Mauern und Grenzen

"Wall of Shame"

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Flüchtlingslager der Saharauis / Foto: Johannes Zinner

WESTSAHARA/BERLIN. (hpd) Anlässlich des 23. Jahrestages der Deutschen Einheit möchte die HPD-Redaktion über mehrere noch bestehende Mauern bzw. ungewöhnlich stark gesicherte Grenzen berichten. Dabei wollen wir nicht nur die aktuelle Situation beschreiben, sondern auch einen Schwerpunkt auf die unterschiedlichen Ursachen legen, die zu der jeweiligen Situation geführt haben.

Der so genannte „Sahara-Konflikt“ ist mit seinen Fakten dokumentiert. Er beginnt 1884 mit den Kolonialisierungsbestrebungen der Spanier im Anschluss an die Südgrenze von Marokko und ist angewachsen auf sechs Mauern, die längste davon 2.700 Kilometern lang. Das ist die eine Seite und schwer zu akzeptieren. Wie gehen Menschen mit dem Konflikt um, ist die empirische und zweite Seite.

Dazu der Journalist Daniel Dagan: „Dieser Konflikt ist uninteressant. Er findet auch kaum Erwähnung in unseren Medien. Ich entschuldige mich schon im Voraus dafür, dass ich Ihre Sonntagsruhe mit einem Bericht über Westsahara störe. Es handelt sich lediglich um Auseinandersetzungen unter arabischen Völkern. Das geht uns doch nichts an! ...“

Der hpd konnte zu diesem Thema Erika Pluhar gewinnen, die 'politische und öffentliche Frau' gehört der Österreichisch-Saharauischen Gesellschaft an. Seit mehr als drei Jahrzehnten führen ihre Wege sie immer wieder in die algerische Sahara, in das Exilgebiet in dem die Saharauis nun fast 40 Jahren ausharren oder geboren sind. 2010 drehte sie dort den Film „Sahara in mir“, der dokumentarische Züge trägt; ihr Enkelsohn Ignaz Pluhar ist ein Saharaui.

Ebenso sprachen wir mit Nayat Handi, eine offizielle Vertreterin der Frente Polisario. Sie wurde 1969 in der spanischen Kolonie mit dem Namen Spanisch-West-Sahara geboren, genauer gesagt lebten ihre Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt in El Aayiun, der verfassungsmäßigen Hauptstadt von West-Sahara; heute, nachdem Marokko West-Sahara annektiert hat, ist Bir Lehlu die povisorische Hauptstadt, sie liegt in dem Flüchtlingsgebiet. Das Land ist geteilt und ebenso die saharauische Bevölkerung: die einen sind geflohen, die anderen haben sich der Besatzungsmacht gebeugt.

Nayat Handi erklärt, wie der „Wall der Schande“ gebaut ist, wie sich Minen, Tanklager, Soldaten, Radaranlagen etc., aber auch nur geschichtete Steine aneinanderreihen.

Bilder gibt es nur wenige. Man hat auf der marokkanischen Seite keine Interesse, diese zu zeigen und „Vorsicht Lebensgefahr – Minen“ – das ist kein Spazierweg, auch die Saharaui kommen nicht so einfach dorthin. 2010 wurden Menschen aus den Flüchtlingslagern heraus entführt, die Einreisebedingungen nach Algerien sind erschwert.

Videos: „Mauer der Schande“ und „Der vergessene Konflikt“.

Nayat Handi fasst die Probleme zusammen, die zur heutigen Situation führten: Die Besetzung ist im 39. Jahr und fand in der Welt zwar keine Anerkennung, aber politisch hat sich eine Gewöhnung eingeschlichen. Obwohl es nach internationalem Recht illegal ist, mit einer Besatzungsmacht wirtschaftliche Abkommen zu unterzeichnen, wird es stillschweigend getan, was politisch nicht korrekt ist, aber es wird „übersehen“, z. B. das Fischereiabkommen und ebenso die Landverkäufe durch Marokkaner in West-Sahara. Sie warnt: „Es lohnt sich nicht, mit Diktaturen zu arbeiten. Man muss das Volk hören. Auch in Marokko wollen die Menschen Änderungen“ und spricht den arabischen Frühling an.

„Wir wollen, dass die Besatzung in West-Sahara ein Ende hat.“ Anfang November 2010 fand in West-Sahara in der Nähe der Hauptstadt El-Ayoun eine Massenbewegung statt. Es war ein großer Protest. 20.000 Menschen haben ihre Wohnungen und Häuser verlassen und 15 Kilometer entfernt von der Stadt ein Zeltlager aufgebaut. „Das Camp der Würde“ haben sie es genannt und dort friedlich zivilisiert gezeigt, dass sie friedlich kämpfen wollen gegen die Unterdrückung und die Depression durch Marokko.

Die Antwort war brutal: Am 8. November 2010, morgens um 6 Uhr, noch im Dunklen kamen Soldaten mit Gewehren, Tränengas und Wasserwerfern. Viele Menschen wurden umgebracht, andere sind in die Wüste gelaufen, zurück in die Stadt. Das alles fand weit entfernt von internationaler Beachtung oder Berichterstattung statt. Die Marokkaner haben keinem Journalisten erlaubt, nach El-Aayoun zu kommen, im Gegenteil, Journalisten wurden ausgewiesen.

„Für die Polisario ist es schwierig, diese Informationen nach Europa zu bringen. Ich sehe auch, dass es kein großes Interesse daran gibt. Die normalen Menschen bekommen nicht die richtigen oder überhaupt keine Informationen. Würden wir Bomben werfen oder terroristisch kämpfen, würde die Weltöffentlichkeit hinschauen aber solange man friedlich kämpft wird es wohl weiterhin kein Interesse an unserer Lage geben. Die Menschen interessieren sich eher für Bomben.“

 

 

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