"Wir haben es satt!"

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Landwirt und Demonstrant / Alle Fotos © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd). Die Wende in der deutschen Agrarpolitik ist das Ziel der Demonstration für eine bäuerliche und ökologische Landwirtschaft. In diesem Jahr kamen dafür rund 30.000 Menschen in Berlin zusammen. Sie fordern von der neuen Bundesregierung endlich „grundlegende Reformen in der Landwirtschaft“.

Die erste Demonstration dieser Art war im Jahr 2010. Dieses war die vierte. Begonnen hatte sie am vergangenen Mittwoch. 15 Freiland-Schweine spazierten vor das Bundeskanzleramt. Ihrer Art entsprechend vorbereitet lag dort Stroh, eine der Säue nahm das Angebot wohlig an und aalte sich zur Freude der Zuschauer. Beim Bundeskanzleramt  blieben Tür und Tor verschlossen, schade eigentlich, die Demonstration der rosa-schwarzen Vierbeiner war dort für die Betrachter ein wohl einmaliges Ereignis.

Zur Auftakt-Kundgebung am 18. Januar trafen in Berlin auf dem Potsdamer Platz nach Schätzung der Polizei 25.000 Demonstranten zusammen, auch der Zahl von 30.000 hat niemand widersprochen.

Die Menschen kamen aus dem ganzen Land und ebenso die Traktoren, die Milchwagen,  landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, eben alles, was sonst nicht auf den Straßen von Berlin Mitte „zu Hause“ ist.

 

Die Chance, die Willensäußerung der Demonstranten unbemerkt an sich vorbeiziehen zu lassen gibt es seit dem nun vergangenen Sonnabend nicht mehr. Die „Internationale Grüne Woche“, die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau wurde am 17. Januar 2014, einen Tag zuvor in Berlin eröffnet. Messebesuchern und -ausstellern der Fachwelt wird es nun nur schwer möglich sein, an dieser zeitgleichen Demonstration vorbeischauen zu können. Nichts bleibt den Ökonomen, Lobbyisten und Politikern erspart, nichts.

Die Demonstranten wurden deutlich sichtbar mit Plakaten und Schildern: „Wir haben die Agrar-Industrie satt“ / „Merkel, Seehofer, Gabriel – stoppen Sie die Agrar-Industrie“ / „Keine Gen-Technik durch die Hintertür“ / „Hans-Peter, schieb’s nicht auf später“ / „Wir arbeiten ohne Gen-Technik“ / „Gen-Mais stoppen“ / „Agrar-Fabriken stoppen“ / „Wer Tiere quält, wird nicht gewählt“ / „Hände weg von unserer Nahrung“ / „Keine Massentierhaltung!“ / „Wen streicheln? Wen essen?“ / „Kein Schachthof in Ahlhorn“ / „Wem nützt das Freihandels-Abkommen?“ / „Marmelade für alle  - der Mensch lebt nicht von Brot allein“ / „Stoppt den Saustall – Aktionsbündnis gegen industrielle Massentierhaltung in Nordschwaben“ / „Sag mir wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben...?“ / „Fresst euer Gift selber!“ / „Glythostat ist Gift für Mensch und Natur – sofort verbieten“ / „Bauernhöfe statt Agrar-Industrie – mischen Sie sich jetzt ein“ /„genfreie Region BerlinSpandau!“ / „Schweine-Barone – Gen-Kings – entaignern!“ / „Freiheit für unser Saatgut“ / „Lobby-Eingang offen für … Bayer – BASF – ILSI"

 

Abschluss-Kundgebung  vor dem Bundeskanzleramt

Menschen, Traktoren mit ihren Transparenten und Aufrufen ziehen vom Potsdamer Platz in Berlin Mitte an internationalen und nationalen Organisationen, Hotels, weltweiten Handelsketten, Wohnungen, Passanten, Botschaften vorbei zum Zentrum der Politik der Bundesrepublik Deutschland, dem Reichstag und Sitz der deutschen Regierung, dem Paul-Löbe-Haus, in dem Bundestags-Abgeordnete ihre Büros haben, und dem Bundeskanzleramt. 

„Ein breites gesellschaftliches Bündnis ist entstanden“, ließ Jochen Fritz, einer der Organisatoren  wissen. 45 Trägerorganisationen, 65 Unterstützer aus der Landwirtschaft, sowie Umwelt-, Tier-, und Verbraucherschutz-Verbänden haben sich zusammengeschlossen. Sie fordern von der Bundesregierung mit Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich einen agrarpolitischen Neustart und schauen dabei auf den Koalitionspartner SPD.

2014 steht in Deutschland die Umsetzung der EU-Agrarreform an, im Mai findet die Europa-Wahl statt. Durch das geplante Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA drohen künftig Hormonfleisch, Chlor-Hühnchen und gentechnisch veränderte Produkte auf unseren Tellern zu landen.

Zum Nachdruck blieben persönliche Botschaften auf Tellern „serviert“, an Leinen aufgehängt vor dem Bundeskanzleramt zurück und von der Bühne herunter war zu hören: Wir wollen keine Agrarindustrie.  Wir wollen gutes Essen, eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft  - wir passen auf, wir kommen wieder.