(hpd) Der Kommunikationswissenschaftler Tobias Jaecker nimmt in seiner Studie “Hass, Neid, Wahn. Antiamerikanismus in deutschen Medien” eine Diskursanalyse einschlägiger Berichterstattung vor und konstatiert ein weit verbreitetes Negativ-Bild von den USA.
Auch wenn er keine trennscharfe Unterscheidung von Antiamerikanismus und USA-Kritik entwickelt, beeindruckt die Studie doch durch die einzelnen Detailanalysen und den ideengeschichtlichen Hintergrund, aber auch durch die Herausarbeitung von Erscheinungsformen und Strukturprinzipien des Antiamerikanismus.
Während der Präsidentschaft von George W. Bush kam in Deutschland heftige Kritik an der Gesellschaft und der Regierungspolitik in den USA auf. Handelte es sich dabei um einen Ausdruck von plattem Antiamerikanismus oder um rationale Kritik? Der Rückgang entsprechender Einstellungen und Stimmungen nach dem Wechsel zu Barack Obama scheint für die letztgenannte Auffassung zu sprechen.
Doch schätzt man den ersten schwarzen Präsidenten der USA nicht gerade, weil er - mit den im zugeschriebenen Eigenschaften Intellektualität, Kultur und Tiefe – als so “unamerikanisch” gilt? Diese Deutung legt der Kommunikations- und Politikwissenschaftler Tobias Jaecker in seine Studie “Hass, Neid, Wahn. Antiamerikanismus in den deutschen Medien” nahe. Er will darin, “die Elemente und Erscheinungsformen des Antiamerikanismus im medialen Diskurs in Deutschland” (S. 13) aufzeigen. Basis dafür bildet die Analyse einschlägiger Berichte in Magazinen und Zeitungen, aber auch von Inhalten von Fernsehkrimis und Popsongs zwischen 2001 und 2010.
Antiamerikanismus ist für den Autor “ein stereotypes Deutungsmuster, das auf einem meist negativen, oft auch ambivalenten, aber stets vorgefertigten Bild von Amerika basiert. Dabei ist der Antiamerikanismus mit Eigenbildern verknüpft und hat mehr mit der Situation und den Vorstellungen desjenigen zu tun, der ihn äußert, als mit Amerika selbst” (S. 20).
Im ersten größeren Teil wird dies anhand der Berichterstattung in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur anhand der Kommentierung der Anschläge vom 11. September 2001, der ökonomischen Entwicklung im Sinne des “Neoliberalismus” oder der Herausbildung einer “McKultur” im Alltagsleben aufgezeigt. Demnach seien antiamerikanische Deutungsweisen im medialen Diskurs in Deutschland weit verbreitet und fänden sich in fast allen großen Hörfunk-, Online- und Print-Medien. Dabei bestünde eine Identität der Meta-Stereotype bei allen Unterschieden im Detail: “Amerika wird als überaus gefährlich und eigennützig, profitgierig, künstlich, oberflächlich und dekadent charakterisiert” (S. 262).
Danach will Jaecker auf Basis seiner Analyse die Elemente des Antiamerikanismus herausarbeiten. Zunächst verweist er auf Strukturprinzipien wie “Dualismus” mit dem “Gut-Böse”-Denken, “Projektion” von Aversionen auf Amerika, “Selbstaufwertung” der Eigengruppe gegen die USA und “Verschwörungsdenken” zur Erklärung von Umbrüchen. Danach erörtert der Autor, inwieweit Antiamerikanismus mit Begriffen wie “Ideologie”, “Ressentiment”, “Vorurteil” und “Weltanschauung” treffend erfasst werden kann. Diesen Ausführungen folgt ein ideengeschichtlicher Rückblick auf die Geschichte des Antiamerikanismus von 1492 bis in die Gegenwart, wobei auch die inhaltlich Verkopplung mit dem Antisemitismus angesprochen wird. Und schließlich erörtert Jaecker den Antiamerikanismus als Ausdruck eines Unbehagens im entgrenzten Kapitalismus, gelten die USA doch als Symbol für gesellschaftliche Umbrüche. Antiamerikanismus gilt ihm als eine “konformistische Rebellion” (S. 368), die nach außen, statt nach innen gerichtet sei.
Jaecker legt eine beeindruckende Studie vor, welche erst in der Gesamtschau des dokumentierten und untersuchten Materials die weite Verbreitung einschlägiger Ressentiments belegt. Indessen stellt sich auch hier immer wieder die Frage, inwieweit einzelne Aussagen nicht mehr für USA-Kritik und weniger für Antiamerikanismus stehen. Im konkreten Fall gehen die jeweiligen Äußerungen häufig ineinander über, was der Autor keineswegs verkennt. So wird auch deutlich, dass seine Definition von “Antiamerikanismus” nicht trennscharf genug ist.
Als aufschlussreich kann aus analytischer Sicht die Herausarbeitung von Strukturprinzipien gelten, wobei die gängigen Merkmale von Vorurteilen eben auch in diesem Fall auszumachen sind. Und schließlich sei noch auf die ideengeschichtliche Verortung des Antiamerikanismus verwiesen. Jaecker kann dabei deutlich machen, dass sich manche all zu fortschrittlich wähnende Auffassung in einem tatsächlich reaktionären Kontext schon in vorherigen Jahrhunderten fand.
Armin Pfahl-Traughber
Tobais Jaecker, Hass, Neid, Wahn. Antiamerikanismus in den deutschen Medien, Frankfurt/M. 2014 (Campus-Verlag), 409 S., 29,90 Euro