BHA: Umfrage zeigt Irrsinn britischer Politik

LONDON. (hpd) Ergebnisse einer von den Behörden in Auftrag gegebenen Bevölkerungsumfrage in Großbritannien legen nahe, dass nichtreligiöse Menschen sich dort genauso oft in die Gesellschaft einbringen wie christliche Gläubige. Andrew Copson, Direktor der British Humanist Association (BHA), sieht in den Ergebnissen einen Beleg dafür, dass die Privilegierung religiöser Gruppen auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft „Irrsinn“ ist.

Regelmäßig wird von Angehörigen oder Vertretern christlicher Kirchen im Klerus und der Politik behauptet, dass der eigene Glaube und die bibelorientieren Wertvorstellungen zu einem besonderen Engagement in der Gesellschaft motivierten. Damit soll unter anderem erklärt werden, weshalb auch in Regionen mit besonders hohem Anteil konfessionsfreier und nichtreligiöser Menschen die Parlamente, Regierungen oder Gremien im Medien- und Kulturbereich ganz überwiegend von Mitgliedern der Kirche besetzt sind, während Konfessionsfreie dort deutlich unterrepräsentiert sind.

Die letzte Bevölkerungsumfrage in Großbritannien hatte nun auch Bereiche unter die Lupe genommen, die über Unterschiede beim gesellschaftlichen Engagement einigen Aufschluss gibt. Die Ergebnisse des Citizenship Survey wurden aus mehr als 15.000 persönlichen Interviews gewonnen, die zwischen April 2010 und März 2011 in England und Wales geführt wurden. Darunter gab es 4.700 Befragungen von Menschen aus ethnischen Minderheiten sowie 842 Interviews mit Personen muslimischen Glaubens. Die alle zwei Jahre veröffentlichte Erhebung zielt darauf ab, repräsentative und belastbare Ergebnisse als Arbeitsgrundlage für die staatliche Politik zu erzeugen.

Dabei stellte sich heraus, dass beim zivilgesellschaftlichen Engagement und der Übernahme ehrenamtlicher Aufgaben zwischen nichtreligiösen Menschengruppen und christlichen Gläubigengemeinschaften in England und Wales keine signifikanten Unterschiede bestehen. Jeweils 56 bzw. 58 Prozent gaben an, sich auf diese Weise wenigstens einmal im vergangenen Jahr betätigt zu haben. Am geringsten ausgeprägt war mit jeweils 44 Prozent die Zustimmung bei Muslimen und Hindus, am höchsten die in der Gruppe „andere Religionen“, welche Minderheiten wie etwa Anhänger des Judentums zusammenfasste.

Auffallend: Wer sich der christlichen Konfession zuordnet, neigt auch vergleichsweise deutlich seltener dazu, sich regelmäßig unter Angehörige andere Konfessionsgemeinschaften oder Ethnien zu mischen. Im Citizenship Survey rangieren Christen hier mit 78 Prozent Zustimmung seit Jahren auf dem letzten Platz. Der Wert bei den konfessionsfreien Befragten liegt bei 86 Prozent, die höchste Zustimmung gab es in dieser Frage bei Muslimen und Sikhs, einer aus Indien stammenden Glaubensrichtung. Die befragten Christen machten auch deutlich, sich signifikant seltener am Arbeitsplatz oder in schulischen Einrichtungen mit Angehörigen von Gruppen nichtchristlicher Prägung zusammenzutun.

Relevant sind die Ergebnisse unter anderem deshalb, weil in Großbritannien seit vergangenem Jahr verstärkt das zivilgesellschaftliche Engagement im Sozial- und Bildungsbereich gefördert werden soll. Unter dem Titel der Big Society erklärte der britische Premierminister David Cameron im Wahlprogramm eine Reform der Gesellschaftspolitik, um die staatliche Macht wieder stärker in die Hände von Bürgern und Kommunen zu verlagern und sie zu einer entsprechenden Partizipation zu motivieren. Cameron erwartet, dass die gesellschaftlichen Gruppen zunehmend Aufgaben übernehmen, welche der Staat aus Sicht der Bürger nicht oder in ungenügender Weise erfüllt. Die Gegner der Idee beurteilten das Konzept als Ausrede, um Ausgaben für den öffentlichen Dienst zu kürzen. Tatsächlich stehen den britischen Haushalten weiterhin massive Sparanstrengungen bevor.

Andrew Copson kommentierte die Ergebnisse des Citizenship Survey, wobei er erneut die staatliche Finanzierung von Konfessionsschulen kritisierte. In Großbritannien wurden zuletzt ebenfalls Reformen umgesetzt, die religiösen Gruppen die Übernahme und Eröffnung von staatlich finanzierten Schulen erleichtern und Abweichungen vom nationalen Lehrplan auf Basis religiöser Vorstellungen sowie Diskriminierungen andersgläubiger Menschen im Rahmen der Beschäftigung erlauben.

Copson betonte zudem die Notwendigkeit einer Politik, die auf eine Verbesserung von Zusammenhalt und Inklusion in den kommunalen Gemeinschaften zielt. Die Privilegierung religiöser Gruppen insbesondere im Bereich der Bildung bezeichnete er angesichts der Ergebnisse der Bevölkerungsumfrage und dem angestrebten Modell einer Big Society als „Irrsinn“.
 

Arik Platzek