BERLIN. (hpd) Der dritte Tag des Humanistentages wurde als “Tag der Evolution” angekündigt. Da war es klar, dass an diesem Tag auch Colin Goldner über das Great Ape Project sprach. Der letzte Tag stand hingegen ganz in Zeichen der Menschenrechte. Und so waren es vor allem Mina Ahadi und die Podiumsdiskussion mit Heiner Bielefeldt, die den Tag prägten.
Der Freitag begann mit einer Stadtführung durch das freigeistige Regensburg. Denn neben dem Humanistentag in der Gaststätte Arberhütte gab es in der Stadt neben der Kunstaktion von David Farago auch eine religionsfreie Zone, an der sich unter anderem auch die “Säkularen Humanisten - Freunde der gbs” aus dem Rhein-Main-Gebiet beteiligten.
Alexander Tschierse schreibt dazu: “Mit eigenem Infostand ergänzten wir den Auftritt der bfg Neuburg/Ingolstadt unweit des Regensburger Hauptbahnhofes. Während am Vormittag die einströmenden Besuchermassen Richtung Innenstadt und Dom zogen, ergaben sich neben bisweilen ungläubigem und kopfschüttelndem Erstaunen ob unserer Präsenz vielerlei Gespräche. Dabei zeigten sich wie so oft inhaltliche Überschneidungen hinsichtlich der gemeinsamen Werte, die sich je nach Weltanschauung aus religiösen oder säkularen Herleitungen speisten. Kaum jemand wollte sich offen zu homophoben Ansichten der Amtskirche bekennen oder diskriminierende Arbeitsrechte innerhalb von Institutionen in kirchlicher Trägerschaft verteidigen. Dabei erschien die Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und Kirchendogmatismus ein ums andere Mal eklatant. Denn auch die meisten Menschen christlicher Prägung möchten für sich beanspruchen, zu den Guten zu gehören, zu den ‘Kümmerern’.”
In der Arberhütte eröffnen Birgit Vogler und Robert Eder mit den Worten “Being green - It’s not easy being green”, die Nachmittags-Vorträge und stellen eine Bürgerbewegung vor, deren Wurzeln in England liegen. Das Anliegen der Bürgerbewegung “Transition-Town Regensburg” ist eine Energie-, Kultur- und Ökonomie-Wende. Bei Transition geht es um eine positive Vision einer postfossilen Welt, in der Beziehung und Kooperation mehr zählen als Konsum. Diese positive Herangehensweise ist die logische Antwort auf Ressourcen-Verknappung.
Die Regensburger Gruppe hat beispielsweise zwei “essbare Oasen” in der Altstadt eröffnet. Der weltanschaulich neutrale Verein hat einen Gemeinschaftsgarten im evangelischen Bildungwerk eingerichtet; im vergangenen Dezember eröffnete die “Wechselwelt”: ein Umsonstladen und der Transition-InfoPunkt in der Obermünsterstrasse. Seit fast einem Jahr wird sonntäglich gemeinsam mit “geretteten” Lebensmittel im L.E.D.E.R.E.R. gekocht. Die “grüne” Homepage der Gruppe bietet Informationen zu allen Themen des Vereines.
Colin Goldner stellte anschließend im großen Saal das Great Ape Project (GAP) und das jüngst erschienene Buch “Lebenslänglich hinter Gittern” vor. In seinem Vortrag ging es jedoch weniger um die erschreckenden Erkenntnisse, die er in deutschen Zoos vorfand und die zu seinem Buch führten. Goldner sprach über das Verhältnis “Mensch-Natur” und insbesondere über das Verhältnis von Mensch und Tier. Denn das ist auch aufgrund religiöser Anschauungen von nichts weniger getragen als von Achtung oder Respekt; vielmehr von gnadenloser Zunutzemachung und Ausbeutung, und das in ausdrücklichem Auftrage eines Gottes, der seinen “Ebenbildern” befiehlt, sich die Erde untertan zu machen und zu herrschen “über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.” [1.Mose 1,28].
Über die Philosophie des Epikur sprach anschließend Erwin Schmid. Dieser wunderbar aktuelle Grieche nannte schon zu seiner Zeit ein “glückliches Leben” eines, bei dem durch Genuss jeder Tag ein einzigartiger werden sollte. Alle Beeinträchtigungen des Seelenfriedens sind dabei zu vermeiden bzw. zu überwinden, die aus Begierden, Furcht und Schmerz erwachsen können. Die Lust am Leben stetig auszukosten, macht die Kunst des epikureischen Weisen aus.
An der epikurischen Diskussion gab es aus dem Publikum einiges auszusetzen. Zum einen, so der Hinweis, galt dieses “glückliche Leben” nur für die Herrschenden; Sklaven und einfache Menschen waren davon ausgenommen. Ein anderer Gast wies darauf hin, dass Epikur sagt, Glück bedarf einiger Voraussetzungen. Freundschaft ist eine davon. Andere sind die Begrenztheit von Schmerzen und die Freiheit vom Tod. Das könnte man im modernen Sinn auch auf das Recht auf einen selbstbestimmten Tod anwenden.
Der Vorsitzende von Jugendweihe Deutschland, Konny G. Neumann stellte die Bücher und Texte vor, über die mit den Jugendlichen bei der Vorbereitung auf die Jugendweihe gesprochen wird. Der Vortrag war ein Plädoyer der Aufklärung.
Kirsten Reuter von der Freireligiösen Gemeinde Berlin stellte den Friedhofspark Pappelalle vor. Der gleichnamige Film über diese von den Berlinern als “Dissidentenfriedhof” bezeichneten Begräbnisstätte ist als Dokumentarfilm angelegt. Kurzweilig umreißt er die Geschichte dieses heutigen Gartendenkmals und die Geschichte der Freireligiösen Gemeinde Berlin und bettet gleichzeitig Geschichten zur sich herausbildenden Sozialdemokratischen Partei, zur Arbeiterbewegung, zu den Anfängen einer Frauenbewegung ein.
Der Abend brachte wieder ein musikalisches Kontrastprogramm. Zuerst spielte das Trio “Sauglockenläutn” satirische Volksmusik aus Bayern. Leider nur für hartgesottene Musndsprachler geeignet. Der Bandlaeder Peter Röckl hat dem hpd den Text eines Liedes notiert: "Geid (Geld) is(t) da (der) Sklaventreiba (Sklaventreiber)
Wachts auf iha miadn Knocha (Wacht auf, ihr müden Knochen)/Stähds auf und raffts weng/Wei so kon des nimma weida da geh/I mog aich raffa säng/Hey/Schdäds auf und raffts aweng/Wie i mog des nimma säng/Wias uns voron/Wias uns in dem sheiß sysem vabron/Geid Geid Geid Geid/Geid is da Sklaventeiba/Iluminati, Rotschild, Kapitalismus kead an den Pranga es woin mia nimma ham/Unsa neia Gott des is a Shand/Dag und Nacht arwan, des macht krank/Für Geid des ned gib miass ma Zins’s zoin/Irgnd wann weama auf’d Schnauzn foin/Mia schdanga mitten drinn um Dreck/Drr Kapitalismus der geod weg/Geid is a Sklaventreiber/So wia oana miass ma schdeh/Hand in Hand muass ma geh/Mitananda somma schrark/Wemma ned gwinn a na deads arg/Geid is da Sklaventreiba
Die Reggae-Band “Kräuterkult” brachte am Abend dann den Saal zum Tanzen. Nach drei Zugaben verließen die verschwitzten Humanisten und die anderen Gäste den Saal der Arberhütte.
Menschenrechtstag
Glück und Lachen waren die Themen am Morgen des letzten Tages. Robert Langer verknüpfte Tatsachen rund um das Glück mit Witzen. Es hießt, der Vortragende war sich sicher, das sein Vortrag auf jeden Fall unwissenschaftlich, mitunter tendenziös und vielleicht auch nicht ganz neu ist - “aber Eine(r) ist auf jeden Fall der Dumme”.
Langer berichtete, dass der englische Psychologe Richard Wiseman im September 2001versuchte, mittels einer Internetbefragung herauszufinden, welcher Witz von den meisten Menschen als lustig empfunden wird. Der Aufforderung, den eigenen Lieblingswitz auf die Seite zu stellen und die Witze anderer zu bewerten, folgten etwa 500.000 Menschen aus insgesamt 70 Ländern. Sie stellten zusammen 40.000 Witze ein, zu denen 1,5 Millionen Bewertungen abgegeben wurden. Die meisten Stimmen erhielt folgender Witz: “Zwei Jäger sind im Wald unterwegs, als einer von ihnen zusammenbricht. Er scheint nicht mehr zu atmen, und seine Augen sind glasig. Der andere Typ zückt sein Telefon, ruft den Notdienst an und stößt hervor: ’Mein Freund ist tot! Was kann ich nur machen? - Darauf der Telefonist: ‘Beruhigen Sie sich. Ich kann Ihnen helfen. Zuerst sollten wir sicherstellen, dass er tot ist.’ Kurze Pause, dann ein Schuss. Zurück am Telefon sagt er: ‘OK und was jetzt?’”
Vor dem Essen zelebrierte Bruder Spaghettus eine Nudelmesse für das Fliegende Spaghettimonster und danach begann der Höhepunkt des Tages: Mina Ahadi sprach über die Verletzung der Menschenrechte durch den Islam. Mit ihrer Emotionalität berührte sie das Publikum, das wie gebannt saß und unter anderem zuhörte, als sie ihr Handy hochhielt und den Mitschnitt eines Telefonats mit einem Häftling in einer iranischen Todeszelle abspielte.
Zur großen Podiumsdiskussion zum Thema “Menschenrechte und Religionen” konnte der Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats Heiner Bielefeldt begrüßt werden. Der begann seine Rede mit dem Hinweis, dass die Menschenrechtscharta ein säkularer Anspruch sind und die Formulierung bewusst und gegen entsprechende Forderungen ohne religiöse Bezüge erfolgte. Mina Ahadi kritisierte, dass auch die UN nicht immer konsequent darauf dringt, dass Staat und Religionen getrennt werden. Zumal Religionen oft der Grund für Menschenrechtsverletzungen sind - so im Iran, in Pakistan oder auch in Saudi-Arabien.
Hubertus Mynarek wies darauf, dass die Kritik aus menschenrechtlicher Sicht sich nicht gegen Religionen per se richten dürfte, sondern eher den Kirchen angelastet werden muss. Dem wurde vielfach widersprochen, denn es sind die Religionen, die in ihren “heiligen Büchern” menschenverachtend sind; nicht allein die Institutionen, die die Religionen vertreten.
Gerhard Rampp wies darauf hin, dass - entgegen gern wiederholter Argumente - die Menschen nicht “natürlich religiös” sind. Das aber nimmt nicht zurück, dass Religionsfreiheit ein hohe Gut und ein Grundrecht sei. Doch muss sich Religionsfreiheit allen anderen Menschenrechten unterordnen und darf diesen nicht (in der Ausübung) widersprechen.
Heiner Bielefeld reagierte auf den Widerspruch von Mina Ahadi mit dem Hinweis, dass “uns allen klar ist, dass die Menschenrechte nur schwer umsetzbar sind.” “Aber - so Bielefeldt weiter - ” wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. Auch wenn das nicht immer so wahrgenommen wird.“ Als Beispiel nannte er die Behindertenkonvention. Vor 20 Jahren war das Thema noch nicht einmal Thema. Heute verpflichten sich die Staaten. Menschenrechtspolitik jedoch - so der UN-Beauftragte - findet auf staatlicher Ebene statt, nicht ”in New York oder Genf".
Auch in der anschließenden und regen Diskussion wurde vor allem Heiner Bielefeldt mit Fragen bestürmt. Es ging dabei um den Missbrauch von Menschenrechten (beispielsweise, wenn im Namen der Menschenrechte Kriege geführt werden) und dann um die Beschneidung männlicher Säuglinge aufgrund religiöser Ideen. Die sich daran anschließende Diskussion wäre einen eigenen Tagesordnungspunkt und eine oder zwei Stunden Zeit wert gewesen. Denn aus gut unterrichteter Quelle ist dem hpd bekannt geworden, dass sich Bielefeldt nach der Diskussion etwas weniger begeistert von der Beschneidung gezeigt hat als zuvor.
Der Abend und damit auch fast der Humanistentag 2014 wurde mit Literatur beschlossen. Martin Stein las aus “Der zitable Atheist”, der deutschen Ausgabe eines in den USA wohlbekannten Buches. Von den rund 1.000 Zitaten bekannter und unbekannter Freidenker wie auch Klerikaler trug Stein etliche vor. “Die Zecke des Zaren” heißt ein von Roland Prillwitz illustriertes Kinderbuch, aus dem die Autorin Gudrun Opladen vortrug. Die Erzählung ist nicht nur eine unterhaltsame, heitere Parodie auf religiöse Orthodoxie und politischen Größenwahn, sondern informiert auch ganz nebenbei über das ungeliebte, blutsaugende aber dennoch faszinierende Wesen Zecke.
“Wo bitte geht’s zum Menschen” fragte Helge Nynke den kleinen Fuchs. Launig und witzig erzählte Nynke Geschichten aus und über seine Bücher. Er ist nicht nur der Illustrator des Buches “Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel” (“Ferkelbuch”), um das es sogar einen Rechtsstreit gab, sondern auch Autor eigener Bücher. An- und abschließend des Tages spielte “BERNT - Die Bänd” zum täglichen musikalischen Abschluss auf.
Am Ende soll als Credo der vier Tage noch ein Zitat vom oben bereits zitierten Alexander Tschierse stehen: “Die Zeit wird kommen, da ein Bundespräsident und eine Bundeskanzlerin ein Grußwort zum Humanistentag sprechen werden. Und nachfolgende Generationen werden sich sich dereinst kaum erklären können, dass es einmal anders war.”