Dass die Feiertagsgesetzgebung in Deutschland einem christlichen Feiertagsverständnis folge und so jüdische Religionspraxis nicht mitdenke, kritisiert das Berliner Tikvah Institut. Sein Mitgründer und Geschäftsführer, Volker Beck, fordert entsprechende Änderungen der Feiertagsgesetzgebung.
Am vergangenen Sonntag fand in Berlin die öffentliche Tagung "Gut Schabbes? Chag Sameach! Religionsfreiheit und Respekt für die Arbeitsruhe an Schabbat und jüdischen Feiertagen" statt, auf der Religionsverfassungsrechtler, jüdische und christliche Theologen mit Jüdinnen und Juden, Politikerinnen und Politikern darüber diskutierten, welche Veränderungen im Feiertagsrecht notwendig sind, damit sich jüdisches Leben hierzulande diskriminierungsfrei entfalten könne. Organisiert wurde die Tagung von der Experteninitiative Religionspolitik (EIR), der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie dem Tikvah Institut.
In einer Pressemitteilung des Tikvah-Instituts wird sein Geschäftsführer, der ehemalige religionspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Volker Beck, mit der zentralen Forderung der Veranstaltung zitiert: "Die Feiertagsgesetze der Bundesländer müssen endlich klarstellen, dass Jüdinnen und Juden an Schabbat und den Hohen Feiertagen einen Anspruch auf Arbeitsruhe haben."
Das Problem: "Deutschland hat 16 Feiertagsgesetze. Aber: Die Feiertagsgesetze folgen einem christlichen Feiertagsverständnis. Trotz 1700 Jahre jüdischem Leben in Deutschland, denken sie jüdische Religionspraxis nicht mit. Zwar sind die hohen jüdischen Feiertage in manchen Feiertagsgesetzen der Bundesländer teilweise erwähnt – gewährleistet wird aber allenfalls der Besuch des Gottesdienstes. Keines der Gesetze schützt die jüdische Religionspraxis umfassend. Die für Jüdinnen und Juden geltenden Regelungen finden sich zum Teil an anderer Stelle."
"Ich weiß aus erster Hand, welche Herausforderungen sich aus Prüfungen oder Pflichtveranstaltungen am Schabbat ergeben können", wird in der Pressemitteilung des Tikvah Instituts der Landesrabbiner für Sachsen-Anhalt, Daniel Fabian, zitiert. "Während meines Biologiestudiums musste ich deshalb vier Semester auf eine Mathematikprüfung warten. Prüfungen allgemein nur an Wochentagen abzuhalten sowie ein zentraler Kalender mit den Feiertagen der Religionen könnten hier Abhilfe schaffen."
16 Kommentare
Kommentare
Petra Pausch am Permanenter Link
Ich hab da mal eine Frage: Was passiert, wenn der Staat/die Gesellschaft allen Religionen Feiertage nach Wunsch gewährt? Und was ist dann mit uns, die wir keiner solchen Gemeinschaft angehören?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Der Frage möchte ich mich anschließen.
Sie (bzw. die Antwort darauf) offenbart m.E. die Irratio, auf dem Trittbrett der christl. Religion und deren Privilegien mitzufahren.
Georg Dorn am Permanenter Link
Ich bewundere Ihren gesunden Menschenverstand. Aber der ist leider nicht sonderlich gefragt.
SG aus E am Permanenter Link
Der Vorschlag, religiöse und weltanschauliche Minderheiten könnten an 'ihren' Feier- und Gedenktagen ja Urlaub nehmen, hat seine Grenzen.
Sollten in einem Betrieb z.B. mehrere Linke den jährlichen "Gedenktag Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht" wirklich immer am 'richtigen' Datum, dem 15. Januar, begehen wollen, könnte es leicht zu Konflikten kommen. Ähnlich, wenn die praktizierenden Muslime eines Betriebes zum Zucker- und zum Opferfest frei haben wollten. Und eben, wenn Juden ihre Feiertage begehen wollen.
Viele vergessen, dass gesetzliche Feiertagsregelungen in erster Linie für die Arbeitnehmer da sind (2). Viele vergessen auch, dass 'der Staat' für alle Bürger da sein soll (deshalb soll er ja religiös-weltanschaulich neutral sein). Da ist es 'nicht zielführend', wenn die säkulare und weltanschaulich ungebundene Mehrheit die Anliegen der anderen in arroganter Weise ignoriert (3) und deren Rechte einfach vom Tisch fegt.
Wer den Artikel aufmerksam gelesen hat, hat vielleicht bemerkt, dass auf der Tagung gar keine neuen allgemeinen Feiertage gefordert wurden, sondern praktikable Lösungen für die Probleme, denen Minderheiten in diesem Staat zu kämpfen haben. Was spricht also dagegen, anderen Menschen mit Respekt und Wohlwollen zu begegnen und auf deren Anliegen mit Umsicht und Flexibilität einzugehen? (4)
Der Vorschlag mit einem erweiterten Kontingent von Urlaubstagen anstatt allgemeiner Feiertage ist nicht schlecht – wenn das Problem mit den "betrieblichen Gründen" zugunsten der Arbeitnehmer gelöst werden kann (5).
—
(1) https://www.arbeitsrecht.org/arbeitnehmer/urlaub/wenn-betriebliche-gruende-gegen-den-urlaub-sprechen/
(2) Petra Pausch am 8. November 2022 - 11:08 (ff), A.S. m 8. November 2022 - 12:08, Inseljunge am 8. November 2022 - 13:43 (f)
(3) Weber am 8. November 2022 - 13:45, Nick Rudnick am 8. November 2022 - 14:39 (f)
(4) im Text wurde erwähnt: einfach mal einen interreligiösen Kalender anschauen und Hirn einschalten
(5) ... und dann bräuchte man noch Regelungen für Schüler, Lehrer usw. (gegendert: Lernende und Lehrende)
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wenn man sich in unserem Land einmal genau soviel Gedanken über die Ärmsten Menschen hier machen würde, wie um die vielen Religionen, welche sich in der BRD etabliert haben, aber dafür besteht anscheinend kein Interes
Religionen gehen vor Emphatische Menschlichkeit, es ist beschämend, dass ein jeglicher erfundener Glaube mehr Schutz erfährt als die ständig steigende Zahl der Menschen die
sich in unserem Wohlstandsland bei der Tafel ernähren müssen.
Rüdiger Kramer am Permanenter Link
Ich will das jeder Mittwoch zum Feiertag erklärt wird. Ich verehre den Mittwoch, da er die Woche teilt. Das hat was religiöses.
A.S. am Permanenter Link
Schafft die religiösen Feiertage alle ab! Erhöht im Gegenzug den gesetzliche Mindesturlaub!
Aberglaube mit Lehrbuch ist immer noch Aberglaube.
Andreas am Permanenter Link
Ich glaube, ich versuche mich auch mal als Religionsstifter: In meiner Religion ist 24/7 strengste Ruhe einzuhalten ... also gesetzlicher Feiertag.
Roland Fakler am Permanenter Link
…und was ist mit dem Freitag, der den Muslimen heilig ist? Vielleicht gibt es auch noch einige Anhänger des Donnergottes Thor, denen der Donnerstag heilig ist.
Inseljunge am Permanenter Link
Wenn schon, dann richtig: Die 20 Tage nach Bundesurlaubsgesetz
um die Anzahl der bisherigen religiös begündeten Feiertage erhöhen.
Zur Nutzung der religiösen Feiertage kann dann Urlaub genommen
Georg Dorn am Permanenter Link
Wohl durchdacht. Leider unerwünscht.
Weber am Permanenter Link
Das ist die Krux, wenn ein Staat, welche sich zu Religions- und Weltanschauungfragen neutral verhalten sollte, bestimmte Religionen hofiert und deren wirre Anschauungen in den Rang von Feiertagen erhebt.
Nick Rudnick am Permanenter Link
Bitte nicht noch mehr religiöse Zwangsfeiertage!
Zur Zeit werden aber bekanntlich Anders- und Nicht-Religiöse von Staats wegen gezwungen, an gewissen Feiertagen Dinge zu tun oder zu unterlassen. Damit muss Schluss sein! Es gibt genügend Vorschläge, wie Religiösen die Möglichkeit gegeben werden kann, ihrer Religion nachzugehen, ohne Andere zu beeinträchtigen.
Und die derzeitigen kirchlichen Zwangsfeiertage gehören durch säkulare Feiertage abgelöst.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Absolut richtig, dieser Religiösenfeiertagsschwemme die rote Karte zeigen und NUR weltliche Feiertage ohne Bezug auf kirchliche Belange zulassen.
Alexander Heiseler am Permanenter Link
Freitags bin ich dann Moslem, Samstags Jude, Sonntags Christ und Mittwochs hänge ich den altgermanischen Religionen an. (Der Mittwoch oder Wotanstag war der Tag der höchsten germanischen Gottheit)
wolfgang am Permanenter Link
Jeder Tag ist doch ein "Feiertag", denn einen Grund zum Feiern gibt es doch immer;