Deutsche Zustände in den Niederlanden?

 

Wilders strebt zur Macht

Eine weitere Option ist ein rechtes Kabinett der VVD, CDA und der Wilders PVV, das eine knappe Mehrheit von 76 Stimmen haben würde. Das würde aber die bisherige Quarantäne um Wilders durchbrechen. Die Liberalen haben aber gestern bereits vorsichtig angedeutet, dass es logisch erscheint, die PVV einzubeziehen, da sie den größten Gewinn von allen beteiligten Parteien erreichte. Doch für diese Kombination braucht man die CDA.

Auf jedem Fall ist klar: In den Niederlanden gibt es bald den ersten liberalen Ministerpräsident seit 100 Jahren (der Letzte regierte von 1913 bis 1918). Logisch, dass die Gewerkschaften sich schon Sorgen machen. Der Sprecher der FNV sagte: "Die VVD, war die Partei, die am lautesten die Durchführung eines großen Sparpakets forderte." Der Gewerkschaftsverband ist besorgt, dass eine neue Regierung "mit der stumpfen Axt“ besparen wird, und dass dadurch die fragile Erholung der Wirtschaft, im Keim erstickt wird. Und in der Tat hat die VVD als ein Wahlziel angegeben, das Staatsdefizit auf null herunterzufahren. Die FNV äußerte vor allem Bedenken darüber, dass das zu harten Einschnitten bei den öffentlichen Ausgaben auf Kosten des Netzes der sozialen Sicherheit gehen wird. Auch das knappe Rennen zwischen VVD und PvdA (am Ende nur eine Differenz von einem Sitz) lässt sich auf dem Hintergrund dieser 2 gegensätzlichen Vorstellungen über Krisenbewältigung erklären: sofortiges öffentliches Sparen und Reform des Arbeitsmarktes einerseits und sozialdemokratisches, salamitaktisches Sparen und Reformieren andererseits.

Wilders doch Minister?

Für die Wilders – Partei waren die Wahlen zwar ein Fest, aber eine Regierungsbeteiligung bleibt zunächst unwahrscheinlich, obwohl Wilders natürlich gern Minister sein möchte. Er findet es unklug und nicht-demokratisch, dass PvdA und VVD ihn ignorieren. "Wir wollen regieren", ist sein Credo. Für Wilders sind die Gewinne seiner Partei "ein glorreicher Tag für die Niederlande". Sie mache Fortschritte in jeder Gemeinde. Die größten Gewinne bucht sie in Rucphen (Nord Brabant): fast 24 Prozent. Es wird angenommen, dass ihre unerwarteten Zugewinne insbesondere aus dem liberalen Lager kommen, da die laut Prognosen weit vor der PvdA hätten scoren sollen (24 % der Wilders-Wähler haben bei vorherigen Wahlen den Liberalen ihre Stimme gegeben). Aber auch 23 % vorher PvdA-Wähler stimmten jetzt für Wilders, da er, mehr als diese Partei, die soziale Situation wie die Gesundheitsorganisation und auch die Begrenzung der Lebensarbeitszeit in sein Programm aufgenommen hat.

Natürlich gibt es bereits scharfe Reaktionen verschiedener Verbände auf die Wahl. Ob sie aber eine PVV-Regierungsbeteiligung verhindern können, ist mehr als fragwürdig. So ruft die Organisation der Marokkanischen Muslime (UMMON) die PVV-Wähler auf, zu berücksichtigen, dass die Muslime „eine nicht zu verwahrlosende und negierende Bevölkerungsgruppe“ ausmachen; die Organisation gegen Rassismus (Bekennt kleur) spricht von einem schockierenden Ergebnis; die niederländische Islamitische Föderation (NIF) hofft, dass es trotz dieser Ergebnisse „doch noch gut wird in den Niederlanden“. Wilders kann sicherlich nur in einer Koalition mit der rechtsliberalen VVD und den Christdemokraten zu seinem Ministeramt kommen (und mit einer der fundamentalistischen christlichen Parteien um die notwendige absolute Mehrheit zu erreichen). Dafür müsste aber die bisherige politische Quarantäne um diese Partei aufgehoben werden. Ob das die Christdemokraten mitmachen, ist fragwürdig. Die Liberalen aber haben, wie gesagt, schon diese Variante in Erwägung gezogen.


R. Mondelaers