FRANKFURT. (hpd) "Der Darwin-Code. Wer hat Angst vor der Evolution des Menschen?" Vortrag von Dr. Sabine Paul am 15. Mai 2009 in Frankfurt am Main, im Rahmen der zweiten Vortragsreihe der Säkularen Humanisten – Regionalgruppe Rhein-Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung (GBS) - in Zusammenarbeit mit DiKOM e.V.
Bericht und Kommentar von Jochen Beck
Die zweite Vortragsreihe der Säkularen Humanisten Rhein-Main wurde am 15.05. im Saalbau Bornheim von der promovierten Biologin Sabine Paul beschlossen. Nachdem sie bereits diverse Abschnitte ihres - gemeinsam mit dem Wissenschaftshistoriker Prof. Dr. Junker veröffentlichten - Buches „Der Darwin Code“ am 13.02.2009 im Rahmen des Darwin-Festaktes in der Nationalbibliothek zu Frankfurt präsentiert hatte, referierte sie diesmal über ihre Überlegungen zu den evolutionsbiologischen Ursprüngen von Kunst und Religion, die im zweiten Teil des Buches vorgestellt werden.
Zunächst freilich ging die Referentin auf die Polemiken ein, der die Evolutionstheorie auch heute noch ausgesetzt ist. Dazu gehören nicht nur religiös motivierte Entgegnungen wie Kreationismus und Intelligent Design. Oft ist auch das Unbehagen darüber, seine Existenz Mechanismen wie der natürlichen Auslese zu verdanken und die damit angeblich einhergehende Legitimation inhumaner Handlungen für eine ablehnende Haltung ausschlaggebend. So wird heute zwar die Entstehung der biologischen Arten einschließlich der menschlichen Anatomie durch Evolution weithin akzeptiert, aber die geistig- gefühlsmäßigen Eigenheiten der Menschen als Produkte der Evolution zu sehen, wird nach wie vor mit der gleichen Selbstverständlichkeit abgelehnt.
Dr. Paul setzte die Kenntnis der Evolutionstheorie, wahrscheinlich zu Recht, bei dem Publikum voraus. Trotzdem rekapitulierte sie noch einmal in groben Zügen deren Erklärungskraft zur Entstehung der Arten als einen Vorgang natürlicher Züchtung, dessen Mechanismus sich aus der exzessiven Überproduktion von Nachkommen bei konstanten Lebensraum, dem daraus resultierenden Wettbewerb um Überlebens- und Fortpflanzungschancen und der somit zwangsläufigen Bevorzugung neuer vorteilhafter Variationen zusammensetzt, wodurch sich bei der Verfügbarkeit unermesslicher Zeiträume die allmähliche Abwandlung vorhandener und letztendliche Herausbildung neuer Lebensformen ergibt.
Allerdings wurde lange Zeit ignoriert, dass bereits Darwin nicht nur von natürlicher, sondern auch von „sexueller Zuchtwahl“ schrieb. Ausschlaggebend für diese Entdeckung war der - für den Daseinskampf – zweifelhafte Nutzen evolutionärer Errungenschaften wie dem des Hirschgeweihs und des Pfauengefieders. Solche Entwicklungen sind eher durch die Präferenzen der Fortpflanzungspartner zu erklären, die offenkundig manchmal Merkmale favorisieren, die auch bei Fressfeinden Aufmerksamkeit erregen können. Aber warum sollte man Merkmale bevorzugen, die ein Handikap darstellen? Dies erläuterte Sabine Paul durch Bilder zweier gut gekleideter männlicher Exemplare einer gewissen höheren Primatenart. Kleidung und sportliche Figur können zwar Gehaltsklasse, Gesundheit und ähnliches signalisieren, aber sind diese Signale immer wirklich zuverlässig? In der Natur kommt auch das Konzept der Täuschung vor, bei den Menschen etwa durch Hochstapelei oder der Geheimhaltung von Krankheiten. Die Demonstration von Lebenstüchtigkeit, trotz eines Handikaps, ist eben ein unverfälschtes Signal. Genau hier kann man dann zum evolutionsbiologischen Verständnis der „Geheimwaffe Kunst“ anknüpfen.
Kunst als Selektionsvorteil
Aus der Sicht einer Logik des „Daseinskampfes“ ist die Kunst ein Handikap, denn sie beansprucht Ressourcen, zeitigt aber keine unmittelbar greifbaren Vorteile für den Existenzkampf. Wenn man aber unterstellt, dass der Mensch mit allen seinen Merkmalen ein Produkt der Evolution ist, muss die Kunst über einen Selektionsvorteil verfügen. Da die modernen Menschen sich von den Neandertalern, ihren einstigen Rivalen, vor allem durch ihren Status als „kunstschaffende Spezies“ unterscheiden, steht diese, nach Ansicht des Autorenpaares, sogar in dem dringenden Verdacht, ein entscheidender Selektionsvorteil zu sein. Zum einen zeigt die Kunst handwerkliche und geistige Fähigkeiten des Künstlers und erfüllt damit, wegen des hier ebenfalls gültigen Handikap-Prinzips, das Kriterium des „Qualitäts- und Ehrlichkeitssignals“. Zum anderen liefert die Kunst auf ästhetisch ansprechende Weise zusätzliche Möglichkeiten der Kommunikation, sie vermittelt z.B. Ideen und Konzepte durch Symbolik. Dr. Paul benutzt hierzu das Beispiel einer Gruppe paläolithischer Jäger, die in einen Disput darüber gerät, welche Richtung man einschlagen solle, die dann derjenige für sich entscheidet, der durch seine Erzählkunst für das eine Ziel Neugierde erwecken, das andere aber entsprechend verunglimpfen kann.
Wahrscheinlich ahnte die Referentin nicht, wie gelungen dieses Beispiel war. Ich zumindest fühlte mich unwillkürlich an meinen letzten Alpenurlaub erinnert - aber auch an meinen Lieblingskabarettisten Vince Ebert und dessen Schilderungen seiner Heimat (bayerischer Odenwald).
Außerdem kann die Kunst die Phantasie einer Gruppe zur Steigerung ihres Identitätsbewusstseins ansprechen (z.B. Heldenepik in einer Kriegerkultur).