BERLIN. (hpd) Vor einigen Wochen erschien im hpd ein Debattenbeitrag von Thomas Heinrichs: “Der HVD in der Bundeswehr?”. Er enthielt einige bedenkenswerte Überlegungen, aber auch eine Reihe von Irrtümern. Auf fünf davon sei in Kurzform hingewiesen.
Bei der Frage, ob der Humanistische Verband Deutschlands Soldaten der Bundeswehr humanistisch beraten sollte, geht es primär keineswegs um die finanzielle Frage einer Bezahlung dieser Beratung durch die Bundeswehr, sondern um die Frage nach dem Beratungsbedarf bei den Soldaten und der Sinnhaftigkeit eines humanistischen Angebots. Die Ergebnisse der Bundeswehrbefragung 2013 zum Thema Militärseelsorge belegen den Bedarf. Und Sinn macht eine humanistische Beratung von Soldaten vor allem im Kontext eines umfassenderen Beratungsangebotes auch für andere Berufsgruppen und Einzelpersonen. Bei der ganzen Debatte sollte aber nicht vergessen werden, dass die Bundeswehr sich nicht besonders für den HVD und irgendwelche Kooperationen interessiert.
Die schönen einfachen Gleichungen (a) BRD=Krieg, (b) Bundeswehr=Krieg sowie (c) Bundeswehr=Nicht-Humanismus werden der Komplexität der verhandelten Themen sicherlich nicht gerecht.
Es ist mitnichten der “Krieg”, der “normales Mittel” der neueren deutschen Außenpolitik ist, sondern Einsätze der Bundeswehr – sogenannte humanitäre wie auch Kampfeinsätze – sind zu einem Teil der neueren deutschen Außenpolitik geworden. Insbesondere die Kampfeinsätze sind nicht “normal”, sondern gelten den meisten als ultima ratio und sind politisch stets umstritten, nicht nur unter Humanisten/innen. Eine sinnvolle Kritik an der sogenannten “offiziellen Position der BRD” wäre z. B. die Forderung, sich weitaus deutlicher als bisher zu einer Verantwortung für einen gerechten Frieden zu verpflichten und sich entsprechend nicht-militärisch zu engagieren.
Nicht jeder Einsatz der Bundeswehr ist ein Kriegseinsatz, selbst wenn wie z. B. im Falle Afghanistans Einsätze bewusst politisch verharmlost werden. Die Bundeswehr ist heute eine Organisation mit vielen verschiedenen Aufgaben. Man muss bei sogenannten humanitären Einsätzen wie auch bei Einsätzen im Namen von Menschenrechten oder Demokratie kritisch die Lauterkeit der Motive und die Sinnhaftigkeit prüfen, sie aber grundsätzlich allesamt schlichtweg unter den Begriff “Krieg” zu rubrizieren, ist intellektuell unredlich.
Die Bundeswehr, ihre Einsätze und ihre Soldaten lassen sich nur dann fein säuberlich als “nicht-humanistisch” vom Humanismus absondern, wenn man den Sinn der Institution auf von niederen Motiven geleitete Kriegsführung reduziert, ihre Mitglieder als kriegsaffine Rambos oder Gleichgültige denunziert und Humanismus mit Pazifismus anstatt mit Antimilitarismus gleichsetzt.
Bundeswehr und Politik sind keine homogene Einheit. Soldaten der Bundeswehr teilen oftmals die Einwände und Bedenken gegen die neuere deutsche Außenpolitik. Viele von ihnen wollen nicht unter dem Deckmantel der Verteidigung von Menschenrechten und Demokratie für parteipolitische, ökonomische oder geopolitische Interessen in den Einsatz geschickt werden. Viele von ihnen wollen auch nicht zu humanitären Einsätzen in Gebiete entsandt werden, in denen sie nicht erwünscht sind und in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt werden. Und so manche fragen sich auch ganz grundsätzlich, wieso die Bundeswehr überhaupt zuständig sein soll für Krisengebiete in aller Welt und sie dafür ihr Leben riskieren sollen.
Humanistische Soldatenberatung ist keine Missionierungsveranstaltung. Sie hat nicht das Ziel, den Soldaten zum Ausstieg aus der Bundeswehr zu überreden. Der humanistische Berater und die humanistische Beraterin haben selbstverständlich Respekt vor Soldaten, die ihren Beruf aus politischer und/oder ethischer Überzeugung ausüben. Entscheidend ist nicht, ob sie die jeweiligen Ansichten der Berater/innen teilen, entscheidend sind die Fragen, Sorgen und Nöte des einzelnen Soldaten. Daher unterliegt die Beratung eben auch nicht der vermeintlichen Vorgabe “Fitmachen zum Töten und Getötet-Werden”. Eine genuin humanistische Perspektive fokussiert immer auf den einzelnen Menschen und nicht bloß auf irgendeine wirkliche oder vermeintliche “Funktion”. Selbstverständlich können humanistische Berater, Militärseelsorger und auch Soldaten in der Bundeswehr eine “humanistische, antimilitaristische Weltanschauung vertreten”. Es ist eine echte Forschungsfrage, in welchem Sinne der Humanismus ein Antimilitarismus ist und in welchem Sinne nicht.
Noch weniger ist der Lebenskundliche Unterricht (LKU) in der Bundeswehr eine Missionierungsveranstaltung. Er ist aber vor allem auch keine frontale einseitige “Schulung”. Die Soldaten sollen lt. Curriculum dazu angeregt werden, alle mit ihrem doch sehr spezifischen Beruf verbundenen Fragen zu bedenken und zu diskutieren (dazu kann natürlich auch die Frage nach gewaltfeien Konfliktlösungen oder präventiver Friedenspolitik gehören) sowie sich in dieser Auseinandersetzung ein eigenes begründetes Urteil zu bilden (dazu kann auch das selbstverantwortete Urteil pro oder contra eines Einsatzes gehören).
Muss wirklich darauf hingewiesen werden, dass der LKU nicht im Moment eines aktiven Einsatzes erteilt wird, wo in der Tat keine ethischen Diskussionen stattfinden? Zwar kann er durchaus in einer Einsatzvorbereitung wie auch am Einsatzort stattfinden, meistens aber wird er am heimatlichen Standort abgehalten. Und selbstverständlich wird im LKU diskutiert und nicht einfach nur “gehorcht”.
Mindestens genauso wie dabei christliche Seelsorger für sich die Kompetenz zu einem offenen, pluralistischen, d. h. weltanschaulich nicht gebundenen LKU beanspruchen, können dies auch humanistische Lehrkräfte. Die letzte Evaluation des LKU belegt den Wunsch nach einer stärkeren Einbeziehung von nicht-religiösen, externen Fachkräften.