Städte hinterfragen kirchliches Arbeitsrecht (2)

Mehr als Anregen, Prüfen und Appellieren kann eine Stadt nicht, da sie sich nicht über Bundesgesetze wie das AGG und das BetrVerfG hinwegsetzen kann. Eine mögliche Strategie wäre jedoch eine Art lokale Antidiskriminierungsrichtlinie. Ein Gutachten von Prof. Dr. Fasselt belegt, dass zum Beispiel auf kommunaler Ebene Maßnahmen zur sogenannten positiven Diskriminierung formuliert werden könnten. Zum Beispiel könnte man das Einhalten des Tarifrechts als Vergabekriterium nutzen oder dass sich die Vielfalt der Stuttgarter Bevölkerung im Personalschlüssel widerspiegeln möge.
Die Fraktion SÖS/Linke im Stuttgarter Gemeinderat weist außerdem auf die Unterzeichnung der EU-Charta für Geschlechtergleichstellung und der Charta der Vielfalt durch Stuttgart hin, die für städtische Angestellte gelten. Sehen Sie in Anknüpfung daran Möglichkeiten, zu diskriminierungsfreien Vorgaben bei der Stuttgarter Auftragsvergabe?

 

Die Stadt hat schon diskriminierungsfreie Vorgaben und Vergabekriterien.  Die Frage ist ja, welche durch höhere rechtliche Regelungen und Gesetze aufgehoben werden und welche nicht.

Bislang gelten hier folgende Kriterien, ich zitiere: Nach § 11 AGG hat der Arbeitgeber die Stelle inner- wie außerbetrieblich so auszuschreiben, dass er keinen Bewerber wegen seines Geschlechts, seiner Rasse oder ethnischen Herkunft, seiner Behinderung, seiner Religion oder Weltanschauung, seiner sexuellen Identität oder seines Alters benachteiligt. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn das genannte Merkmal (oder sein Nichtvorliegen) eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit selbst oder die Bedingungen ihrer Ausübung darstellt.

 

Wie geht es weiter?

Wir erwarten noch vor dem Sommer eine Diskussion und Gespräche mit den Freien Trägern, das war die Aufgabe auch an die Verwaltung.

Das Interview führte Corinna Gekeler

 

Die Osnabrücker und Stuttgarter Beschlüsse im Detail:

Der Rat der Stadt Osnabrück fasste auf gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Linke, UWG/Piraten am 12.11. 2013 folgenden dreiteiligen Beschluss:

1. Der Rat der Stadt Osnabrück hält auch in Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft die Gewährleistung der vollen ArbeitnehmerInnenrechte sowie die Beschränkung des besonderen Tendenzschutzes auf den Bereich der religiösen Verkündigung für erforderlich. Deshalb fordert er den Bundesgesetzgeber auf, den § 9 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) entsprechend zu ändern und den § 118 Abs. 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zu streichen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, mit den von der Stadt finanzierten kirchlichen Einrichtungen Gespräche zu führen, die zum Ziel haben, dass diese bis zu einer entsprechenden Gesetzesänderung freiwillig auf die derzeit noch bestehenden Sonderrechte im Umgang mit den bei ihnen Beschäftigten verzichten.

3. Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, ob bei künftigen Verträgen mit Einrichtungen/externen Trägern (konfessionsgebunden und konfessionsneutral) Vereinbarungen bezüglich der arbeitsrechtlichen Regelungen der dort Beschäftigten getroffen werden können. Ziel dieser Vereinbarung soll die Gewährleistung der vollen ArbeitnehmerInnenrechte in allen von der Stadt finanzierten Einrichtungen sein.

 

Der Stuttgarter Gemeinderat beschloss am 10.02.2014, die Verwaltung möge alle freien Träger zu einem Gespräch über deren Einstellungs- und Beschäftigungskriterien einladen. Und zwar mit dem Ziel, dass die bei der Stadt üblichen Kriterien erfüllt werden.

Die Grünen (Stuttgarts größte Fraktion) stellte den Antrag zusammen mit allen anderen vertretenen Parteien, d.h. (der Größe nach) mit den Fraktionen der CDU, SPD, Freien Wählern, FDP und SÖS/Die Linke.

Man strebt Transparenz über die Bedingungen bei kommunal finanzierten Arbeitsplätzen an und möchte einen Dialog mit den kirchlichen Einrichtungen über deren gängige Einstellungspraxis.

Trotz dieses parteiübergreifenden Vorstoßes wurde auf Protest der kirchlichen Träger hin inzwischen eine Präambel zur weltanschaulichen Neutralität für Träger in Ganztagsschulen gekippt, was jedoch nicht direkt mit dem Beschluss vom 10.02.2014 zusammenhängt.

 
Mehr zu Stuttgart:
http://www.lust-auf-stadt.de
http://hpd.de/node/18106
http://hpd.de/node/17958
http://www.stuttgarter-zeitung.de

Mehr zu Osnabrück:
http://hpd.de/node/17195
http://hpd.de/node/17196
http://fraktion-gruene-os.de
 
Mehr zu München:
http://www.aks-muenchen.de