es der Arbeit hier und da immer wieder an analytischer Stringenz: Der Autor nimmt einzelne Merkmale aus den Rechtsextremismus-Definitionen heraus und untersucht ihre Verbreitung in der FPÖ. Dabei spielt aber gerade das Spannungsverhältnis zu den Normen und Regeln des demokratischen Verfassungsstaates in der Erörterung keine gesonderte Rolle. Leider nehmen die dezidierten Aussagen zu politischen Ideologieaspekten in der Arbeit nur geringen Raum ein, und die politische Praxis der FPÖ kommt mit Ausnahme der Ausführungen zur islam- und muslimenfeindlichen Agitation nicht vor. Auch wenn seine Einschätzung zutrifft, hat es sich der Autor mit Kommentierungen „im Vorbeigehen“ ein wenig zu einfach gemacht.
Armin Pfahl-Traughber
Philipp Mittnik, Die FPÖ – eine rechtsextreme Partei? Zur Radikalisierung der Freiheitlichen unter HC-Strache, Münster 2012 (Lit-Verlag), 144 S.