Schäden für die Wirtschaft
Die kürzlich entfernten konterrevolutionären Elemente hätten "die Politik der aufrichtigen Liebe zum Volk" der PdAK nicht unterstützt und damit die wirtschaftliche Entwicklung und die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung stark behindert.
So konnten Bauprojekte in Pjöngjang angeblich nicht erfolgreich durchgeführt werden, weil Jang qualifiziertes Personal zu seinen Vertrauten geschickt habe, die mit ihnen Geld verdient hätten. Zur persönlichen Bereicherung sollen diese auch beauftragt worden sein, willkürlich Kohle und andere wertvolle Rohstoffe billig an andere Länder verkauft zu haben. Hiermit ist sicherlich der Export von Rohstoffen nach China gemeint, mit dessen Konditionen Nordkorea schon lange sehr unzufrieden ist.
Damit habe es die "Jang-Gruppe" unmöglich gemacht, die Weisungen Kim Il Sungs und Kim Jong Ils umzusetzen, und gemäß der Juche-Ideologie (sprich "Dschutsche", die Staatsideologie Nordkoreas) die wirtschaftliche Selbstversorgung mit Juche-Eisen, Juche-Dünger und Juche-Vinalon (eine Kunstfaser, die nur in Nordkorea produziert wird) sicherzustellen.
Um Schulden, die aufgrund seiner Machenschaften entstanden, zu tilgen, habe Jang in der Sonderwirtschaftszone Rason Grundstücke für 50 Jahre an ein anderes Land verpachtet (auch das bezieht sich auf China). Ebenso soll er der Drahtzieher der Währungsreform von 2009 sein, die zu einer massiven Entwertung des Won führte. Damals wurde der damalige Direktor der Planungs- und Finanzabteilung des ZK der PdAK Pak Nam Gi als Sündenbock hingestellt und hingerichtet. "[Jang] träumte den abstrusen Traum [...], die Macht der Partei und des Staates an sich zu reißen, und brachte große Teile der Ökonomie unter seine Kontrolle, um das Kabinett auszuschalten." Explizit werden dabei Einrichtungen genannt, die für den Außenhandel und die Beschaffung von Devisen zuständig sind.
"Es war meine Intention [...] Ministerpräsident zu werden, wenn die Wirtschaft gänzlich bankrottgeht und der Staat kurz vor dem Zusammenbruch steht. Ich dachte, wenn ich das Problem des Lebensstandards der Bevölkerung in einem bestimmten Rahmen verbessere, indem ich enorme Mengen an Geld dafür aufwende, das ich als Ministerpräsident unter verschiedenen Namen angehäuft habe, dass Volk und Armee mich bejubeln werden und ich den Putsch ohne Probleme durchführen kann." Jang habe den "dümmlichen Traum" gehabt, dass nach seiner Machtergreifung sein "jämmerliches wahres Gesicht als 'Reformer'", wie er im Ausland bekannt sei, seiner "neuen Regierung" helfen würde, von anderen Nationen in kurzer Zeit "anerkannt" zu werden.
"Kapitalistischer" Lebensstil: "korrupt und degeneriert"
Desweiteren wird Jangs ausschweifender, kapitalistischer Lebensstil thematisiert. Er wurde beschuldigt "ideologisch krank" zu sein und diesen "Virus" in der nordkoreanischen Gesellschaft verbreitet zu haben. So habe er beispielsweise unangemessene Beziehungen zu mehreren Frauen gehabt, Drogen missbraucht, ausschweifende Dinnerpartys in Hinterzimmern luxuriöser Restaurants gefeiert sowie "pornographische Bilder" an seine Anhänger verteilt.
"Er führte ein lasterhaftes und verdorbenes Leben, verprasste Geld, wohin er auch ging. Er nahm mindestens 4.6 Mio. Euro aus seiner geheimen Kasse und verschwendete es komplett im Jahre 2009 und vergnügte sich in einem Kasino im Ausland."
Dass Jang ein sehr mächtiger Mann in Nordkorea war, sein eigenes Netzwerk an Getreuen hatte und über viel Geld verfügte, das er nicht zum Wohle des Volkes ausgab, ist sicherlich unbestritten. Nur ist er bestimmt nicht der einzige im Politbüro, dem man solche Vorwürfe machen kann. Eine Quelle aus Nordkorea sagt zu den Anschuldigungen bezüglich Jangs Lebensstils: "Alle Kader machen solche Sachen, also warum soll das jetzt plötzlich ein Problem sein?"
Offensichtlich ist es jetzt ein Problem: Es soll in diesem Jahr mehrere Skandale wegen pornographischer Aufnahmen gegeben haben und Menschen wegen der Verbreitung oder auch nur wegen des Besitzes von Erotikfilmen öffentlich hingerichtet worden sein. Ebenso soll der Konsum von Crystal Meth in Nordkorea weit verbreitet sein. Die detailreiche Auflistung der Verfehlungen Jangs ist ein klares Zeichen an die Bevölkerung.
Nordkorea: "Neben Kim Jong Un kennen wir niemanden"
Es ist offenkundig, dass diese öffentliche Säuberungsaktion ein deutliches Warnsignal gegenüber möglichen Abweichlern ist. In den Tagen nach der Veröffentlichung wurde der Schwerpunkt in den nordkoreanischen Medien auf die Loyalität zu den Kims gelegt. Es gibt sogar ein neues Lied mit dem Titel "Neben Ihnen kennen wir niemanden".
Die PdAK als die Partei des Führers könne ihre historische Mission nur erfüllen, wenn die absolute Einheit im Volk und in der Partei sichergestellt sei, die auf der monolithischen Idee von einer einheitlichen Führung beruhe. Das Zentrum der Partei sei Kim Jong Un. "Wie viel Wasser auch unter den Brücken durchfließen wird, wie oft eine Generation von der nächsten abgelöst wird, die Blutlinie des Paektu [d.h. die Kim-Familie] wird unverändert und unersetzbar bleiben."
In Reden wurden unisono die Vergehen Jangs aufs Schärfste kritisiert und es wurde der feste Wille ausgedrückt, der Führung von Kim Jong Un treu ergeben zu sein und hingebungsvoll das Zentralkomitee der Partei politisch und ideologisch und mit dem Leben zu verteidigen.
Tenor war die Prämisse: Egal wie bösartig eine kleine Handvoll von Gegnern der Partei und konterrevolutionären, faktionalen Elementen arbeiten mag, sie wird niemals den revolutionären Glauben der Parteimitglieder, der Soldaten und des Volk erschüttern können, die Kim Jong Un als einzigartiges Zentrum der Einheit und Führung in großen Ehren halten.
Jang hingegeben wird aus dem öffentlichen Gedächtnis gelöscht. Wie das "Ministerium für Wahrheit" in Orwells Roman "1984" arbeiten die Propaganda-Abteilungen in Nordkorea nun eifrig daran, Jang aus Bildern und Filmen zu tilgen.
Jang Song Thaek wird aus dem öffentlichen Gedächtnis entfernt. Eine Suchanfrage auf der Homepage von Nordkoreas staatlicher Nachrichtenagentur KCNA zu seinem Namen am 8. Dezember 2013 spuckte nur noch einen Artikel aus. (Quelle: www.kcna.kp)
Selbst auf den Tüten eines Einkaufszentrum in Pjöngjang, das Jang Song Thaek gehört haben soll, wird jetzt mit Filzstift das Logo der Mall übermalt.
Mögliche Motive für den Sturz
Jang soll schon länger im Visier derjenigen gewesen sein, die nun für seinen Sturz gesorgt haben. Schon vor Wochen wurde darüber berichtet, dass sein Einfluss in Bezug auf wichtige Entscheidungen gestutzt worden sei. Auch war er in diesem Jahr verglichen mit 2012 viel seltener gemeinsam mit Kim Jong Un zu sehen.
Vor etwa zwei Monaten soll ein Vertrauter Jangs geflüchtet sein und sich Berichten zufolge in der Obhut südkoreanischer Behörden in China befinden. Dieser Mann soll Jangs Vermögen im Ausland verwaltet und auch detailliertes Wissen über das Vermögen der Kim-Familie haben. Er wird als der höchstrangige Flüchtling der letzten 15 Jahre angesehen.
Möglicherweise musste Jang für ihn nun den Kopf hinhalten. Vielleicht war die Flucht aber auch eine Reaktion auf den Sturz Jangs, der sicherlich nicht erst Anfang Dezember in der Führungselite bekannt war. Dass sich die Verhaftung Jangs erst Anfang Dezember ereignet hat, wie von Nordkorea behauptet und öffentlich inszeniert, darf bezweifelt werden.
Ebenso scheint sich die Behauptung, Jang würde Kims Autorität nicht respektieren, nicht zu bestätigen, da Kenji Fujimoto, der ehemalige Koch von Kim Jong Il, der schon vor Jahren als erster vorhergesagt hatte, dass Kim Jong Un seinen Vater beerben würde, berichtet, dass er bei einem gemeinsamen Abendessen mit dem Führungskreis vor einem Jahr ein entsprechendes Verhalten nicht beobachten konnte.
Auf der anderen Seite trat bei Jangs Auftritten im In- und Ausland sehr deutlich zutage, dass er sich für etwas Besonderes hielt. Sah Kim dadurch womöglich seine Autorität gefährdet?