Wulff im Schafspelz – nein danke!

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Wulff im Schafspelz (c) Ralf König

(hpd) Die säkularen Organisationen in Deutschland lehnen die Kandidatur Christian Wulffs für das Amt des Bundespräsidenten entschieden ab. Ein Politiker, der sich im Kuratorium der evangelikalen Vereinigung „Pro Christ“ engagiere, könne keine Bevölkerung repräsentieren, die zu mehr als einem Drittel konfessionsfrei sei und sich zur Hälfte als „nicht-religiös“ einstufe.

„Christian Wulff ist für das Amt des Bundespräsidenten denkbar ungeeignet!“, erklärte der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), Michael Schmidt-Salomon. „Wie soll eine Bevölkerung, die zu mehr als einem Drittel aus konfessionsfreien Menschen besteht und die sich sogar zur Hälfte als ‚nicht-religiös’ einstuft, einem Mann vertrauen können, der sich im Kuratorium der bibeltreuen, missionarischen Organisation ‚Pro Christ’ engagiert? Ein Bundespräsident, der Gruppierungen unterstützt, die aufgrund religiöser Wahnideen die Evolutionstheorie leugnen und Schwulenhetze betreiben, ist völlig untragbar! Das Mindeste, was Christian Wulff nun tun müsste, damit er politisch noch halbwegs Ernst genommen werden kann, wäre ein sofortiger Austritt aus dem Kuratorium von ‚Pro Christ’! Doch selbst, wenn er diesen Schritt vollziehen würde, bleiben starke Bedenken gegen seine Person, da er offensichtlich nicht willens oder intellektuell nicht in der Lage ist, empirische Fakten anzuerkennen und daraus korrekte, logische Schlüsse zu ziehen. Einen Mann, der im weltanschaulichen Bereich derart hinterwäldlerischen Mythen anhängt, sollte man nicht zum obersten Repräsentanten eines säkularen Staates machen!“

Aufgaben eines Bundespräsidenten

Welche Aufgaben hat denn überhaupt ein Bundespräsident? In Artikel 54-61 des Grundgesetzes werden Einzelheiten zu den Voraussetzungen für die Berufung in das Amt, zur Wahl, zur Person, und zu den Aufgaben des Bundespräsidenten ausgeführt. In Artikel 56 GG schwört er oder sie bei Amtsantritt vor den versammelten Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates folgenden Eid: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe." Der Eid kann, wie weiterhin zu lesen ist, auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

Nach Artikel 3, Absatz 3 des GG darf „niemand ... wegen ... seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Und laut Artikel 4, Absatz 1 lautet: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ Diese Rechte sind es, auf die vor allem säkulare Menschen verweisen, da bereits der jüngst zurückgetretene Bundespräsident Köhler keineswegs das Grundgesetz wahrte oder Gerechtigkeit gegen jedermann übte, sondern mehrfach zur Missionierung aufrief. So hatte Köhler im Dezember 2009 in einem Grußwort behauptet, das Lesen der Bibel könne ein „wertvoller Beitrag für die frühkindliche Erziehung“ sein, woraufhin die Giordano-Bruno-Stiftung in einem offenen Brief an Köhler die „weltanschauliche Manipulation von Kindern“ kritisierte und vorschlug, Kindern zuerst ein „solides Grundwissen“ zu vermitteln, bevor man „religiöse Vorstellungen“ an sie herantrage.  Mitte Mai 2010 rief Köhler gar in einem Zeitungsinterview, das später auf seiner offiziellen Website veröffentlicht wurde, die Kirchen zur Missionierung auf.

Nicht nur dem Vorstandssprecher der gbs, auch anderen VertreterInnen der säkularen Szene ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass die neuen Kandidaten auf das höchste Amt befürchten lassen, die weltanschauliche Neutralität werde nicht gewahrt, so die „Privatmeinung“ des Rudolf Ladwig vom IBKA. Auch er fordert Wulffs Aufgabe der Mitgliedschaft im Kuratorium von ‚ProChrist’ und fürchtet, das konfessionsfreie Drittel der Gesellschaft werde erleben, dass „ein Präsident Wulff ihre gesellschaftliche Existenz ignorieren wird. Wulff wird – wie seine frömmelnden Vorgänger Köhler, Rau und Herzog – kein Präsident für alle Bürger sein.“

Säkulare Verbände melden sich zu Wort

Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbands Deutschlands, plädiert für eine Person, „in der die Haltungen der Mehrheit der Deutschen Ausdruck findet“, denn „die Mehrheit der deutschen Bevölkerung glaubt nicht an die Glaubensbekenntnisse der etablierten christlichen Kirchen.“ Daher ist für ihn Christian Wulff problematisch, da dieser „bisher ein klares Bekenntnis zur verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche vermissten lässt. Damit er akzeptiert werden kann, wird er deutlich machen müssen“, so Wolf, „dass er seine Haltung im niedersächsischen Kruzifixstreit korrigiert und zumindest nicht fortzuführen gedenkt.“ Im Kruzifixstreit hatte die neu berufene muslimische Ministerin Aygül Özkan für weltanschauliche Neutralität und die damit verbundene Entfernung von Kruzifixen aus öffentlichen Räumen plädiert. Niedersachsens Ministerpräsident Wulff, der für die Berufung Özkans gelobt worden war, hatte, wie auch in der ZEIT vermeldet wurde, verärgert reagiert und schnell klargestellt, dass die Landesregierung Kreuze an Schulen begrüße: „Frau Özkan hat ihre persönliche Meinung zur weltanschaulichen Neutralität geäußert, aber sie stellt die niedersächsische Praxis nicht infrage.“