Vor knapp zwei Jahren, damals anlässlich einer vom Bund katholischer Ärzte diagnostizierten Therapiewürdigkeit von Homosexualität, schrieb ich der institutionalisierten Religion zu, eine Kraft zum Bösen zu sein.
Ich bin in meiner Überzeugung nie wankend geworden, denn in der seither vergangenen Zeit erfolgten in aller Welt und für alle großen Religionen zahllose Bekräftigungen dieser Zuschreibung. Daß ich aber erneut zu diesem Thema mich zu äußern veranlasst sehe, hat mit der jüngsten Kulmination in Deutschland zu tun, die zu eklatant ist, um sie zu ignorieren:
Erst stimmt Matthias Matussek der Klassifizierung von Homosexuellen als Fehler der Natur und unvollständig ausgestattete Wesen zu und feiert dabei zugleich seine eigene Homophobie.
Dann tritt eine preis- und medaillendekorierte Sibylle Lewitscharoff auf und verkündet in einer fassungslos machenden, wirklich unsäglichen Rede, daß nicht nur Selbstbefriedigung ruhig verboten werden möge, sondern auch daß das "Gemurkse" der modernen Reproduktionsmedizin schlimmer sei als die nationalsozialistischen "Kopulationsheime" und daß sie gar auf künstliche Weise gezeugte Kinder nur als "zweifelhafte Geschöpfe" und "Halbwesen" anzusehen imstande sei. Besonders verstörend: Nach der Rede gab es langen Beifall.
Zuletzt ließ sich noch Wolfgang Spindler, seines Zeichens Dominikanerpater, auf einer CSU-Veranstaltung allen Ernstes mit einer Beschwerde über die "Inflation der Menschenrechte" hören und verglich Homosexualität, worin er die „Auflösung der menschlichen Natur“ sehe, mit "Polygamie, Polyandrie oder Sodomie". Auch hier wieder freundlicher Beifall für derartige Absonderungen.
Allen drei Äußerungen ist gemein, daß sie von religiösen Menschen im Sinne ihrer religiösen Überzeugung getätigt wurden. Und alle drei sind hoch problematisch, da sie implizit oder explizit die Menschenrechte und z.T. gar die Menschenwürde einem religiös begründeten Normierungsanspruch nachordnen.