Konfessionsfreie und Verfassungsrecht

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Plenum / Fotografien © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Anlässlich des „Jubiläums“, dass vor 90 Jahren die Weimarer Reichsverfassung verabschiedet worden war, hatte die Humanistische Akademie Deutschland zu einer hochkarätig besetzten Tagung eingeladen, in der es vorrangig um die so genannten "Kirchenartikel" ging.

Am 11. und 12. September hatte die Humanistische Akademie Deutschland zu einer rechtspolitischen wissenschaftlichen Konferenz eingeladen: „Konfessionsfreie und deutsches Verfassungsrecht“. Eine Veranstaltung, die durch die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wurde.

Nach einer Abendveranstaltung am Freitag im Centre Monbijou, auf der Dr. Stefan Korioth
(Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht in München) „Zur aktuellen Diskussion um eine Reform der deutschen Religionsverfassung“ referierte, war dann der gesamte Samstag mehreren Themen gewidmet. Die Generalsekretärin des Humanistischen Verbandes, Judith Huber, moderierte.

Entstehung und aktuelle Bedeutung der Artikel 135 – 141 WRV

Das Thema des ersten Referenten Dr. Hans Michael Heinig (Professor für Öffentliches Recht, insbesondere Kirchenrecht und Staatskirchenrecht in Göttingen) umriss den Bereich der Weimarer Reichsverfassung, um den es im Kern der Tagung ging, die so genannten „Kirchenartikel“. 

Die gegenwärtige Situation beschrieb Heinig als den Verlust staatskirchlicher Selbstverständlichkeiten, als Unruhe, wie die Auslegung für konfessionelle Pluralität, Individualisierung, Enttraditionalisierung und der Islam in Deutschland ins Staatskirchenrecht zu integrieren seien. Das schaffe politische und theoretische Probleme. Seit 11/09/2001 ist zudem die Dimension der Gefährlichkeit von Religion sehr ins Bewusstsein gerückt. Daraus entstehen Fragen: Kann Religion noch integrieren? Ist das offen kooperative Staat-Kirche-Verhältnis noch zeitgemäß? Die Regelungen der Weimarer Reichsverfassung sind 90 Jahre alt, veraltet? Die Antwort nahm Heinig dann gleich vorweg: Nichts Neues ist notwendig, das Staatskirchenrecht hat sich bewährt.

Als Begründung ging er in einer Rückschau auf die Entstehung der „Kirchenartikel“ ein. Die Weimarer Nationalversammlung stand noch im Schatten des Staatskirchentums. Das Thema der Trennung von Staat und Kirche stand nicht nur politisch (durch USPD und SPD) auf der Tagesordnung, auch der Verlust der protestantischen Landesherren als Bischöfe hatte ein kirchenregimentliches Vakuum geschaffen, dass es zu füllen galt. (Ein früherer Versuch der Trennung von Staat und Kirche in der Paulskirchenverfassung 1848 war bereits gescheitert.) Sollten, außer der Religionsfreiheit, überhaupt nationale Regelungen getroffen werden oder sollte man es den Ländern überlassen? Wenn Regelungen, welche Vorgaben?

USPD und SPD waren für eine klare Trennung. Dafür gab es jedoch keine Mehrheit bei der Mitte und den Rechtsparteien. Das christliche Zentrum und die liberale Demokratische Partei (DDP), die sich in einer Regierungskoalition mit der SPD befanden, formulierten mit den oppositionellen Rechten der Volkspartei und der Deutschnationalen eine interfraktionelle Vereinbarung, mit der sie eine Kompetenz des Reiches forderten, um Regelungen in Ländern abzuwehren, in denen die Linke die Mehrheit hatte. Es ging um eine möglichst breite Festschreibung des Status Quo.

Die liberale DDP war das „Zünglein an der Waage“. Sie favorisierte „keine gewaltsame Trennung!“ und ein „Hohes Freiheits- und Förderungsniveau für die Kirchen“. „Eine Ablösung der Staatsleistungen ja, aber diese Ablösung müsse die Lebensfähigkeit der Kirche gewährleisten“. Der Liberale Friedrich Naumann („Freie Kirche“ in einem „Freien Staat“) formulierte zwei Eckpfeiler. Zum einen keine Staatskirche und damit die Selbstverwaltung der Kirchen, zum anderen die Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Mit anderen Worten eine Entflechtung von Staat und Kirche auf der Basis korporationsrechtlicher Beziehungen, d.h. keine Verdrängung der Kirchen aus der Öffentlichkeit ins Privatrecht, als „Privatsache“. Das Zentrum trägt den „Kompromiss“ mit, um noch radikalere Lösungen damit abzuwehren. Resümee von Heinig: „Der Parlamentarische Rat tat gut daran, diese Regelungen ins Grundgesetz zu übernehmen.“

Auch in der anschließenden ausführlichen Diskussion vertrat Heinig als Staatskirchenrechtler und Hochschullehrer Positionen, die eindeutig die parteilichen Auffassungen der Evangelischen Kirche darstellen. In der Kaffeepause wurde dann deutlich warum. Heinig hat einen Lehrstuhl als Stiftungsprofessur für Öffentliches Recht, insbesondere Kirchen- und Staatskirchenrecht an der Göttinger Universität. Er hat damit zugleich die Leitung des Kirchenrechtlichen Instituts, einer Einrichtung der EKD. Er berät die evangelische Kirche in kirchen- und staatskirchenrechtlichen Fragen. Heinig gehört der Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentages und dem Präsidium des Ökumenischen Kirchentages 2010 an. Als Nachfolger von Prof. Dr. Axel von Campenhausen ist er sozusagen der ranghöchste Staatskichenrechtler der EKD. Warum diese Camouflage, es nicht als eigene Position zu benennen? Ein Aspekt, den später Hilgendorf im Allgemeinen noch kritisieren wird.