Mit braunen Augen, aus denen abwechselnd der Schalk und die Wut blitzen und in denen mal Trauer, mal Hoffnung, mal Entschlossenheit aufscheinen, ausladenden Gesten und kräftiger, resoluter Stimme spricht die nimmermüde Aktivistin über Erlittenes, Erhofftes und Erreichtes bei ihrem Kampf gegen Todesstrafe und Steinigung und die Unterdrückung der Frauen im Iran. "Frauenrevolution" nennt sie die über zwei Monate andauernde Protestbewegung im Iran, in die sie große Hoffnungen setzt.
Beweggründe für ihr Aufbegehren gegen den politischen Islam wurzeln schon in ihrer Kindheit und verdichteten sich durch die dauernde Schikane und Bedrohung, unter der sie als Regimekritikerin im Iran lebte, die 1980 in der Festnahme ihres Mannes und fünf ihrer Gäste in ihrer Wohnung, während sie auf der Arbeit war, und deren späterer Hinrichtung gipfelte. Daraufhin war sie steckbrieflich gesucht und schließlich in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden und lebte im Untergrund bis sie zuerst 1981 nach Iranisch-Kurdistan und dann 1990 nach Wien flüchtete.
Sie schweift in ihrem Vortrag auch zurück zu ihren Kinder- und Studienjahren im iranischen Abhar und Tabriz, ihrer jugendlichen Auflehnung gegen Ver- und Gebote, die ihre Mutter mit "weil Allah das nicht will" zu rechtfertigen pflegte, sobald die Tochter nach deren ihr unverständlichem Sinn fragte. Traum der jungen Medizinstudentin war es gewesen, mit Minirock und ohne Kopftuch in einem Café zu sitzen und Marx zu lesen. Doch nicht nur die Erfüllung dieses Traums blieb ihr verwehrt, sondern auch die Fortsetzung ihres Studiums. Wegen ihres politischen Aktionismus war sie auf einer Liste von Personen gelandet, die vom Studium ausgeschlossen wurden, und arbeitete fortan in einer Fabrik. Auch der Traum von einer Liberalisierung sollte nicht wahr werden. Stattdessen wurde alles schlimmer: In der Stadt wie auf dem Land. Steinigungen von Frauen, wie sie zunehmend Usus wurden, wobei das Prozedere bis zur Durchschnittsgröße der zu verwendenden Steine schwarz auf weiß in Vorschriften definiert stand, hatte ihre Großmutter in ihrem Dorf früher nie erlebt. Mina Ahadi musste sie erleben und war fassungslos, dass die Weltöffentlichkeit so etwas zulassen konnte. 2001 gründete sie das Internationale Komitee gegen Steinigung, 2004 das Komitee gegen Todesstrafe. Durch ein Netzwerk mit über 200 Organisationen und zunehmend auch unter Einsatz der neuen Medien wie zum Beispiel Facebook gelang es ihr, unter dem Druck der Weltöffentlichkeit Steinigungen zu stoppen. Lebhaft erzählt sie von meist jungen, mit Mobiltelefonen und Internet vertrauten Menschen, die sie anriefen und um ihre Hilfe anflehten, weil beispielsweise der Mutter die Steinigung drohte oder der 18. Geburtstag bevorstand und eine als Jugendliche Inhaftierte mit der Volljährigkeit ihre eigene Hinrichtung fürchtete. Sie veröffentlichte solche Fälle auf Facebook, wo sie teils prompt in 30 Sprachen übersetzt und verbreitet wurden. Die geballte öffentliche Aufmerksamkeit verhinderte oft das Schlimmste.
"Frauen, Leben, Freiheit" lautet der Slogan der aktuellen Revolution
"Das Kopftuch ist eine Waffe gegen Frauen", sagt Ahadi, das äußere Zeichen ihrer Unterdrückung. Darum ist das Abnehmen und Verbrennen von Kopftüchern bei der gegenwärtigen "Frauenrevolution" eine bezeichnende Geste. Nicht nur in den großen Städten, aus denen die Medien im Ausland berichten, finden gegenwärtig Demonstrationen und Protestaktionen statt, sondern auch in den Dörfern und Kleinstädten, wie der Stadt Abhar, aus der Ahadi stammt und in der Verwandte von ihr leben. Obwohl Ahadi die gegenwärtige Protestwelle "Frauenrevolution" nennt, weil sie von Frauen ausging und Menschenrechte für Frauen fordert, erzählt sie, dass auch Männer sich ihr anschließen und sich bei den Demos ihre Turbane vom Kopf reißen, um sie zu den Kopftüchern auf die Straße zu schmeißen. Denn Iran ist in einer Sackgasse. Alles ist teuer, viel zu viel ist verboten. Das Leben ist schwer, freudlos und erstickt. Immer weniger Menschen wollen sich mit der Situation abfinden. Auf die Frage aus dem Publikum, wie Ahadi aufgrund dessen, was ihr Verwandte und Freunde aus dem Iran berichten, die aktuelle Situation einschätze und ob sie in einen Bürgerkrieg münden könne, verneint sie letzteres, sondern meint: "Von Teheran bis Kurdistan sind wir uns einig". Ziel sei ein säkularer Staat.
Kritik am Umgang mit dem Islam in Deutschland
Nachdem sie ausführlich aus dem Iran berichtet hat, geht Ahadi auf die Situation im Westen und speziell in Deutschland, wo sie zur Zeit lebt und sich engagiert, ein. Hier stört sie vor allem, dass Menschen, die aus islamischen Ländern wie dem Iran stammen, das Etikett "Muslim" übergestülpt wird, ob sie sich zur islamischen Religion bekennen oder nicht. Ihr selbst, die sich immer und überall klar als Atheistin bezeichnet und den Zentralrat der Ex-Muslime gegründet hat, ist es passiert, dass ein WDR-Interview mit ihr unter dem Titel "Mina Ahadi – Eine muslimische Frau" geführt wurde.
An dieser Stelle bringt sich auch Gerhard Rampp vom Veranstalter Bund für Geistesfreiheit Augsburg ein, dessen Vorsitzender er ist. Er pflichtet Ahadi bei, dass der Begriff "Muslim" falsch ist, wenn er automatisch auf alle Menschen aus dem islamischen Kulturkreis angewandt wird: "Muslim ist nur, wer sich selbst als Muslim definiert, und selbst da ist das ausdrückliche Glaubensbekenntnis die zusätzliche Voraussetzung." Weiter führt er aus, dass wir in Deutschland (geschätzt) etwa 5 bis 5,5 Millionen "Muslime" haben, von denen aber nur ein Zehntel überhaupt Mitglied in einem Verband oder einer Moscheegemeinde ist. Somit können diese Organisationen nicht Personen vertreten, die sie gar nicht dazu autorisiert haben. Der vom türkischen Staat kontrollierte Verband DITIB behauptet zum Beispiel, er spreche für 70 Prozent der "Muslime" in Deutschland. Tatsächlich gehören ihm nur knapp zwei Prozent (nämlich rund 100.000) als Mitglied an. Der Einwand, da seien die Frauen aber noch nicht mitgerechnet, entlarvt vieles, zählt aber nicht: Dann müssen eben Frauen als Mitglied aufgenommen werden – so Rampp.
Appell an die Weltöffentlichkeit
Am Ende appelliert Ahadi an die Unterstützung Deutschlands, Europas und der Welt. Mit ihrer Hilfe war es zwischen 2007 und 2010 bereits gelungen, Steinigungen zu stoppen. Auch nun ist wieder ein Punkt, wo es des Beistands aller freiheitlichen Länder bedarf. Dazu hat sie zahlreiche Politiker*innen angesprochen, die ihren Berichten und Appellen "mit kalten Augen" folgten, wie sie sagt, während ihre eigenen braunen Augen glühen, ihre Schultern sich heben und ihre Arme sich öffnen und die leeren Hände vorschieben. "Bis jetzt haben wir immer wieder Gleichgültigkeit gesehen", beklagt sie. Skeptisch sieht sie vor allem Politikerinnen wie Claudia Roth, die mit Kopftuch in den Iran reisen. Als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet sie die vor einigen Tagen erlassene Resolution des UN-Menschenrechtsrat gegen den Iran, die unter anderem eine unabhängige Untersuchung des gewaltsamen Vorgehens der iranischen Führung gegen die Protestbewegung verlangt. Doch seien weiter die Öffentlichkeit ebenso wie die Politik gefragt, um den Protesten zum dauerhaften Erfolg zu verhelfen. Auf Fragen aus dem Publikum, was konkret wir hier tun könnten, nennt sie unterstützende Demonstrationen, mit Politikern zu reden, konkrete, gezielte Proteste beispielsweise gegen bevorstehende Hinrichtungen, das Schließen der Botschaft und des IZH in Hamburg.
In seiner Abmoderation verspricht der Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg finanzielle Unterstützung für Ahadis Arbeit auch von Seiten dieser säkularen Organisation, was ihren Dank und den Beifall der Zuhörer findet.