Russland vor den Olympischen Spielen

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Fotos: © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Die Reporter ohne Grenzen (ROG) haben heute vor der Russischen Botschaft in Berlin gegen die Einschränkungen des Presserechts und der Meinungsfreiheit in Russland demonstriert. Wir waren mit der Kamera vor Ort.

 

Schon im letzten Jahr veröffentlichten die Reporter ohne Grenzen einen Bericht über die Lage der Presse und der Journalisten. "Der Kreml auf allen Kanälen - Wie der russische Staat das Fernsehen lenkt". Einige Tage vor dem Beginn der Olympischen Spiele im russischen Sotschie hat ROG deshalb noch einmal an die kaum vorhandene Pressefreiheit in Russland erinnert.

In dem Bericht heißt es gleich eingangs: "Als modernes, dynamisches und offenes Land will sich Russland während der Olympischen Winterspiele im Februar 2014 präsentieren. Dies wird jedoch kaum gelingen, solange die russische Führung autoritär regiert und der Bevölkerung grundlegende Bürgerrechte verweigert. Reporter ohne Grenzen zählt den russischen Präsidenten Wladimir Putin seit Jahren zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit."

Wie der Bericht nahelegt, sind - mit einer Ausnahme - alle Fernsehsender Russlands mehr oder weniger deutlich in der Hand der russischen Regierung. Da liegt es nahe, dass kritische Stimmen schnell verstummen - entweder, weil sie entlassen werden oder sich selbst zensieren.

Das Fernsehen ist auch in Russland das wichtigste Machtinstrument für den Staat. Allerdings nutzt die russische Führung auch vor und sicherlich auch während der Olympischen Spielen das Fernsehen, "um mit der Kraft kontrollierter Bilder ihre Sicht auf die Welt zu vermitteln".

Denn den Reportern im Land wird in vielerlei Hinsicht der Mund verboten. Unter Gesetzen, die das "Benutzen von Schimpfwörtern" verbieten, oder das "Beleidigen von Religionen" unter Strafe stellen - ohne je genau zu definieren, was Schimpfwörter oder Beleidigung von Religion genau ist, ist ein faires und objektives Berichten so gut wie unmöglich. Der letzte Schlag gegen die Unabhängigkeit des Journalismus ist ein Gesetz, das Werbung für "nichttraditionelle sexuelle Beziehungen" in Anwesenheit Minderjähriger verbietet. De facto richtet es sich gegen Berichte über Homosexuelle und soll – wie das Verbot von Schimpfwörtern – dem Schutz Minderjähriger dienen. Die Strafen für Zuwiderhandlungen reichen bis zu einer Million Rubel für Sender und Verlage (ca. 23.000 Euro), gegebenenfalls können Medien sogar für bis zu 90 Tage geschlossen werden.

Die Reporter ohne Grenzen decken in ihrem Bericht auch auf, wie es der russischen Führung gelang, ehemals eigenständige Sender wieder zu ihrem Sprachrohr zu machen. Sie fragen auch danach, wie das Staatsfernsehen seine monopolartige Stellung halten kann. Ebenso aufschlussreich sind die finanziellen Mittel, die Russland in seinen Auslandssender Russia Today (RT) steckt. Ausgestattet mit einem Budget in Höhe von circa 250 Mio. Euro jährlich will sich der Sender international als Alternative zu CNN International und BBC World etablieren. Und vermittelt ein Bild von Russland, das häufig wenig mit der Realität gemein hat.

Deshalb fordert ROG die aus Sotschie berichtenden Nachrichtenagenturen dazu auf, die von der "gastgebenden Nachrichtenagentur RIA Nowosti" angebotenen Nachrichten mit aller gebotener Skepsis zu nutzen und angesichts der massiven Kontrolle des russischen Fernsehens durch den Staat "Material staatsnaher russischer Sender" nur dann zu übernehmen, wenn dies deutlich als eben solches gekennzeichnet ist "und die Herkunft der Bilder durch Quellennachweise transparent" gemacht wird.

Berichterstatter sollten die Realität vor Ort im Blick behalten und "sich nicht durch professionell produziertes, vermeintlich journalistisches Material täuschen lassen, das im Auftrag der russischen Führung entsteht und deren Image im Ausland verbessern soll."

Denn der Widerspruch "zwischen dem modernen und weltoffenen Bild, das die russische Führung von ihrem Land vermitteln will, und der fehlenden Freiheit in einem Staat, der auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit nur auf Platz 148 von 179 Ländern steht" darf nicht aus dem (journalistischen) Blicke verloren werden.