Das Versagen der deutschen Medien

ukraine.jpg

Foto: maidan.in.ua

KIEW. (hpd) Zuerst wurde über die Ukraine in den Medien nur unter ferner liefen berichtet. Dann, nachdem einige Protestler den Nachrichtenmagazinen den Gefallen getan haben, die Bilder und Schlagzeilen zu liefern, die für Aufmerksamkeit (sprich Quote) sorgen, berichten die meisten deutschen Blätter völlig am Eigentlichen vorbei.

Und wenn eins der als seriös geltenden Blätter in Deutschland (SZ) dann auch noch von gewalttätigen Zusammenstößen "auf dem Maidan" berichtet, muss man nicht bloß deren Informations-Quellen ernsthaft hinterfragen.

Die geographische Falschinformation ist nicht das Ärgernis (es liegen nur gut 200 Meter zwischen dem Maidan und dem Ort der Ausschreitungen). An der Gruchevskowo Straße liegt die Rada, das Ministerkabinett. Und in diesem Bezirk befinden sich noch weitere staatliche Behörden. Es wurde also die direkte Konfrontation mit den politischen Kräften gesucht, auch wenn diese sich zur Zeit nicht in den Gebäuden aufhalten. Aber dieser Bezirk wird seit Wochen von Polizei und Sondereinheiten der Berkut gesperrt und bewacht. Die beabsichtigte Symbolik der Angriffe ist also eine völlig andere, als wären die Zusammenstöße auf dem Maidan passiert.

Der größte Vorwurf an "unsere" Medien jedoch ist, dass sie nicht nur ungenügend berichten, sondern verzerrt. Und wirklich wichtige Geschehnisse werden überhaupt nicht berichtet.

So ist zum Beispiel während der letzten Nacht ein Autokonvoi nach Mejigoriy, dem palastähnlichen Wohnhaus des Präsidenten, gefahren und haben mit (wie in der Kyiv Post berichtet wurde) hunderten Autos alle Ausfahrtsstraßen blockiert. Der Präsident dürfte zumindest auf dem Landwege sein Anwesen nicht verlassen können. Aber er verfügt über Hubschrauber.

Nun wird, wie sollte es anders sein, in deutschen Medien ausgiebig über einen Angriff mittels Feuerlöscher auf Klitschko berichtet. Das scheint sensationell zu sein, ist aber leider wieder einmal nur ein unvollständiger Informationshappen. Klitschko ist ins Zentrum des Geschehens gefahren, um die Demonstranten zum Gewaltverzicht aufzurufen. Das ist ohne Zweifel eine mutige Aktion gewesen, wenn auch erfolglos. Er wurde von einem der Demonstranten harsch angesprochen: "Ihr versammelt euch nun schon 60 Tage lang und nichts ist dabei herausgekommen. Wir nehmen die Sache jetzt selber in die Hand." Klitschko blieb sprachlos zurück. Dies konnte von tausenden Menschen in einer live-Übertragung beobachtet werden.

In diesem Zusammenhang, um die Tragweite dieses Zwischenfalls abschätzen zu können: Vor dem Marsch auf die Gruchevskowo Straße standen noch alle auf dem Maidan und lauschten den Reden einiger Oppositionspolitiker und anderen. Als nach mehreren Stunden immer noch keine klare Ansage seitens der Opposition kam, riefen aus der versammelten Menge heraus die Leiter des Automaidan, das ist die Organisation, die die Demonstrationen vor 2 Monaten initiiert hatten, zum Marsch auf das Ministerkabinett auf. Die Politiker auf der Bühne, die dies registrierten, rieten davon ab und baten die Demonstranten, auf dem Maidan zu verbleiben. Dennoch beteiligten sich Tausende am Marsch, wo es später zu den gewalttätigen Zwischenfällen kam.

Die Lehre aus dem gestrigen Geschehen

Der Opposition ist die Kontrolle über die Proteste entglitten. Viele hören nicht mehr auf die Oppositionspolitiker und fordern endlich konkrete Schritte zur Absetzung der Regierung Janukowitsch. Es ist eine Erosion des Vertrauens in die Opposition. Und einer zukünftigen demokratischen Ausrichtung der Ukraine sicher nicht förderlich.

Der Westen, allem voran die EU und die USA, kommen in den sozialen Medien, die in dieser Situation durchaus als Stimmungsspiegel gelten, immer schlechter weg. Die Statements von Politikern aus der EU und den USA werden bestenfalls noch spöttisch kommentiert. Immer häufiger jedoch liest man nun heftige Unmutsbekundungen gegenüber den vorformulierten Sprechblasen. Ein Aufruf an die EU und die USA macht dabei immer häufiger die Runde: "Act or f*** off".

Obige Meldungen werden in deutschen Medien schlicht ausgeklammert. Die Informationspolitik ist irreführend und oft nicht mal objektiv. Dies liegt vor allem daran, dass die großen Nachrichtenproduzenten wie dpa und Reuters selten kundige Journalisten vor Ort haben.

Kein Wunder also, dass in Deutschland (gleiches gilt für andere EU-Länder) die Menschen abstruse Kommentare in Foren absondern. Sie wissen es nicht besser. Und sie wissen es deshalb nicht besser, weil die Medien ihnen grundlegende Informationen vorenthalten.

Solange unsere EU-Medien nicht ihrem eigentlichen Informationsauftrag nachkommen, solange werden die EU-Bürger die Geschehnisse im EU-Anrainerstaat Ukraine nicht einordnen können. Missverständnisse werden gefördert statt vermieden. Eine bedenkliche Tatsache, die weit in die Zukunft hineinwirken wird.