Breiter Protest gegen den Überwachungswahn

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Auf der Demo 2008 / Sven Lüders

BERLIN. (hu/hpd) Eine geschützte Privatsphäre ist nicht nur angenehm für uns selbst, sie ist auch wichtige Voraussetzung einer freien Gesellschaft. Nur wer sicher ist, dass seine privaten Äußerungen nicht erfasst oder kontrolliert werden, wird seine Meinungsfreiheit wahrnehmen.

Die immer weitergehende Beobachtung und Aufzeichnung unserer Kommunikation und unseres Verhaltens gefährden den offenen, demokratischen Charakter unserer Gesellschaft. Deshalb ruft die Humanistische Union gemeinsam mit zahlreichen anderen Bürger- und Menschenrechtsgruppen, mit Gewerkschaften, Parteien und Verbänden für den 12. September 2009 zu einer zentralen Großdemonstration "Freiheit statt Angst" in Berlin auf.

Demonstration "Freiheit statt Angst 2009 - Stoppt den Überwachungswahn" am 12. September 2009 in Berlin

Beispielbild
Image und Logo von Pascale Riby
Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler rufen bundesweit zur Teilnahme an der Demonstration gegen die ausufernde Überwachung durch Wirtschaft und Staat auf. Am Samstag, den 12. September 2009 werden sie unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!" auf die Straße gehen. Treffpunkt ist um 15.00 Uhr am Potsdamer Platz in Berlin. Die Demonstration ist Teil des europaweiten Aktionstages "Freedom not Fear - Freiheit statt Angst", zu dem länderübergreifend Proteste gegen die Überwachung der Bürgerinnen und Bürger stattfinden.

 

Der Überwachungswahn greift weiterhin um sich. Insbesondere die Überwachung am Arbeitsplatz hat zugenommen. Beschäftigte werden in ihrem Arbeitsumfeld, teilweise auch in ihrem Privatleben überwacht. Zugleich registrieren, überwachen und kontrollieren uns staatliche Stellen bei immer mehr Gelegenheiten. Egal was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir uns bewegen oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns interessieren, in welchen Gruppen wir uns engagieren - der "große Bruder" Staat und die "kleinen Brüder und Schwestern" aus der Wirtschaft wissen es immer genauer. Der daraus resultierende Mangel an Privatsphäre und Vertraulichkeit gefährdet unsere Gesellschaft. Menschen, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen, können sich nicht unbefangen und mutig für ihre Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen.

Nur vermeintlicher Sicherheitsgewinn

Der vermeintliche Sicherheitsgewinn, mit dem Überwachung und Kontrolle oft begründet werden, ist mehr als zweifelhaft: Die Anhäufung von Informationen über die Bevölkerung bietet keinen besseren Schutz vor Kriminalität, kostet uns jährlich aber Milliarden von Euro. Gezielte und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit bleiben dabei genauso auf der Strecke wie die Lösung drängender Probleme, etwa der Arbeitslosigkeit und der ungleichen Lebenschancen in unserem Land. Darüber hinaus weicht die verstärkte Kompetenzvermischung und Zusammenarbeit zwischen Polizei, Geheimdiensten und Militär die bisherige Balance staatlicher Gewaltenteilung auf. Das führt nicht nur zur Aufhebung rechtsstaatlicher Grenzen der Überwachung im Inland, sondern auch zur zunehmenden Abschottung unserer Gesellschaft nach Außen.

Die Überwachung des Alltags betrifft nicht nur Minderheiten, sondern uns alle: Sie beeinträchtigt die Freiheit unseres Glaubensbekenntnisses, unsere Meinungs- und Informationsfreiheit, die freie Arbeit der Medien, die Koalitionsfreiheit und die Integrität von Unternehmen. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen und Berufsgruppen sehen sich in besonderem Maße der Überwachung und Kontrolle ausgesetzt, etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Beratungsdiensten, Ärztinnen und Ärzte, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Journalistinnen und Journalisten, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

Bedingungslos private Räume und Kommunikation

Der Respekt vor unserer Privatsphäre ist ein wichtiger Teil unserer menschlichen Würde, beruflich wie privat. Eine freie und offene Gesellschaft kann ohne bedingungslos private Räume und Kommunikation nicht existieren. Deshalb rufen wir alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich an der Demonstration am 12. September 2009 in Berlin zu beteiligen. Wir wollen unsere Sorge um den Zustand des Datenschutzes lautstark zum Ausdruck bringen und ein deutliches Zeichen dafür setzen, dass viele Menschen für ihre Freiheitsrechte wieder auf die Straße gehen!

Treffpunkt für die Demonstration "Freiheit statt Angst 2009" ist am Samstag, den 12. September 2009 um 15.00 Uhr am Potsdamer Platz. Der Protestmarsch durch die Stadt wird mit einer großen Abschlusskundgebung am Roten Rathaus enden. Auf der Webseite FreiheitStattAngst finden sich jeweils die neuesten Informationen zur Demonstration sowie Möglichkeiten, bei der Vorbereitung der Demonstration mitzuhelfen.

Die Forderungen

1. Überwachung abbauen

  • Abschaffung der flächendeckenden Protokollierung der Kommunikation und unserer Standorte (Vorratsdatenspeicherung)
  • Abschaffung der flächendeckenden Erhebung biometrischer Daten, sowie von RFID-Ausweisdokumenten
  • Schutz vor Bespitzelung am Arbeitsplatz durch ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz
  • Berücksichtigung des Datenschutzes für Bürger- und Arbeitnehmer/innen bereits in der Konzeptionsphase aller öffentlicher eGovernment-Projekte
  • Keine einheitliche Schülernummer (Berliner SchülerID)
  • Keine Weitergabe von Informationen über Menschen ohne triftigen Grund; keine europaweite Vereinheitlichung staatlicher Informationssammlungen (Stockholmer Programm)
  • Keine systematische Überwachung des Zahlungsverkehrs oder sonstige Massendatenanalyse in der EU (Stockholmer Programm)
  • Kein Informationsaustausch mit den USA und anderen Staaten ohne wirksamen Grundrechtsschutz
  • Abbau von Videoüberwachung und Verbot des Einsatzes von Verhaltenserkennungssystemen
  • Keine pauschale Registrierung aller Flug- und Schiffsreisenden (PNR-Daten)
  • Keine geheime Durchsuchung von Privatcomputern, weder online noch offline
  • Keine Einführung der Elektronischen Gesundheitskarte in der derzeit geplanten Form.

2. Evaluierung der bestehenden Überwachungsbefugnisse

Wir fordern eine unabhängige Überprüfung aller bestehenden Überwachungsbefugnisse im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, Kosten, schädliche Nebenwirkungen und Alternativen.

3. Moratorium für neue Überwachungsbefugnisse

Nach der inneren Aufrüstung der letzten Jahre fordern wir einen sofortigen Stopp neuer Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, wenn sie mit weiteren Grundrechtseingriffen verbunden sind.

4. Gewährleistung der Meinungsfreiheit und des freien Meinungs- und Informationsaustauschs über das Internet

  • keine Beschränkung des Internetzugangs durch staatliche Stellen oder Internetanbieter (Sperrlisten)
  • keine Sperrungen von Internetanschlüssen
  • Verbot der Installation von Filtern in die Infrastruktur des Internet
  • Entfernung von Internet-Inhalten nur auf Anordnung eines Richters
  • Einführung eines uneingeschränkten Zitierrechts für Multimedia-Inhalte, das heute unverzichtbar für die öffentliche Debatte in Demokratien ist
  • Schutz von Plattformen zur freien Meinungsäußerung im Internet (partizipatorische Websites, Foren, Kommentare in Blogs), die heute durch unzureichende Gesetze bedroht sind, welche Selbstzensur begünstigen (abschreckende Wirkung)

Medieninformationen

Aktionsbüro
Nina Eschke
Hessische Straße 10
10115 Berlin
Tel: 030/4882 0640 o. 4882 0641
E-Mail: projekt@humanistische-union.de

Unterstützung

Wenn Sie bzw. Ihre Organisation den Aufruf zur Demonstration "Freiheit statt Angst 2009" unterstützen wollen, schreiben Sie bitte an kontakt@vorratsdatenspeicherung.de. Eine Liste der derzeitigen Unterstützer/innen des Aufrufs finden Sie auf der Internetseite des AK Vorratsdatenspeicherung.

Eine Übersicht über die anstehenden Aufgaben, und wie jede/r sich einbringen kann, findet sich im Wiki des AK Vorratsdatenspeicherung.

Und nicht zuletzt: Eine Demonstration kostet Geld! Deshalb bitten wir Sie um Ihre Spenden auf das Sonderkonto, welches die Humanistische Union zur Finanzierung der Demo eingerichtet hat:
Inhaberin: Humanistische Union
Kontonummer: 30 74 250
Bank für Sozialwirtschaft (BLZ: 100 205 00).
Zahlungen an die Humanistische Union sind steuerlich abzugsfähig. Wir sind wegen Förderung der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur vom Finanzamt für Körperschaften I in Berlin (StNr. 27/667/53108) von der Körperschaftssteuer befreit. Wenn Sie uns im Überweisungstext Ihre Anschrift mitteilen, senden wir Ihnen zu Beginn des kommenden Jahres automatisch eine entsprechende Bescheinigung zu.

Sven Lüders