Die Demokratie steht unter Druck. In einigen westlichen Ländern, sei es in den USA, Ungarn, Italien, den Niederlanden oder Frankreich, haben rechtspopulistische Parteien längst zentrale Machtpositionen erobert oder sind im Begriff, sie zu erreichen. Was vor wenigen Jahren noch als Warnung liberaler Intellektueller abgetan wurde, ist heute Realität. Das Buch "Das Sterben der Demokratie" von Peter R. Neumann und Richard C. Schneider beschreibt in beklemmender Klarheit, wie die Fundamente der liberalen Ordnung Schritt für Schritt ausgehöhlt werden – und warum auch Deutschland am Scheideweg steht.
"Demokratie bedeutet für Rechtspopulisten nicht Gewaltenteilung oder Kontrolle der Mächtigen, sondern eine möglichst unmittelbare Verbindung zwischen Herrschern und dem ‚wahren‘ Volk." Mit dieser Kernaussage in der Einleitung machen die Autoren deutlich, worum es geht: nicht um offene Diktaturen, sondern um eine schleichende Umwandlung der Demokratie in ein autoritäres System, das für sich in Anspruch nimmt, demokratisch zu sein.

Peter R. Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am King’s College in London, und Richard C. Schneider, Journalist und langjähriger ARD-Studioleiter, sind ausgewiesene Kenner der Materie. Ihr Buch ist keine kulturpessimistische Klage, sondern eine analytisch dichte Studie, die das Drehbuch der Populisten offenlegt. Sie schildern den "Plan der Rechtspopulisten" in Europa und in den USA, um daran zu arbeiten, die Macht zu übernehmen. Es handelt sich nicht um einen Staatsstreich, sondern um einen schleichenden Prozess; die Instanzen der Demokratie werden beibehalten, aber eingeschränkt. Den Rechtspopulisten geht es vor allem um die Justiz und die Medien, also jene Institutionen, die die Macht eines Präsidenten kontrollieren oder begrenzen können. Unter dem Vorwand, den "echten Willen des Volkes" umzusetzen und das System effizienter zu machen, werden demokratische Grundrechte eingeschränkt.
Ungarn als Blaupause
Besonders ausführlich widmen sich die Autoren Viktor Orbán, dessen Umbau Ungarns zum "illiberalen Staat" längst Vorbild für andere geworden ist. Justiz und Medien wurden gleichgeschaltet, die Opposition systematisch geschwächt, die Verfassung zugunsten einer Dauerherrschaft der Fidesz-Partei umgeschrieben. Äußerlich blieb die demokratische Fassade bestehen – Wahlen finden statt, Parlamente tagen. Doch die Spielregeln sind so manipuliert, dass der Machterhalt garantiert ist. Demokratische Strukturen werden systematisch zurückgedrängt, bis sie nicht mehr wirksam sein können.
Ungarns Beispiel macht Schule. In den Niederlanden gelang Geert Wilders mit einer Mischung aus Islamfeindlichkeit und EU-Skepsis ein Wahlerfolg, der ihn zum Königsmacher aufsteigen ließ. Seine Parolen zielen darauf ab, die Gesellschaft zu spalten und Minderheitenrechte auszuhebeln. In Italien setzte Giorgia Meloni ihre "Postfaschisten" an die Spitze der Regierung – eine Partei, die aus Mussolinis Erbe hervorging und nun unter neuem Anstrich christlich-konservative Werte predigt, während sie Minderheitenrechte abbaut. Alle eint das Bestreben, zu verhindern, dass der Volkswille durch "liberale Eliten" verwässert wird.
Frankreich wiederum erlebt mit Marine Le Pen eine gefährliche Normalisierung: Ihre Partei, einst als rechtsextrem geächtet, gilt inzwischen als mögliche Alternative. Le Pen versteht es meisterhaft, Krisenstimmungen im Élysée-Palast zu nutzen und sich als "Stimme des Volkes" zu inszenieren.
Am drastischsten ist das Beispiel der USA. Donald Trump hat die Institutionen des Landes schon in seiner ersten Amtszeit an den Rand einer Verfassungskrise geführt. Die Autoren zeigen, wie er und seine Bewegung systematisch an den Grundfesten der Gewaltenteilung sägen – sei es durch die Ernennung parteitreuer Richter, die Diffamierung unabhängiger Medien oder den Versuch, Wahlergebnisse zu delegitimieren. Dass er erneut ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, bedeutet nichts weniger als eine tiefe Erschütterung für die älteste Demokratie der Welt.
Deutschland im Fokus
Und Deutschland? Hier steht die AfD zwar nicht in der Regierungsverantwortung, doch sie verändert bereits jetzt die politische Kultur. Mit dem Dauerthema Migration mobilisiert sie Wähler, radikalisiert den Diskurs und zwingt die anderen Parteien in eine ständige Abgrenzungs- und Rechtfertigungshaltung. Neumann und Schneider warnen: Wenn die Union in Versuchung gerät, mit der AfD zusammenzuarbeiten, droht das deutsche Parteiensystem von innen zu erodieren. Die "Brandmauer" ist nicht moralisches Luxusgut, sondern ein existenzielles Schutzinstrument.
"Das Sterben der Demokratie" ist ein alarmierendes Buch – nicht, weil es in Panik verfällt, sondern weil es präzise zeigt, wie Demokratie nicht über Nacht abgeschafft wird, sondern langsam ausblutet. Schritt für Schritt, Gesetz für Gesetz, Wahl für Wahl. Neumann und Schneider enden dennoch nicht in Resignation, sondern mit einem Aufruf: "Die Zeit gegen den Rechtspopulismus erfordert Zeit und Engagement. Vor allem aber braucht er einen Plan."
Peter R. Neumann und Richard C. Schneider: Das Sterben der Demokratie, Rowohlt Verlag, Hamburg 2025, 220 Seiten, ISBN: 978-3-7371-0236-0, 24,00 Euro






