Woher kommen die Naturgesetze?

Es gibt noch eine Annahme der Modelle zur Weltbeschreibung, die unabdingbar ist: Ein Naturgesetz sollte von der Position des Individuums unabhängig sein. Warum? Weil man in einer objektiv existierenden Welt genau daran festmacht, dass sie subjektunabhängig ist. Ein Würfel wandelt nicht seine Form, wenn wir um ihn herumgehen, sondern unsere Perspektive ändert sich.

Voraussetzungen sind immer Beobachtungen. Wann hat man je Gott beobachtet?

Damit kann man nicht erklären, wieso die Natur mathematischen Gesetzen folgt, sondern man muss es eher umgekehrt betrachten: Wir konstruieren die Mathematik so, dass sie alle logisch möglichen Welten beschreiben kann, und da unsere Welt existiert, ist sie eine davon.

Mathematik ist also geeignet, das Verhalten der Natur zu schildern. Aber warum zeigt sich die Natur so, wie sie sich aufführt? Diese Frage mag trivial klingen, sie hat es aber in sich. Anders formuliert: Wieso können wir ein berechenbares Modell bilden, mit dem wir Naturereignisse vorhersagen können? Selbstverständlich können wir das nicht, wenn wir einen nicht erkennbaren, nicht erfassbaren, nicht vorherberechenbaren Gott mit einbauen oder voraussetzen. Das sollte eigentlich unmittelbar einsichtig sein – für christliche Wissenschaftler ist es das auch, meistens, für Laien weniger. Prinzipiell nicht Beobachtbares sollte man aus dem, was man erkennen will, heraushalten.

Was also sind die Eigenschaften der Natur, aus denen man ihr Verhalten ableiten kann, und woher kommen diese?

Die Antwort auf diese Frage ist ebenso verblüffend wie einfach: ALLE Naturgesetze sind Eigenheiten der Leere! Unser Universum “erbt” die Merkmale der Leere, weil es aus dieser heraus entstanden ist.

Wenn Menschen an “das Nichts” denken, meinen sie meistens, es handle sich um ein “Etwas” ohne Eigenschaften. Aber was keine Merkmale hat, existiert nicht. Alles, was vorhanden ist, verfügt über Attribute. Auch eine vollkommene Leere besitzt beschreibbare Eigenheiten. So ist sie z. B. symmetrisch, sie ist sogar “supersymmetrisch” – man kann sie an jeder Achse spiegeln, und sie bleibt gleich. Erst wenn wir ein Teilchen in dieses Nichts hineinschießen, zerbricht die Symmetrie. Und ALLE Naturgesetze folgen aus der Symmetrie und dem Brechen dieser.

Nehmen wir die fundamentalen Naturgesetze, etwa die Energieerhaltungssätze (EE). Der wesentliche Satz, dass in einem geschlossenen System die Energie weder zu- noch abnehmen kann (die Gesamtenergie bleibt konstant), wird aus den Symmetrieeigenschaften abgeleitet (Noether-Theorem, für die, die das gerne nachschlagen wollen).

Dass die Leere, das Nichts, symmetrisch ist, kann man mit Sicherheit nicht auf Gott zurückführen. Es sei denn, man wolle unterstellen, dass er erst das Nichts erschaffen hat …

Folglich braucht man auch keinen Gott, um die grundlegenden Erhaltungssätze zu entdecken oder zu formulieren. Es gibt keinen Gesetzgeber, der die Eigenschaften des Nichts geformt hat. Wenn man die Naturgesetze daraus ableiten kann, dann kann Gott auch nicht derjenige sein, der diese Gesetze geschaffen hat. Tatsächlich kann man dies mit jedem bekannten Naturgesetz machen! Das geht nicht in einem kurzen Artikel, wer wissen will, wie das funktioniert, dem empfehle ich das Buch Stenger, Victor J. The Comprehensible Cosmos : Where Do the Laws of Physics Come From? Amherst, N.Y.: Prometheus Books, 2006.

Es nützt auch nichts, zu behaupten, dass Gott der Schöpfer der Logik und damit der Mathematik sei. Denn diese kann man tatsächlich, wie Bertrand Russel gezeigt hat, aus 1 + 1 = 2 ableiten. Wenn es nur einen Gott gab, dann folgt daraus, ohne dass er dazu etwas machen musste, die ganze Mathematik.

Es kommt noch besser: Gott wird als reiner Geist gedacht – was bedeutet, Gott kann nicht der Schöpfer des Geistigen sein, weil er sich sonst selbst hätte erschaffen müssen. Ohne Logik hätte Gott keine Möglichkeit gehabt, die Logik zu erschaffen. Denn nach welcher Logik folgt aus Allmacht, dass das entsteht, was man will? Ohne Logik geht das nicht, also muss man diese voraussetzen.

Da man also nur die Leere und die Mathematik voraussetzen muss, folgt daraus, dass man keinen Gott braucht. Diese Hypothese ist verzichtbar. Sie ist sogar schädlich, wenn man damit Modelle baut, mit denen man Vorhersagen über die Wirklichkeit aufstellen kann.

 


Übernahme von richarddawkins.net