(hpd) Kann es ein atheistisches Jugendbuch ohne Religionskritik geben? Wer daran bisher zweifeln mochte, wird mit dem vorliegenden
Werk von Christian Lührs, Gut sein ohne Gott, eines Besseren belehrt.
Lührs, Ingenieur und Leiter eines Hamburger Softwareunternehmens, suchte nach einem Buch für seinen Sohn, dass atheistische Jugendliche bei der Ausbildung ethischer Maßstäbe unterstützt. Als er dieses Buch trotz langer Suche nicht fand, schrieb er selbst etwas, das kein Ratgeber, kein Lehrbuch, sondern ein „ethischer und weltanschaulicher Standpunkt" sein soll.
Dieser Versuch, Jugendlichen einen rationalen Weg zu ethischem Denken zu zeigen, der auf Glaubensgrundsätze nicht verzichten könne, gelingt dem Autor jedoch nur teilweise. Gut sein ohne Gott teilt sich in einzelne Kapitel zu den „großen Themen", die für sich lesbar sind. Eine Struktur der Abfolge der einzelnen Abschnitte ist dem Rezensenten aber nicht ersichtlich, er betrachtet es daher als Ansammlung kleiner Aufsätze.
Betonung des Zweifels
Zwei Bereiche sind bei Lührs unterscheidbar: Auf der einen Seite die Betonung des Zweifels, der ertragen werden muss, die Verschiedenheit von Worten und Wirklichkeit, und auf der anderen Seite die Liebe als zentrales Moral stiftendes Sinnelement. Die aus ersterem geborene Sichtweise auf die Möglichkeit der Welterkenntnis ist eine grobe aber nicht falsche, die betont, dass Wissenschaft Methodik sei, und wir im strengen Sinne nichts wissen, sondern nur immer verbesserungsbedürftige Modelle einer hypothetisch angenommenen Wirklichkeit haben. In ethischen Belangen sei die Liebe von zentraler Bedeutung, die uns den Unterschied zwischen Gut und Böse lehre.
Vernunft, Erfahrung, Liebe und Verantwortung
Der Autor glaubt an „Vernunft, Erfahrung, Liebe und Verantwortung des Einzelnen für sich selbst und für die Gesellschaft, in der er lebt". Die hier formulierte Ethik kann nach Ansicht des Rezensenten kritischer Betrachtung letztlich nicht standhalten, was an den notwendigen Vereinfachungen liegen mag, zeigt aber gerade, dass vielfach triviale – und, wie der Rezensent betonen möchte, nicht in allen Fällen sinnvolle – Grundsätze, wie die goldene Regel nicht religiöser Moral vorbehalten sind. Entgegen jedoch dieser allseits bekannten jenseitigen und vertröstenden Konzepte, bietet Lührs aber einen diesseitigen, lebensbejahenden und auf das Jetzt ausgerichteten Lebensentwurf: Das Wichtige solle auf keine nahe oder ferne Zukunft verschoben werden.
Kritisch anzumerken ist, dass sich in den ethischen Fragen die anfängliche Betonung ständigen Zweifels und der Modellhaftigkeit menschlichen Denkens kaum wiederfindet. Der Rezensent stört sich wegen seiner anti-pädagogischen Haltung außerdem an dem teilweise autoritären Charakter der Worte des Autors an seinen Sohn, welche auf Grund der durchgängig subjektiven Darstellung in Ich- und Du-Fom dem jugendlichen Leser aber nichts oktroyiert und ihm keine angebliche Wahrheit verkauft.
Hier findet der Heranwachsende die altersgemäße Darstellung einer Weltanschauung und Ethik vor, die nicht auf religiösen oder anderen ideologischen Dogmen aufbaut, und die ihm helfen kann, seinen eigenen Weg zu finden. Wer also nicht vor der Pathetik und dem Moralisieren des vorliegenden Werkes zurückschreckt und seinem Kind eine erste Einführung in nicht-religiöse Weltanschauungen geben möchte, kann das Buch gut verwenden.
Ein grundsätzliches Interesse und eine fortgeschrittene Lesekompetenz wird dem Jugendlichen dabei jedoch abverlangt. Damit wird man sich nicht der Diskussion mit dem eigenen Kind entziehen können, es wird sie - hoffentlich - vielmehr entfachen oder zumindest verstärken.
Gut sein ohne Gott sollte allerdings vor allem als Aufruf verstanden werden, für Kinder und Jugendliche mehr Angebote zu schaffen, sich über nicht-theistische Weltanschauungen informieren zu können. Hier mangelt es an Alternativen zu ideologisch festgefahrenen Indoktrinationsschriften.
Daniel Gotthardt
Christian Lührs: Gut sein ohne Gott. Ethik und Weltanschauung für Kinder und andere aufgeklärte Menschen, August-von-Goethe-Literaturverlag, Frankfurt 2007, ISBN: 978-3-86548-935-7, Euro 7,90