Gestern hat die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) eine Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts beschlossen. Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Regierung ihr Ziel der Angleichung des kirchlichen Arbeitsrechts an das "weltliche" Arbeitsrecht trotzdem weiter verfolgen wird. Denn es sollte der Staat sein, der die Hoheit über die Ausgestaltung des Arbeitsrechts hat, und nicht die Kirche. Ein Kommentar von hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg.
Die 220 Teilnehmer*innen der 20. Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Kassel haben die Bundesregierung aufgefordert, die Privilegien der Kirchen beim Arbeitsrecht zu beseitigen. "Wir fordern ausnahmslos die gleichen Rechte wie unsere Kolleg*innen in nichtkirchlichen Betrieben", heißt es in einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution der kirchlichen Mitarbeitervertreter*innen aus dem ganzen Bundesgebiet.
Das kirchliche Arbeitsrecht gehört zu den letzten großen Absurditäten in Deutschland. Einer, der es wissen muss, ist Frank Bsirske. 18 Jahre lang war er Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgesellschaft (ver.di). Seit 2021 sitzt der Politologe für Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, wo er innerhalb seiner Fraktion die AG Arbeit und Soziales leitet. Der hpd hat mit ihm über die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts gesprochen.
Die Hebamme Sandra Eltzner darf aufgrund ihres Kirchenaustritts nicht länger an einem katholischen Krankenhaus beruflich tätig sein. Doch dagegen wehrt sie sich juristisch, unter Berufung auf den Kündigungsschutz und die gesetzlich garantierte Diskriminierungsfreiheit. Der Trägerverbund des betreffenden Krankenhauses, bestehend aus der katholischen St. Paulus-Gesellschaft und der Caritas, wertet hingegen den religiösen Verkündungsauftrag der Angestellten höher als etwa das Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit seiner Angestellten. Der Fall liegt mittlerweile beim Europäischen Gerichtshof.
Spätestens seit der TV-Dokumentation "Wie Gott uns schuf", in der sich Anfang des Jahres in der ARD zur besten Sendezeit 125 Beschäftigte als queer outeten, ist das kirchliche Arbeitsrecht enorm unter Druck. Ein guter Anlass für den Bund für Geistesfreiheit München mit Beschäftigten aus der katholischen und evangelischen Kirche den sogenannten "Dritten Weg des kirchlichen Arbeitsrechts" zu diskutieren.
ver.di läuft seit Jahren Sturm. Das kirchliche Arbeitsrecht diskriminiert über eine Million Angestellte, die bei Diakonie und Caritas beschäftigt sind. Doch die Bundesregierung will kirchliche Sonderrechte nun einschränken – in Zusammenarbeit mit den Kirchen. Zum Tag der Arbeit hat der hpd bei den religionspolitischen Sprechern von SPD und Grünen sowie der Sprecherin der Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz – GerDiA nachgefragt.
So erfreulich viele Punkte des Koalitionsvertrags für die Genossinnen und Genossen auch sein mögen, so bitter ist manche Pille, die es gleichzeitig zu schlucken gilt: Der Umgang der SPD insbesondere mit dem System des kirchlichen Arbeitsrechts – auch bekannt als "Dritter Weg" – offenbart, welche außerparteilichen Lobbyvertreter und innerparteilichen Kontaktleute sich bei der Formulierung des Koalitionsvertrages durchgesetzt haben.
Auf die Agenda der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gehören auch Reformen zur Sonderrolle der Kirchen, schreibt der Sozialethiker Hartmut Kreß in der neuesten Ausgabe der Online-Zeitschrift "Weltanschauungsrecht aktuell". Es handele sich dabei um ein Problem von großer gesellschaftlicher Tragweite, das lösbar wäre, ohne Kosten beim Staat zu verursachen.
In einer Videobotschaft sprach sich das katholische Oberhaupt vergangenen Samstag für fundamentale Veränderungen unseres Wirtschaftssystems aus. Er forderte außerdem mehr Steuergerechtigkeit, Schuldenschnitte für ärmere Staaten und mehr Gemeinwohlorientierung. Noble Worte, doch Franziskus scheint vergessen zu haben, dass sein eigener Verein hierzulande erst kürzlich einen Tarifvertrag für Pflegekräfte platzen ließ.
Die finanzielle Aufwertung der Altenpflege ist an der Caritas gescheitert. Die Säkularen Sozialdemokrat_innen kritisieren die Sonderstellung der Kirchen im Arbeitsrecht, die, wie sich nun zeigt, für Arbeitnehmer_innen weit über das kirchliche Umfeld hinaus negative Folgen haben kann.
Stimmt es, dass in vielen Sozialberufen der Taufschein so wichtig ist wie der Nachweis der Ausbildung? hpd-Autor Herbert Thomsen widerspricht dieser häufig gehörten Auffassung.
Angehende Sozialarbeiter*innen sind wenig religiös und betrachten die Kirchen oft kritisch. Trotzdem gehören viele von ihnen einer christlichen Konfession an – wohl aus Angst, keine Stelle zu finden. Eine neue Studie zeigt die Auswirkungen der diskriminierenden Einstellungspolitik kirchlicher Einrichtungen.
Anfang Dezember finden in Berlin die "Deutschen Antidiskriminierungstage" der Antidiskriminierungsstelle des Bundes statt. GerDiA wird sich an den Diskussionen beteiligen.
Durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sollte konfessionsfreien Ärztinnen und Kindergärtnerinnen, Krankenpflegerinnen und Bürokräften, Reinigungspersonal und Hausmeisterinnen et cetera ein neuer Zugang zu dem von kirchlichen Organisationen dominierten sozialen Arbeitsmarkt eröffnet werden. Dagegen wandte sich die Diakonie mit einer Verfassungsbeschwerde.
Als Erfolg bewertet der "Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten" (IBKA) den Vergleich zwischen der "Agaplesion, Frankfurter Diakoniekliniken gGmbH" und einem konfessionslosen Arzt. Dieser erhält 5.000 Euro Entschädigung, da seine Bewerbung auf eine Stelle als Arzt aufgrund seiner Konfessionslosigkeit abgelehnt worden war.