BERLIN. (hpd) Der „Tag des Offenen Denkmals“ bildete am letzten Freitag
(7. September) den Anlass, dass Überlebende des Holocaust wieder an den Ort zurück kehrten, an dem sie einen Teil ihrer Kindheit verbrachten: Sechs Zeitzeugen aus Israel, USA und Deutschland erinnerten sich an diesem Abend an die Zeit, in der sie als Kinder und Jugendliche mit dem Jüdischen Kinderheim Fehrbelliner Str. 92 in Berlin-Prenzlauer Berg verbunden waren.
In dem 1864 erbauten Haus, heute ein Stadtteilzentrum, in dem der Humanistische Verband Berlin die „Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe“ betreibt, befand sich von 1910 bis 1942 das Kinderheim mit Kindergarten, Hort und Lesestube des Jüdischen Kinderheims e.V.. 1931 hatten hier 180 Kinder einen Heimplatz. Fast alle in dem Heim untergebrachten Kinder und ebenso fast alle dort mit ihrer Pflege und Erziehung betreuten Erwachsenen kamen im Holocaust um. Die wenigen, die Diskriminierung, Verfolgung und Konzentrationslager der NS-Diktatur überlebten, leiden noch heute unter diesem Trauma.
Der Geschäftsführer des HVD Berlin, Manfred Isemeyer, betonte in seiner Begrüßungsrede (PDF im Anhang) vor gut 100 Gästen: „Humanistinnen und Humanisten informieren, überzeugen, streiten wider das Vergessen. Sie sind davon überzeugt, dass mit der Beseitigung der Unwissenheit über Auschwitz junge Menschen nicht mehr für rechtsradikales Gedankengut anfällig werden.“
Er verwies auf den unschätzbaren Wert der Zeitzeugenberichte für die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit hin. Den Versuchen von Rechts, die NS-Geschichte zu ignorieren oder sie umzudeuten, müsse entschieden entgegengetreten werden. „Um das Umschreiben von Geschichte darf es uns niemals gehen, wohl aber darum, zu beschreiben und zu erklären, Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen, Vorurteile abzubauen und Irrtümer zu korrigieren, mit einem Wort: die Erinnerung an das, was war, und, wenn auch in anderer Gestalt, wieder sein könnte, wachzurufen und wach zuhalten. Denn wer aus der Geschichte nichts lernt, so hat es einmal jemand formuliert, der ist verurteilt, sie zu wiederholen.“
Isemeyer dankte besonders auch Inge Franken, der Autorin des Buches „Gegen das Vergessen“ die durch das Zusammenstellen historischer Quellen und Fotos sowie durch Interviews mit Überlebenden das jüdische Kinderheim in das öffentliche Bewusstsein rückte.
Im Laufe des Abends gaben die ehemaligen BewohnerInnen Einblick in den Alltag und das Leben in dem Heim und zeichneten ein beklemmendes Bild von Ausgrenzung, Deportation und Ermordung der Juden unter der NS-Herrschaft. Diese Erinnerungen waren von Schmerz getragen, aber ohne Zorn im Ton, immer bemüht, eine Sprache für das Unaussprechliche des Holocaust zu finden.
Im Anschluss an die bewegenden Berichte wurde eine neue Fotoausstellung über das Leben im jüdischen Kinderheim und das Schicksal der anwesenden Zeitzeugen feierlich eröffnet. Zu besichtigen war auch eine Dokumentation des Fotografen Abraham Pisarek, der zwischen 1934 und 1936 die Kinder des Hauses und ihre Erzieherinnen fotografiert hat.
Zu später Stunde, nach intensiven Gesprächen, ging eine bewegende Veranstaltung zu Ende, die Spuren hinterließ und stark machte gegen jede Form Diskriminierung und Rassismus heute.