Atheistische Fundamentalisten
Was die anderen Vorwürfe gegen den Neuen Atheismus seitens des HVD betrifft, stehe ich nun da wie der Ochs am Berg und bin insofern einigermaßen perplex. Die säkularen Humanisten (?) des HVD werfen den Neuen Atheisten nämlich genau dasselbe vor, was wir unlängst gläubigerseits zu hören bekommen: Islamophobie, antihumane Polarisierungen, Propaganda, Fundamentalismus, Spaß (?), eine szientistische Tradition, für die man irgendwie verantwortlich wäre und irgendwas mit atheistischen Rechtsradikalen. Das hat es schon einigermaßen in sich. Auf meinem Blog fragt sogar ein Kommentator: „Frieder Otto Wolf schreibt von atheistische Rechtsradikalen und einer atheistischen 'Spaßguerilla'. Ist er etwa der Walter Mixa des HVD?“, während der BrightsBlog (der mir keineswegs nahesteht) titelt: „Humanismus ohne Eier“.
Was den Fundamentalismus-Vorwurf angeht, so überlasse ich es meinen „neo-atheistischen“ Kollegen aus Übersee, A.C. Grayling und Dan Gardner, ihn zu entkräften. Der Philosoph A.C. Grayling sagt dazu:
„Wie würde ein nicht-fundamentalistischer Atheist aussehen? Wäre das jemand, der nur so irgendwie glaubt, dass es keine übernatürlichen Wesen im Universum gibt - vielleicht, dass es nur einen Teil von Gott gibt (einen göttlichen Fuß oder einen göttlichen Hintern)? Oder dass Götter nur gelegentlich existieren - etwa nur Mittwochs und Samstags? (Das wäre gar nicht so ungewöhnlich: Für viele nicht-denkende Quasi-Theisten existiert Gott nur Sonntags.) Oder könnte es sein, dass es sich bei einem nicht-fundamentalistischen Atheisten um jemanden handelt, der kein Problem damit hat, dass andere Menschen zutiefst falsche und primitive Dinge über das Universum glauben, auf dessen Basis sie Jahrhunderte damit verbrachten, andere Menschen massenhaft zu ermorden, die nicht ganz genau die selben falschen und primitiven Dinge glauben wie sie selbst - und das noch immer tun?“
Dan Gardner ergänzt:
„Was jedoch ist der Kern von Dawkins radikaler Botschaft?
Nun, er sieht in etwa so aus: Wenn Sie behaupten, dass etwas wahr ist, dann werde ich die Belege überprüfen, die Ihre Behauptung stützen; falls Sie keine Belege haben, dann werde ich das, von dem Sie behaupten, es sei wahr, nicht akzeptieren und Sie für eine törichte und leichtgläubige Person halten, weil Sie daran glauben.
Das ist es. Das ist das ganze, verrückte, fanatische Paket.“
Was ich zu einem Strohmann wie der angeblichen „Propaganda“ sagen soll, weiß ich auch nicht. Höchstens der Hinweis, dass jenes, was die eine Partei „Propaganda“ nennt, von der anderen schlicht als „Werbung“ bezeichnet wird. Von stalinistischen Personenkulten und Durchhalteparolen für einen totalen Krieg kann hier schließlich kaum die Rede sein bei harmlosen Sprüchen wie „gottlos glücklich“. In der Tat gewinnt man eher den Eindruck, dass der HVD frustriert ist, weil seine Vorhersagen sich als unwahr herausgestellt haben: Sowohl Buskampagne als auch Pro Ethik haben gezeigt, dass Atheisten sehr wohl mobilisiert werden können. In beiden Fällen haben moderate Christen keine große Rolle gespielt (höchstens bei der Verhinderung der Buskampagne in zahlreichen Städten) – im Gegenteil hat gerade der atheistische Osten der Stadt Berlin für Pro Ethik und der „moderat“ christliche Westen für Pro Reli gestimmt! Trotzdem meint man, dies einfach ignorieren und sich scharf von den Neuen Atheisten distanzieren zu müssen, während man sich bei den Kuschelchristen einschleimt.