Mehrheit schätzt die Zahl der Muslime viel zu hoch ein

Pauschalhetze gegen Muslime fördert die Radikalisierung

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Vorurteile sind Gift für das soziale Gefüge einer Gesellschaft. Und oft der Nährboden für Fake News und Verschwörungstheorien. Opfer von Ressentiments sind meist Minderheiten, die gern als Projektionsfläche für die eigene Unzufriedenheit dienen. So führen Vorurteile oft zu Feindbildern.

In der westlichen Welt werden muslimische Gemeinden wohl am stärksten mit Ressentiments stigmatisiert, oft gefolgt von den jüdischen. Die Muslime trifft es vorwiegend wegen aktueller Ereignisse (Terroranschläge und Einwanderung), die Juden aus historischen Gründen (Verfolgung von Jesus, Vorurteile, die zum Holocaust führten).

Oft ist der Glaube ein Kristallisationspunkt für Vorurteile. Ausdruck davon sind Glaubenskonflikte und Glaubenskriege, die sich durch alle Epochen bis in die Neuzeit ziehen. Man kann leicht den Eindruck erhalten, dass die Menschheit nicht lernfähig ist. Oder dass sie zumindest nichts aus der Geschichte lernen kann.

Massiv verschätzt

Aktuelle Vorurteile gegenüber den Muslimen lassen sich statistisch belegen. Das britische Meinungsforschungsinstitut Ipsos Mori befragte die Bewohner mehrerer Länder, wie hoch sie den Prozentsatz an Muslimen einschätzten. Die Zahlen sind frappant.

Alle verschätzten sich, am stärksten die Franzosen. Diese glauben, dass fast jeder dritte Einwohner dem islamischen Glauben angehöre. Tatsächlich macht ihr Anteil aber lediglich 7,5 Prozent aus. Auch in Italien (20 statt 3,7 Prozent), Deutschland (21 statt 5 Prozent) und Belgien (23 statt 7 Prozent) verschätzten sich die Befragten erheblich.

Die Schweizer Bevölkerung wurde bei dieser Studie nicht befragt. Dies tat allerdings der Bund 2014. Danach schätzen die Schweizer den Anteil an Muslimen auf 12 Prozent, in Wirklichkeit sind es nur 5,1 Prozent.

Die Vorurteile führen zu einer starken Abwehrhaltung. Laut einer Umfrage von Tamedia, an der rund 17.000 Leserinnen und Leser teilnahmen, sähen 70 Prozent der Befragten eher oder eindeutig ein Problem, wenn der Anteil der Muslime an der Schweizer Bevölkerung zunehmen würde.

Ausländerfeindliche Parolen beeinflussen die öffentliche Meinung

Dass die SVP mit ihren ausländerfeindlichen Parolen einen großen Einfluss auf die Meinung vieler Schweizer in dieser Frage hat, zeigt eine weitere Zahl: 93 Prozent ihrer Anhänger sehen in einer weiteren Zuwanderung von Muslimen ein Problem. Bei den Anhängern von SP und Grünen sind es 38 Prozent, wie der Tages-Anzeiger berichtete.

Massive Vorurteile, die zur Diskriminierung führen können, zeigt auch eine Befragung des britischen Königlichen Instituts für internationale Angelegenheiten (Chatham House) in zehn EU-Ländern. Die Frage lautete: Sind Sie für ein Einwanderungsverbot für Muslime? Insgesamt sagten 55 Prozent, sie seien damit vollkommen einverstanden.

Obenauf schwang das katholische Polen mit 71 Prozent Zustimmung. Der Hass auf alles Fremde, den die rechtspopulistische Regierung von Präsident Andrzej Duda schürt, trägt Früchte.

Die meisten Muslime besuchen nie eine Moschee

Dass auch 65 Prozent der Österreicher die Grenzen gegenüber Muslimen dicht machen wollen, zeigt, welcher politische Geist inzwischen bei unseren Nachbarn herrscht. Sie schlagen sogar die Polen (64 %) mit Hetzer Andrzej Duda. Aber auch in Deutschland will die Mehrheit (53 %) Muslime kategorisch ausschließen.

Die Schweiz wurde nicht befragt. Es würde aber nicht überraschen, wenn bei uns das Resultat ähnlich ausfallen würde. Erinnert sei an die Aussage von SVP-Nationalrat Roger Köppel, der vor der Abstimmung über das Asylgesetz schrieb: "Die Islamisierung ist kein Schreckgespenst von Verschwörungstheoretikern, sondern ein realer Vorgang."

Die meisten Muslime in der Schweiz und in Europa sind säkularisiert und besuchen selten bis nie eine Moschee. Mit hysterischen Reaktionen und Stigmatisierungen, wie sie die SVP-Haudegen Glarner, Wobmann, Köppel und Co. betreiben, hemmen wir die Integration und fördern die Ghettobildung. Dies freut die Islamisten, die dann frustrierte junge Muslime leichter radikalisieren können.

Rechte Politiker, die Glaubensfragen für politische Kampagnen benutzen, säen Hass. Und sie ziehen aus Terrorakten politisches Kapital. Die populistische Hetze gegen Muslime fördert deshalb die Radikalisierung. In einem solchen Klima wird es nie Religionsfrieden geben.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.