Christentum macht Menschen böse
Wie andere, mit der Realität unvereinbare Dogmen, führt die Idee einer Seele zu unethischen Positionen und Handlungen. Bei einem Flugzeugunglück in Montana wurden vor einer Woche 14 Menschen getötet, darunter sieben Kinder. Irving „Bud" Feldkamp, Vater von zwei und Großvater von fünf der Kinder, war nicht an Bord. Er verlor an diesem Tag einen großen Teil seiner Familie. Feldkamp ist der Besitzer von „Family Planning Associates", einer Reihe an Kliniken, die auch Abtreibungen durchführt.
Gingi Edmunds erklärt in einem Artikel auf ChristianNewsWire, wie man das Unglück theologisch zu deuten habe. Sie weist zunächst darauf hin, dass das Flugzeug auf einem katholischen Friedhof abgestürzt ist. Auf diesem Friedhof stehe die „Gruft der Ungeborenen", die an alle abgetriebenen Embryos erinnern möchte. Ironisch, nicht wahr?
Gingi Edmunds gehört zu einer Gruppe von Abtreibungsgegnern, die vor dem Unglück jede Woche vor Feldkamps Haus auftauchte, um ihn auf folgendes hinzuweisen: „Wir haben ihn gewarnt, zum Wohle seiner Kinder, seine Hände von dem Blut der Unschuldigen reinzuwaschen, an dessen Vergießen er beteiligt war, denn, wie die Bibel warnt, falls ‚du das Blutvergießen nicht gehasst hast, wird dich das Blutvergießen verfolgen‘ (Ezekiel 35:6)".
Edmunds sagt ferner: „Laut einer Nachrichtenquelle hat Bud Feldkamp den Absturzort mit seiner Frau und zwei überlebenden Kindern am Montag besucht. Als sie neben dem verbogenen und verkohlten Wrack standen und mit den Ermittlern sprachen, fiel leichter Schnee auf die Abdeckplane, welche die Überreste ihrer Kinder bedeckten."
Gott tötete also die Kinder eines Besitzers von Abtreibungskliniken, wie es Gingi Edmunds in ihrer prophetischen Weisheit angekündigt hatte. Das „poetische" Ende dieser Moralpredigt mit dem leichten Schnee, der die getöteten Kinder des Sünders bedeckt, gibt ihr die letzte Prise unmenschlicher Abartigkeit, die zu einem Machwerk des puren Bösen noch gefehlt hatten. Übrigens war auch eine schwangere Frau an Bord. Gott hat auch sie getötet und ihr Kind abgetrieben.
Für die freie Wahl?
Doch bevor wir uns weiter mit den kranken Fantasien und modischen Vereinnahmungsstrategien christlicher Abtreibungsgegner befassen, sollten wir auch einmal vor der eigenen Türe kehren: Es war ein Fehler, die Bewegung für das Recht auf Abtreibung „Pro Choice", also „Für die Wahlfreiheit", zu nennen. Eine schlechtere Namenswahl hätte man gar nicht mehr treffen können. Mit diesem Begriff bestätigt man unabsichtlich die Vorbehalte von Christen gegen Atheisten, erste für gewöhnlich Abtreibungsgegner und letzte in der Regel Befürworter eines Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. Man stellt das Problem so dar, als ginge es darum, zwischen zwei Eissorten oder zwischen zwei Farben für eine Tischdecke zu wählen, während es sich eigentlich um eine schwerwiegende moralische Problematik handelt. Aus christlicher Sicht bestätigen Atheisten hiermit, dass sie frei wählen möchten, ob und wann sie Babies ermorden, während es ihnen eigentlich um etwas ganz anderes geht.
Derweil nennen sich die Abtreibungsgegner „Pro Life", also „Für das Leben". Sie dagegen hätten gar keine bessere Namenswahl treffen können. Bereits im Namen steckt ihr Anspruch, zu definieren, was Leben ist, und dass sie es sind, die es schützen. Natürlich möchten Menschen eher Leben schützen, als es zu zerstören. Die Parteien Gottes hatten also einen hervorragenden Marketing-Berater, während die Befürworter eines Rechts auf Abtreibung offenbar von jemandem beraten wurden, der sich für Napoleon hält oder an ähnlichen Instabilitäten leidet.
Für das Leben?
Eine Antwort auf die Frage, wann ein „menschliches Leben" beginnt, brauchen wir nicht, um zu entscheiden, ob und wann eine Abtreibung erlaubt sein sollte. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ab wann ein Embryo oder ein Fötus Leid empfindet und welche Art von Leid (bewusst/unbewusst), oder ab welchem Zeitpunkt wir von einem Wesen sprechen können, das ein Überlebensinteresse hat. Zudem ist es relevant, ob eine medizinische Notwendigkeit für eine Abtreibung zum Schutze der Mutter besteht. Eine weitere Frage lautet, ob durch eine Abtreibung anderen Menschen (als dem Embryo/Fötus) unnötiges Leid zugefügt wird und wie diese Problematik gesetzlich zu regeln wäre.
Zum Beispiel wäre es denkbar, dass eine Frau ihrem Partner verspricht, das gemeinsame Kind auszutragen und dann spontan im letzten Moment auf die Idee kommt, es doch lieber abzutreiben. Man könnte durchaus argumentieren, dass wir es hier mit einem ernstzunehmenden Interessenskonflikt zu tun haben, schließlich befinden sich 50% der Gene des Mannes in diesem Embryo. Warum sollte er also nicht mitreden dürfen, wenn es um die Zukunft des gemeinsamen Kindes geht? (Es sei denn natürlich, das Kind ist Produkt einer Vergewaltigung). Oder man könnte argumentieren, dass die bloße, äußere Menschenähnlichkeit von Föten ihre Tötung problematisiert, weil sie unsere Empathiefähigkeit Menschen gegenüber in Mitleidenschaft ziehen könnte (was allerdings zu beweisen wäre!). Vielleicht sollte man derartige Punkte mit in die Debatte hineinnehmen und die Seele dafür austreiben. Muss denn wirklich jeder Diskurs im 21. Jahrhundert von Seelen, Geistern und Göttern heimgesucht werden?
Auf jeden Fall steht fest, dass „menschliches Leben" und dessen willkürlich festgelegter Beginn kein ethisches Kriterium sein können. Die meisten Keimzellen sterben auch ohne Abtreibung, auf ganz „natürliche Weise", ab, obwohl sie alle das Potenzial haben, sich zu Menschen weiterzuentwickeln. Gott ist insofern der eifrigste Abtreibungsarzt aller Zeiten. Selbst wenn Sie sich an der Nase kratzen, richten sie einen wahren „Holocaust" an, bedenkt man, wie viele lebende, menschliche Zellen dadurch „ermordet" werden. Aber das ist ja auch alles viel zu logisch, als dass man es verstehen könnte.