BERLIN. (hpd) Eine von 60 Stimmen des Gremiums "Runder Tisch Kindesmissbrauch" ist die von Dr. Christine Bergmann. In ihrer Funktion als "Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des Sexuellen Kindesmissbrauchs" präsentierte sie gemeinsam mit Prof. Dr. Jörg M. Fegert den Abschlussbericht ihrer Arbeit.
Mit einem Kabinettsbeschluss am 24. März 2010 wurde die Stelle der "Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des Sexuellen Kindesmissbrauchs" eingerichtet und Dr. Christine Bergmann berufen. Am 9. April 2010 nahm die Geschäftsstelle ihre Arbeit auf.
Unter dem Datum "Stand April 2011" stellte Christine Bergmann heute im Haus der Bundespressekonferenz mit ihrem Abschlussbericht (hier zum Download) Ergebnisse und Empfehlungen ihrer Arbeit vor, die eigentlich bis Ende 2011 hätten warten können.
Warten, das genau wollte die Beauftragte nicht, sondern der Politik die Chance geben, sich auf die Umsetzung ihrer Empfehlungen einzustellen und die Weichen zu stellen.
Missbrauch an Kindern ist kein neues Thema
"Missbrauch an Kindern ist kein neues Thema, darüber wird speziell von Frauen seit mehr als 20 Jahren gesprochen und dieses Thema ist noch lange nicht erledigt." Damit erinnert Christine Bergmann auch an die Odenwaldschule, Vorfälle in Ahrensburg, im Canisius Kolleg etc. .
Ihr Auftrag ist, Missbrauch an Kindern in Institutionen und - darin ist die Einmaligkeit ihres Auftrags anderen Ländern gegenüber zu sehen – auch den Missbrauch an Kindern in Familien aufzuarbeiten. Was das bedeutete, ist im Einzelnen in dem 300seitigen Abschlussbericht dokumentiert, der, wie Christine Bergmann versicherte, Ende 2011 um dazu kommende Erkenntnisse ergänzt wird.
"Aufarbeiten" steht dafür, die verschiedenen Erfahrungen und Sichtweisen, die ihr und dem Team in Gesprächen offengelegt wurden oder die sie schriftlich erreichten, auszuwerten.
Schweigen ist eine wichtige Maßnahme der Vertuschung
Von sexuellem Missbrauch berichteten 22 % derjenigen, die den Kontakt aufgenommen hatten. 89 Prozent der Betroffenen waren weiblich. Bei zehn Prozent fand der Missbrauch in Institutionen statt, bei 84 Prozent in der Familie. 48 % waren zum Zeitpunkt der an ihnen ausgeübten sexuellen Gewalt zwischen 7 bis 12 Jahren.
Die Unabhängige Beauftragte ließ Expertisen erstellen, beispielsweise über Beratungsstellen, zeigte Defizite in der Ausbildung von Psychotherapeuten, berichtete über Forschungsprojekte über Sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen in Institutionen.
Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm erinnerte daran, die Grundlage des Abschlussberichtes seien Spontanmeldungen und es handele sich dabei um „anvertraute Äußerungen".
Noch ein paar Zahlen zur Übersicht: Nach über einem Jahr des Bestehens nehmen täglich 40 Menschen den Kontakt zur Anlaufstelle auf. Das durchschnittliche Alter ist 46 Jahre. Sechs Prozent der Anrufer haben sich hier erstmals getraut, über die an ihnen ausgeübte sexuelle Gewalt zu sprechen. 94 Prozent berichten über Missbrauch in der Vergangenheit. Über "wiederkehrenden sexuellen Missbrauch und Taten über einen längeren Zeitraum" sprechen 60 Prozent.